Alegranza versinkt im Plastikmüll

Holz- und jede Menge Plastikmüll sammelt sich in der Bucht von Caleta de Trillo auf der nur 10 Quadratkilometer großen, unbewohnten Insel an. Foto: EFE / Jorge Cáceres-ULPGC

Holz- und jede Menge Plastikmüll sammelt sich in der Bucht von Caleta de Trillo auf der nur 10 Quadratkilometer großen, unbewohnten Insel an. Foto: EFE / Jorge Cáceres-ULPGC

Die kleine Insel, die unter Naturschutz steht, ist zu einem Hotspot der Plastikverschmutzung geworden

Gran Canaria – Am 5. April veröffentlichte das Alfred-Wegener-Institut einen Artikel mit dem Titel „Die globale Plastikflut erreicht die Arktis“. Darin heißt es unter anderem: „Etwa 19 bis 23 Millionen Tonnen Plastikmüll landen heute pro Jahr in den Gewässern der Welt – das entspricht fast zwei Lkw-Ladungen pro Minute. Weil Plastik besonders stabil ist, reichert es sich in den Ozeanen an und zerfällt mit der Zeit in immer kleinere Teile – vom Makro- bis hin zum Mikro- und Nanoplastik – und gelangt so auch ins menschliche Blut. Und die Müllflut verstärkt sich wohl noch: Bis 2045 wird sich die weltweite Plastikproduktion voraussichtlich verdoppeln. (…) Wie die aktuelle Studie des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), nun zeigt, bleibt auch der hohe Norden nicht verschont.“

Während die Wissenschaftler sich mit der Erkenntnis auseinandersetzen, dass die Arktis keine weitgehend unberührte Wildnis mehr ist, zeigt sich das Problem des Plastikmülls in den Weltmeeren auch an anderen unbewohnten Orten der Welt. Einer dieser Orte ist die kleine Insel Alegranza, die nördlich von Lanzarote liegt. Sie ist eine der fünf Inseln des Naturschutzgebiets Chinijo, ein Archipel, der außerdem die Inseln Montaña Clara, Roque del Este, Roque del Oeste und, als einzige bewohnte Insel der Gruppe, La Graciosa umfasst.

Holz- und jede Menge Plastikmüll sammelt sich in der Bucht von Caleta de Trillo auf der nur 10 Quadratkilometer großen, unbewohnten Insel an. Alegranza ist Schutzgebiet unter anderem für bedrohte Vogelarten wie der Fischadler, die Fregattensturmschwalbe, der Sepiasturmtaucher und der Eleonorenfalke. Foto: WB
Alegranza ist Schutzgebiet unter anderem für bedrohte Vogelarten wie der Fischadler, die Fregattensturmschwalbe, der Sepiasturmtaucher und der Eleonorenfalke. Foto: WB

Alegranza darf weder von ihren Eigentümern, der Familie Jordán Martinón, die das Eiland in den Vierzigerjahren kaufte, noch von Touristen betreten werden. Auch für die Feldstudie der Universität Las Palmas war eine Sondergenehmigung notwendig, damit die freiwilligen Helfer die Müllsammelaktion durchführen konnten. Obwohl unbewohnt und vom Tourismus unberührt, ist Alegranza zu einer wahren Müllkippe geworden. Die Lage des Inselchens macht es zum ersten Hindernis, an das umhertreibender Müll auf dem Golfstrom von den USA aus stößt.

Etiketten von Langusten-Fallen, die für die USA und Kanada zugelassen sind, Hunderte Plastikflaschen von Getränkeherstellern und Reinigungsmitteln und Abertausende kleine bis winzigste Plastikteilchen haben Wissenschaftlerinnen der Universität Las Palmas de Gran Canaria (ULPGC) bei ihrer jüngsten Feldstudie auf Alegranza gefunden.

Die Studie wurde mit Unterstützung der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF und der berufsbildenden Schule für Fischerei der Kanarischen Inseln (Instituto de Formación Profesional Marítimo Pesquera) zwischen Juli und Oktober 2020 durchgeführt. Die Ergebnisse wurden in der wissenschaftlichen Fachpublikation „Marine Pollution Bulletin“ im April 2022 veröffentlicht und zeichnen ein besorgniserregendes Bild: An einem nur 100 Meter breiten Küstenstreifen in der Bucht Caleta de Trillo wurden 321 Kilo Müll, vor allem Plastik (97,7%), gesammelt, wobei das Holz der unzähligen Paletten, die von Schiffen aus über Bord geworfen werden, nicht mit eingerechnet wurde. Sechsmal fuhren die Forscherinnen mit Helfern zu der nur 10 Quadratkilometer großen Insel, um Belege für ihre Studie zu sammeln. Dabei trugen sie unter anderem 960 Getränkeflaschen aus Plastik, 144 Putzmittelflaschen, 647 Plastikschraubverschlüsse, 28 Feuerzeuge und Tausende kleinere Plastikfragmente zusammen. Abgesehen von dem Plastikmüll sammelten sie auch 448 Kunststoffschnüre, Styropor-Stücke, 96 Plastikbojen, Fischverpackungskisten, Fischernetze und die besagten Etiketten von Langusten-Fallen.

Foto: EFE / Jorge Cáceres-ULPGC
Foto: EFE / Jorge Cáceres-ULPGC

Als bemerkenswert wird von der Studie, die von Alicia Herrera (ULPGC) gleitet wurde, die Tatsache befunden, dass gut ein Viertel (25,4%) des im Rahmen der Studie entsorgten Plastikmülls auf Plastikflaschen entfällt. Außerdem wird festgestellt, dass in zwei von drei Fällen, in denen die Etiketten noch leserlich waren, es sich um Produkte asiatischer Hersteller handelte.

Doch, dass Alegranza durch ihre Lage sozusagen ein Hotspot der Plastikverschmutzung geworden ist, an dem Müll vom anderen Ende der Welt landet, liegt vermutlich vor allem an dem zunehmenden Seeverkehr, sowohl von Frachtschiffen als auch von Fischereischiffen. Deshalb, so lautet ihre Empfehlung, müssten jegliche Pläne zur Eindämmung der Plastikflut in den Ozeanen eine Reduzierung des Verbrauchs von Plastikflaschen einschließen.

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