Friedhof Atlantik


© EFE

Cayuco mit vier Toten und 55 Überlebenden erreichte La Gomera

Auf La Gomera ist am 11. Juli ein Flüchtlingsboot angekommen, auf dem sich wäh­rend der Überfahrt von Afrika eine schreckliche Tragödie abgespielt hat. Für vermutlich 16 Afrikaner endete die gefährliche Reise in eine vermeintlich bessere Zukunft mit dem Tod. Sie verdursteten und verhungerten während einer zweiwöchigen Odyssee auf hoher See.

Behördenangaben zufolge waren während der Überfahrt, die im Senegal begonnen hatte, mindestens zehn Insassen verdurstet und verhungert. Die Leichen wurden von ihren Gefährten unterwegs über Bord geworfen. Diejenigen, die nach der Ankunft in der Lage waren zu sprechen gaben an,  aus Guinea-Bissau zu stammen. Sie berichteten, ihnen seien etwa fünf Tage vor Ankunft das Trinkwasser und die Lebensmittel ausgegangen. Der Motor war schon lange vorher ausgefallen.

Wie durch ein Wunder erreichte das Boot Playa Santiago auf La Gomera. Es war von keinem Radar erfasst und von keiner Seepatrouille gesichtet worden. Bei der Ankunft auf der Kanareninsel waren noch 59 Menschen an Bord. Die Männer – darunter vier Tote –  lagen ineinander verschlungen in dem Rumpf des Cayuco. Der Zustand von elf Überlebenden wurde als äußerst kritisch bezeichnet. Sie wurden per Hubschrauber in verschiedene Inselkrankenhäuser gebracht. Trotz aller Bemühungen waren bis Redaktionsschluss zwei weitere Männer gestorben. 

Der Präsident der kanarischen Regierung, der sich am Tag der Ankunft des Bootes zufällig auf La Gomera befand, begab sich sofort an den Hafen von Puerto Santiago, um sich ein Bild vom Ausmaß der Tragödie zu machen. Dort sagte er der Presse: „Wir müssen nur in den Rückspiegel schauen, dann sehen wir das wovor wir schon lange gewarnt haben. Wir müssen erneut einen dringenden Aufruf an die spanische Regierung und alle europäischen Staaten richten, damit endlich Maßnahmen ergriffen werden, um dieses Drama zu stoppen und zu verhindern, dass der Atlantik und das Mittelmeer weiter zu Friedhöfen werden.“

Schätzungsweise 45 Tote in fünf Tagen

Doch die Tragödie auf La Gomera ist nur ein Kapitel eines Dramas, das sich innerhalb von nur wenigen Tagen in Spanien abgespielt hat. Zwischen dem 7. und dem 11. Juli kamen vermutlich 45 Afrikaner auf dem Weg nach Europa ums Leben, darunter neun Kinder im Alter von 12 Monaten bis vier Jahren.

Nicht nur auf den Kanarischen Inseln ist die Ankunft von Flüchtlingsbooten an der Tagesordnung. Auch an der südspanischen Küste kommen die Pateras an. Die immer striktere Küstenüberwachung zwingt die Flüchtlinge und Schlepperbanden zu Ausweichmanövern. Sie wählen längere und folglich riskantere Routen und steuern nicht mehr Cádiz an, sondern zunehmend auch die Küsten Granadas und Almerías; sie versuchen sogar Lücken in der Küstenüberwachung bei Murcia und den Balearen zu nutzen. 

Am 9. Juli sichteten zwei Segelboote des spanischen Telefónica-Teams, das etwa 100 Meilen von Gibralter entfernt trainierte, ein kleines Boot, das ganz offensichtlich in Seenot geraten war. Beim Heranfahren wurden Hilferufe laut, eine Person hielt ein Baby in die Höhe. Die Segler alarmierten umgehend die Guardia Civil, die kurze Zeit später mit einem Rettungsschiff zur Stelle war. „Die Menschen hatten nicht einmal mehr Kraft um die Augen zu öffnen. Die Frauen sagten nichts, in ihren Gesichtern war Verzweiflung zu lesen“, berichtete ein Guardia Civil-Beamter. Neun Frauen hatten auf der Überfahrt ihre Kinder verloren. Nach Auskunft der Überlebenden waren es Kleinkinder im Alter von zwölf Monaten bis vier Jahren.

Das sechs mal zwei Meter große Schlauchboot war etwa eine Woche zuvor von Al-Hoceima (Marokko) mit 33 Menschen an Bord in See gestochen. Vier Tage nach einem Motorschaden ging der Proviant aus. Ohne Trinkwasser und Lebensmittel starben zunächst die Schwächsten. Aussagen von Überlebenden zufolge erhielten zwei Männer den Auftrag, den Müttern die toten Kinder wegzunehmen. Nach und nach wurden so die Leichen über Bord geworfen. Mindestens fünfzehn Menschen starben. Das letzte Todesopfer war eine Frau, die kurz nach der Rettung an akuter Austrocknung starb.  

Diese Tragödie ereignete sich nur zwei Tage nachdem vor Motril (Granada) ein Füchtlingsboot mit 23 Personen gekentert war. 14 Menschen ertranken. Auch dieses Boot war angeblich von Al-Hoceima gestartet.

Erschreckende Dunkelziffer

Niemand kann abschätzen, wieviele Afrikaner den Versuch, nach Europa zu gelangen mit ihrem Leben bezahlt haben. Die Dunkelziffer ist erschreckend. Da es jedoch unmöglich ist, die genaue Zahl der Ertrunkenen und Vermissten festzustellen, erfasst die Statistik des spanischen Innenministeriums nur die geborgenen Leichen. Im Laufe dieses Jahres wurden dieser Statistik 51 Menschen hinzugefügt.

In einem der unzähligen Berichte der EU war die Rede von geschätzten 10.000 toten Afrikanern in den letzten sechs Jahren. Und auch die Zukunftsaussichten geben wenig Hoffnung. In Marokko und Mauretanien warten vermutlich bis zu 6.000 Menschen auf die Möglichkeit, in ein Flüchtlingsboot zu steigen und nach Europa überzusetzen.

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