Bislang wurde dieses Privileg nur auf den Kanarischen Inseln abgeschafft
Madrid – So gut wie alle Parteien haben das eine oder andere Mal Vorstöße gewagt, um die strafrechtliche Sonderregelung, die Politiker in Spanien genießen, die sogenannte Exemtion, aufzuheben. Allerdings sind die meisten dieser Initiativen bislang früher oder später ins Leere gelaufen. Auch das im Rahmen der Wahlkampagne 2019 von den Sozialisten groß angekündigte Vorhaben, den Immunitätsstatus der Politiker aufzuheben bzw. zumindest deutlich einzuschränken, ist jetzt, knapp über ein Jahr nach Beginn der Legislaturperiode, wieder aus dem politischen Diskurs verschwunden. Wenn auch in diesem Fall nicht aus mangelndem Engagement seitens der Regierung, sondern aufgrund der Tatsache, dass die Pandemie so gut wie alle bis vor Kurzem noch wichtigen politischen Vorhaben weit in den Hintergrund gedrängt hat.
„Wir werden die Verfassung reformieren, um die Exemtion von Politiker zu begrenzen und diese strafrechtliche Sonderregelung auf die Ausübung eines politischen Amtes zu begrenzen“, steht wörtlich in dem Koalitionsabkommen, das die heutigen Regierungspartner, die sozialistische PSOE und Unidas Podemos vor gut einem Jahr unterzeichnet haben. Heutzutage sind jedoch nicht nur keinerlei Fortschritte hinsichtlich der Aufhebung des Immunitätsstatus erzielt worden, vielmehr scheint das Thema gänzlich von der politischen Bühne verschwunden zu sein.
Es gibt weltweit außer Spanien kein anderes Land, in dem so vielen Menschen das Privileg der Immunität zuteil wird. 2018 wurde die Anzahl auf 250.000 Personen geschätzt. Der Großteil davon, nämlich 232.000, sind Mitglieder der staatlichen Sicherheitsbehörden, die diese Initiativen allerdings ohnehin nicht betreffen würden. Auf politischer Ebene handelt es sich dabei um ein verfassungsrechtlich gesichertes Privileg, nach dem Abgeordnete, Senatoren und Regierungsmitglieder sich im Rahmen von strafrechtlichen Angelegenheiten nicht vor einem ordentlichen Gericht, sondern vor dem Obersten Gerichtshof verantworten müssen. Ähnlich verhält es sich auch auf regionaler Ebene, wo Abgeordnete und Mitglieder der Regionalregierung ebenfalls in diesem Sinne durch die Statuten der autonomen Regionen geschützt sind. Außerdem gilt dieses Privileg auch für Richter und Staatsanwälte sowie das spanische Königspaar und die emeritierten Monarchen sowie die Prinzessin von Asturien, denen das Privileg durch das Gerichtsverfassungsgesetz zugesichert ist.
Wirklich umgesetzt wurde die Aufhebung des strafrechtlichen Sonderstatus bislang nur auf den Kanarischen Inseln, die ihn 2018 aus ihren autonomen Statuten gestrichen haben. Kurz darauf haben auch Murcia, Kantabrien und die Balearen einen Vorstoß in diese Richtung in die Wege geleitet, allerdings steht die endgültige Verabschiedung noch aus.
Ein entsprechender Entwurf, den Ciudadanos auf nationaler Ebene im vergangenen Oktober im Senat einbrachten und mit dem dieses Privileg für rund 2.000 öffentliche Ämter aufgehoben werden sollte, scheiterte bislang an den Gegenstimmen der konservativen PP und der sozialistischen PSOE. Die sozialistischen Senatoren erklärten in diesem Zusammenhang, die Regierung wolle die Exemtion tatsächlich abschaffen, allerdings nur für Straftaten, die außerhalb der Ausübung eines öffentlichen Amtes begangen werden. Die oppositionellen Konservativen wiederum begründeten ihre Ablehnung mit dem Argument, es sei derzeit nicht der richtige Moment für eine Verfassungsreform, sie müsse vielmehr vor dem Agieren der Koalitionspartner der Regierung geschützt werden.