Die Verbindlichkeiten der öffentlichen Haushalte erreichen das höchste Niveau seit 1905
Madrid – Angetrieben durch die Wirtschaftskrise, die sich im Gefolge der Pandemie-Schutzmaßnahmen Bahn bricht, steigt die öffentliche Schuldenlast immer weiter und erreicht immer neue Rekordhöhen. Nach Statistiken, welche durch die Spanische Zentralbank veröffentlicht wurden, erreichten die Schulden der öffentlichen Kassen zum Ende der ersten Jahreshälfte eine Gesamthöhe von 1,289 Billionen Euro. Allein im Juni stieg sie um 32 Milliarden Euro an.
Die Gesamtschuldenlast stieg im Juni, im Vergleich zum Mai um 2,5% und im Vergleich zum Juni des Vorjahres um 6,8%. Sie macht mittlerweile über 100% des BIP aus, womit der Abwärtstendenz des Jahres 2019, das mit 95,5% schloss, ein drastisches Ende gesetzt ist. Obwohl die Zentralbank hierzu keine klaren Aussagen trifft, ist bekannt, dass die 100%-Marke schon im ersten Quartal 2020 mit 98,9% fast erreicht war – nach nur zwei Wochen Ausgangssperre.
Angesichts dieses Panoramas drängt Zentralbankchef Pablo Hernández de Cos auf Anpassungen und Reformen, die, wenn das Schlimmste der Krise überwunden sei, das Vertrauen in die Märkte durch einen umfassenden Plan für die öffentliche Politik und strukturelle Reformen wieder herstellt, anstatt das Schuldenloch immer größer werden zu lassen.
Die Zahlen der Spanischen Zentralbank zeigen, dass die Schulden aller öffentlichen Verwaltungen gestiegen sind – mit Ausnahme der Gemeindeverwaltungen, die in den letzten Jahren aufgrund der Sparpolitik obligatorisch Überschüsse hatten ansammeln müssen. Sowohl das Schuldenwachstum der spanischen Generalverwaltung als auch der Sozialversicherung Seguridad Social erreichten im Juni 2020 Rekord- höhen. Erstere stiegen im Juni um 32 Milliarden Euro, 2,8% gegenüber dem Vormonat Mai und 8,3% im Vergleich zum Juni 2019. Die Seguridad Social verzeichnete gegenüber dem Juni des Vorjahres einen Anstieg um 41%. Und die Schulden der autonomen Regionen erhöhten sich um 2,773 Milliarden Euro (0,9%) auf 304,855 Milliarden Euro.
Die Banco de España erwartet zum Jahresabschluss ein Verhältnis zwischen Schuldenlast und BIP von 115%, sofern sich die Krise nicht verschärft und nicht weitere Ausgangssperren und Maßnahmen, welche die Ausgaben in die Höhe treiben und die Geschäftstätigkeit bremsen, verhängt werden. Ihre pessimistischste Prognose sieht im schlimmsten Falle eine Schrumpfung der Wirtschaft um 15,1% und eine Gesamtverschuldung von 120% des BIP voraus.
Auch die spanische Regierung hat ihre Schätzungen aktualisiert und erwartet bis zum Jahresende einen Schuldenstand von 115,5% des BIP, weit entfernt von den 94,6% die angestrebt wurden, bevor die Krise ausbrach.
Der Sparkassenverband Funcas seinerseits erwartet als Folge der Krise ein Bruttoinlandsprodukt 2020 von 1,13 Billionen Euro, was einer Reduzierung um 10% entspricht. Das Verhältnis der Schulden zum BIP wird nach den Prognosen von Funcas bei 116% liegen.
Airef, eine unabhängige Institution zur Prüfung der öffentlichen Kassen, geht davon aus, dass 20 Jahre nötig sein werden, um den Schuldenstand wieder auf Vorkrisenniveau herunterzubringen. Airef erwartet zum Ende des Jahres eine Schuldenhöhe von 117,6 bis 123,2% des BIP.
Eine Verschuldung dieser Größenordnung wurde in Spanien seit 1905 nicht mehr erreicht. Damals erholte sich das Land gerade von den Folgen mehrerer kriegerischer Konflikte.