Die Inflation als kreative Zerstörung des Wohlstandes


Eine Analyse von Dipl. Volkswirt Klaus Wiens

Rückblick: Eine alte Börsenweisheit lautet: Greife nie ins fallende Messer. Übertragen: Fallen die Aktienkurse und der Börsenaktivist kauft in der Meinung, tiefe Kurse seien ein Schnäppchen für den Wiedereinstieg, biete sie doch ein gutes Gewinnpotential, so merke: Niemand kennt den Boden, von welchem aus der Turnarround stattfindet.

Bis dieser erreicht ist, führt ein zu früher Einstieg zu Verlus­ten und Liquiditätsabzug. Letztere verhindert den Wiedereinstieg. Es gilt den Trend auszuloten. Eine weitere Börsenweisheit besagt: The trend is your friend. Um diesen zu erkennen bedarf es der eigenen volkswirtschaftlichen Analyse – keine Medientipps oder Bankberatung.

Wie sieht die Welt, in der an den Börsen z.Zt. die Angst umgeht, heute wirklich aus? Seit etwa 1960 haben USA und Europa die Politik des lockeren Geldes verfolgt. Die Geldmengen (M3) in den verschiedenen Volkswirtschaften, mit denen die nationalen Notenbanken den Geldkreislauf versorgten, wurden laufend gesteigert, um dem produzierenden Gewerbe Impulse zu Investitionen zu geben mit dem Effekt, Arbeitsplätze zu schaffen und Gewinne zu erwirtschaften. Arbeitsplätze führen zu Konsumausgaben, welche Nachfrage erzeugt und wieder Investitionen nach sich zieht. Dies sind die Grundzüge der modernen Marktwirtschaft. Geldmengen, die das Bruttosozialprodukt übersteigen, führen zu Preissteigerungen, also Inflation. Zwei Prozent Inflation als Stimulanz einer Volkswirtschaft wird von der Wissenschaft als sinnvoll angesehen, obwohl über viele Jahrzehnte in der Summe eine Aushöhlung der Währung sich zwangs­läufig einstellt.

Problematisch wird die Verschuldung für private Haushalte und den Staatshaushalt ebenso wie für jedes Unternehmen, wenn die Ausgaben ständig die Einnahmen übersteigen und ein Abbau nicht mehr stattfindet. Beim Staat sagt der Volksmund, die Politik ist auf Inflation ausgerichtet. Eine Rückzahlung aller Schulden ist undenkbar, da die Rückzahlung zu Lasten der Investitionen geht und damit rezessiv wirkt. Wie sagt Helmut  Schmidt, ehemaliger Bundeskanzler Deutschlands: „…5% Inflation sind mir lieber als 5% Arbeitslosigkeit“, als Diplom-Volkswirt wohl wissend, dass Inflation nicht als absurdum zu akzeptieren ist, denn die Grenze ist die Überschuldung. Nach der Pleite (siehe DDR) folgten ein Neuanfang (Maueröffnung der DDR) und eine neue Währung (Euro) ab 1.1.2000 mit einem neuen Inflationskarussell.

Damit, liebe Leser, kommen wir zur Wurzel unserer heutigen Wirtschaftskrise. Jawohl, es ist nicht nur ein Börsencrash einer Überspekulation, die nun gerade abgebaut wird. Nein hier geht es um die abenteuerlichen Geldspritzen, die ständig über viele Jahrzehnte in den Geldkreislauf gepumpt wurden, um die Wirtschaft zu stimulieren.

Die Gesamtwirtschaft, die Gewinne, die Löhne, die Steuereinnahmen, alles muss wachsen. Niemand hat etwas gegen ein gesundes Wachstum der Realwirtschaft – die Differenz  zwischen Wachstumsrate und Inflation ist das Wachstum der Realwirtschaft. Wenn die Inflation das Wachstum übersteigt, liegt ein Ungleichgewicht vor.

In USA, wo 75% der privaten Haushalte ein Haus besitzen, richten sich die persönlichen Konsumausgaben nicht mehr nur nach dem Nettoeinkommen (frei verfügbares Einkommen) sondern zusätzlich nach dem Vermögenszuwachs des eigenen Immobilieneigentums.

Der Wertzuwachs – Preissteigerung infolge Inflation – gibt Spielraum für eine weitere Verschuldung. Gedankenlos werden Hypotheken aufgenommen. Dieses freie Geld wird dann verkonsumiert. Die Hypothekenbelastung in den USA soll bei privaten Haushalten inzwischen ca. 80% des frei verfügbaren Einkommens betragen.

2004 wurden bei einem Diskontsatz von 1% (1% um die Wiederwahl von George W. Bush als Präsident der USA zu sichern?) Hypotheken zu 3% p.a. auf zwei Jahre fest ausgegeben. Die natürliche Folge war die Immobilienkrise in 2007, als diese Hypotheken zur Verlängerung anstanden und der Diskontsatz inzwischen auf 6,5% angehoben worden war. Damit war die überwiegende Zahl der Hypotheken Not leidend geworden. Da diese Hypotheken gebündelt zu neuen Wertpapieren kreiert weiterverkauft wurden – nicht nur in den USA sondern weltweit also auch in Europa, entwickelte sich die amerikanische Immobilienkrise zu einem Monster mit Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.

140 Milliarden Dollar, die die US-Administration dem privaten Verbraucher als Hilfe zugesagt hat, wird keine wirkliche Hilfe sein. Die Banken als Verteilungsapparat sind vollkommen ungeeignet, denn welche Hausbesitzer können noch Sicherheiten für weitere Kredite bieten? Banken benutzen dieses Geld, um ihre Bilanzen zu bereinigen. Selbst die Aussetzung von Zinsen für den privaten Haushalt ist keine Lösung, sondern nur ein Aufschub. Der private Haushalt wird sparen müssen, so dass der Konsum extrem einbrechen wird. Dieser Prozess hat Rückwirkung auf die Gesamtwirtschaft  der USA. Schrumpft die Nachfrage nach Produkten, so steigen deren Stückkosten, weil die Kapazitäten nicht ausgelastet werden können. Unternehmen entlassen Arbeiter, sie beginnen zu schrumpfen. Dieser Schrumpfungsprozess wird Rezession genannt.

Auch ein Absenken des Diskontsatzes von 4,25% (6,25% auf 4,25% erfolgte in kleinen Schritten von 0,25% auf 3,5% usw.) wird die amerikanische Wirtschaft nicht beflügeln. Der Rezessionsprozess hat mit der Angst vor Überschuldung und Arbeitsplatzkündigung gerade erst eingesetzt.

Die USA werden die Importe radikal drosseln mit der Folge, dass die Handelsbilanzen sich bessern d.h. die Defizite werden abgebaut. Dies stärkt den US-Dollar. Wieder Anstieg gegenüber dem Euro.

Wie verhält sich China?

China wird weite Teile seiner US-Exporte umzulenken versuchen. Ziel wird Europa sein. Der Warenaustausch Europas mit China steht vor einem großen Wachstum. China hat 2007 ca. 25% seines Brutto-Inlandsproduktes in die USA exportiert.

Diese Exportquote wird 2008 auf ca. 5% zurückgehen. Da Chinas Sparquote bei über ca. 10% des privaten Einkommens liegt, wird Chinas Volkswirtschaft von der Welt-Wirtschaftskrise nicht mitgerissen. Es wird sich zeigen, wie weit Asien in der Lage ist, in seiner eigenen Region  einen eigenen Währungsmarkt aufzubauen. In Europa hat dieser Prozess bis zur Einführung des Euro 1999 über ein Jahrzehnt gedauert. In Asien fehlt bis heute selbst der politische Wille, um ein asiatisches Währungssystem in Singapur, wie vorgeschlagen, zu etablieren.

International wird das weltweit etablierte und verzahnte Finanzsystem die Finanzkrise 2008 (richtiger: Bankenkrise) bewältigen. Auf der Strecke werden die Finanzinstitutionen bleiben, die mit einem unverantwortlichen Hebel bis zu 38 (Eigenkapital zu Fremdkapital) Risiken (Profitgier) eingegangen waren, die nicht mehr beherrschbar sind. Zudem wurde das Bilanzrecht umgangen indem diese Risikoanlagen „ausgegliedert“ wurden – so der neue Sprachgebrauch.

Als das Misstrauen der Finanzinstitutionen untereinander so groß wurde, dass gegenseitig die tägliche Kreditvergabe nicht mehr stattfand, war die Finanzkrise allgegenwärtig. Der schwarze Montag an der Börse (21.1.08) vernichtete Milliarden-Werte. Dennoch gibt es deswegen noch keinen Weltuntergang. Auf einem neuen tieferen Kursniveau wird die Börse einen Ausgleich finden. Die Vermögenswerte sind von der Substanz her nicht untergegangen, vielleicht in andere Hände übergegangen. Wird damit die amerikanische Mentalität der Vergangenheit angehören? Noch einmal – was ist die amerikanische Mentalität? Durch ständige Geldvermehrung wird permanent Nachfrage erzeugt so dass die Preise steigen. Damit steigen die buchmäßigen Vermögenswerte. Um eine Wirtschaft zu dynamisieren, hat die US-Notenbank über die Druckerpresse (Geldvermehrung) dafür gesorgt, dass Konsumausgaben der Bevölkerung für zusätzliche Nachfrage sorgen. So bot der Preisanstieg bei Immobilien Gelegenheit, den Wertzuwachs durch Aufnahme von Hypotheken abzuschöpfen. Diese zusätzlichen Finanzmittel wurden ebenfalls verkonsumiert. So dienten Schulden zum Abschöpfen des Wertzuwachses, also Wohlstand durch Inflation. Nach Bankenansicht konnten 70% der Immobilienwertschätzung abgeschöpft werden. Dieses System funktionierte solange, wie eine Inflationierung für permanenten Anstieg der Vermögenswerte sorgte. Es endet in der Schuldenfalle.

Was erwartet die Börse in 2008 – eine Vorschau

Blicken wir zunächst zurück nach Japan. 1990 platzte die Immobilienblase in Japan, woraufhin der Nikkei-Index von 38.000 auf 8.000 Punkte einbrach. Japan fiel in eine tiefe, lang anhaltende Rezession. Der Diskont wurde bis 0,5% Zins gesenkt. Die Notenbank sorgte für billiges Geld in der Hoffnung, dass Investitionen in Japan getätigt werden und die Wirtschaft sich wieder erholt. Jedoch billiges Geld sucht im freien Kapitalverkehr weltweit Anlagemöglichkeiten mit Renditen, die über dem internationalen Anlage-Zinsniveau liegen. So entstanden  Carry-Trades. Riesige Yen-Beträge wanderten nach Übersee und lösten einen starken Yen-Verfall aus.

Für die Schiffsfinanzierung (mein Metier) in Deutschland wird der tiefe Yen-Zins noch heute genutzt. Wie 1990 in Japan so wirft auch heute die Immobilienkrise in den USA die Schatten der Rezession voraus. Um das Einbrechen des Wirtschaftswachstums noch abfangen zu können, hat der amerikanische Notenbankpräsident Ben Bernanke (auch Heli-Ben genannt) den Diskontsatz auf  3% abgesenkt und hat im März 2008 eine weitere Zinssenkung vorgenommen weil das Wirtschaftswachstum von 0,6% aus dem 4. Quartal 2007 sich nicht stabilisiert hat. Bei einer Inflation von z.Zt. 4,1% ergibt sich ein negatives Realwirtschaftswachstum. Jede weitere Zinssenkung birgt das Risiko einer erhöhten Inflation. Im Übrigen spricht der legendäre frühere US-Notenbankpräsident Alan Greenspan (1987 – 2006) bereits von zweistelligen Zinssätzen in 2009/10. Diese Zins-Konstellation würde internationales Kapital nach USA ziehen ähnlich wie unter Ronald Reagan, als der US-Dollar in der Spitze DM 3,47 erreichte (Anstieg von DM 1,37). Solange sich eine Zinsversteifung noch nicht abzeichnet, werden die Börsen versuchen den Absturz aus 2008 wettzumachen. Doch solange die USA mit der Rezession kämpfen und die Inflation am Horizont steht, wird der Börsentrend abwärts gerichtet sein.

Ein denkbarer Ablauf

China hat inzwischen US-Dollar in Höhe von 1,5 Billionen an Währungsreserven. Das entspricht ca. 10% des US-Bruttoinlandproduktes. China setzt diese Dollar zum Rohstoff-Einkauf ein. Die Rohstoffverkäufer erhalten US-Dollar und verkaufen diese sofort, so dass der Dollar in Intervallen fällt. Bei diesem Szenario sind 1,60 bis 1,80 Dollar je Euro durchaus vorstellbar.

Der Dollarverfall verursacht einen Rohstoff-Preisanstieg, da die Rohstoffländer wie Brasilien, Kanada, Australien, Südafrika einen Ausgleich verlangen. Dieser Prozess findet damit ein Ende, dass der Dollar nicht mehr als Handelswäh­rung akzeptiert wird.  – bis Ende 2007wurden 80% der Handelsgüter weltweit in US-Dollar abgerechnet. Das weltweite Finanzsystem ist erschüttert. Die Flucht in Gold und andere Rohstoffe setzt bereits ein. Die arabischen Staaten verlangen ebenfalls einen Finanzausgleich durch Anheben der Ölpreise.

Die Dollarabwertung wird voll am Markt durchschlagen. Eine Verdoppelung des Ölpreises von 90 US-Dollar pro Barrel Ende 2007 könnte sich auf 180 Dollar pro Barrel einpendeln. Nicht undenkbar, dass der Euro sich ebenfalls auf 1,80 Dollar stellt.

Seit im Februar 1973 der amerikanische Präsident Richard Nixon den US-Dollar vom Gold abkoppelte – freie Konvertierbarkeit bereits im August 1971 – und Gold sich bis Januar 1980 auf 850 US-Dollar pro Unze steigerte, lässt sich eine Korrelation zwischen Gold und dem Ölpreis feststellen.

Kostet Öl 40 Dollar pro Barrel, steht der Goldpreis pro Unze bei ca. 800 US-Dollar. Über viele Jahrzehnte hat sich ein Multiplikator von 20 herausgebildet. Dementsprechend müss­te heute bei einem Ölpreis von 90 US-Dollar der potentielle Goldpreis bei 1.800 US-Dollar stehen. Das Potential ist gewaltig – 100% ab 1.2.08 gerechnet.

Die vorstehende Darstellung zeigt eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Multiplikator von 20 seine Richtigkeit unter Beweis stellen wird. Ungewiss ist die genaue Zeitachse.

Der US-Dollar als stabile Währung hat sein Vertrauen weltweit verloren. Dieses wieder zu gewinnen setzt voraus, dass die Schuldenmentalität der Amerikaner ein Ende findet. Es sollte kein Zweifel darüber bestehen, dass Amerika die innere Stärke besitzt, seine dynamische Wirtschaft neu auszurichten und seine Zahlungsbilanz in Ordnung zu bringen. Der Unterstützung internationaler Finanzgremien darf sich Amerika sicher sein. Jedoch wird New York nicht mehr nur der einzige dominante Börsenplatz bleiben.

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