Neue Wege – zur Erinnerung an das Konzil


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Vom – leider viel zu früh verstorbenen – Rottenburger Bischof Georg Moser stammt der Satz: „Eine Kirche, die nichts riskiert, riskiert am Ende alles.“ Ein kleiner Rückblick auf die Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren und ein kleiner Ausblick sollen Ihnen mal eindrucksvoll illustrieren, welche Früchte Risikobereitschaft und die Suche nach neuen Wegen der Seelsorge heute tragen könn(t)en.

Wir träumen ja oft von einer Kirche, wie sie sein sollte oder wie wir sie zumindest gerne hätten. Diese Kirchenträume drücken sich dann in märchenhaft wohlklingenden Stichworten aus: Wagnis eines neuen Aufbruchs, Dialog auf Augenhöhe, Reform an Haupt und Gliedern, missionarische Pastoral, charismatischer Pioniergeist, visionäre Spiritualität. Die alltägliche Realität unserer Gemeinden steht aber leider im Kontrast dazu: zahlenmäßiger Rückgang, Überalterung, Resignation, Konflikte, Strukturfragen… Sagen wir es ruhig: Es herrscht eher Weltuntergangs- als tatsächlich Aufbruchsstimmung. Welches Konzept verspricht Zukunft: die kleinen christlichen Gemeinschaften? Konzentration und Verschlankung? Festhalten am Bewährten oder gar Rückkehr zur Tradition?

Die Älteren unter uns haben so etwas schon einmal erlebt. Vor 50 Jahren ging ein unerwarteter Ruck durch die katholische Kirche. Wie aus heiterem Himmel ereignete sich da ein neuer Aufbruch: das II. Vatikanische Konzil. Charismatische Persönlichkeiten, angefangen von Johannes XXIII. bis hin zu jungen Theologen wie ein Hans Küng und ein Joseph Ratzinger, setzten sich energisch an die Spitze der Bewegung. Und schon bald wurden einschneidende Veränderungen sichtbar: in der Liturgie, in der Struktur der Gemeinden, in der Ausbildung von Priestern und Theologen.

Sicher, die anfängliche Euphorie ist zwischenzeitlich längst verflogen. Nicht alle Träume von damals gingen im Laufe der Jahre in Erfüllung – im Gegenteil. Manche fühlten und fühlen sich bis heute um ihre Hoffnungen betrogen. Die Enzyklika „Humanae vitae“, die 68er Bewegung, die ökologische Krise, die ideologischen Verhärtungen im Kalten Krieg, all das blieb natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die innerkirchliche Entwicklung – bis heute. Und heute? Da fragen manche schon: Ist die Zeit reif für ein neues Konzil? Wie sonst könnten denn die weltweit drängenden Fragen verbindlich angepackt werden? Aber halt – wie wäre es denn mal mit einem Blick ins Neue Testament – in die Urgemeinde, z.B. beschrieben in der Apostelgeschichte? Die Verse, die man dort im 6. Kapitel findet, die könnte man doch heute folgendermaßen lesen und in die Realität umsetzen:

„In diesen Tagen, als die Zahl der Jünger abnahm, als viele junge Menschen stillschweigend aus den Gemeinden abwanderten, als immer häufiger über die Leblosigkeit und Unbeweglichkeit der Kirche geklagt wurde, da begehrten einige gegen die Verantwortlichen auf, weil ihrer Meinung nach bei der „Versorgung“ der Gemeinden viele Dinge übersehen wurden. Da riefen die Hirten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sowie alle Gläubigen zusammen und erklärten: Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und vor der neuen Situation die Augen verschließen. Es ist nicht recht, dass wir uns mehr der Vergangenheit widmen und uns nur an die alten Traditionen klammern. Es ist nicht recht, dass so viele Gemeinden ohne Seelsorger und Leiter sind, nur weil wir uns daran gewöhnt haben, dass diesen Dienst nur unverheiratete Männer tun können. 

Und dann sagten sie den Gläubigen: Wählt aus eurer Mitte Frauen und Männer mit gutem Ruf, voll Engagement und mit der Fähigkeit, Einheit zu stiften und das Wort Gottes überzeugend weiterzusagen. Ihnen werden wir die Aufgabe der Gemeindeleitung übertragen. Dieser Vorschlag fand den Beifall vieler Gläubigen. Sie waren begeistert und wählten deshalb geeignete Frauen und Männer aus ihren Gemeinden aus und ließen sie vor die Nachfolger der Apostel hintreten. Diese begannen zu beten und legten ihnen die Hände auf, wie sie es selbst schon an sich wahrgenommen und erlebt hatten. Dann beauftragten sie die Neugeweihten zur Verkündigung der Frohen Botschaft, zur Leitung der Gemeinden und ihrer Gottesdienste, sowie zur tätigen Nächstenliebe.

Das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Gläubigen wurde wieder größer. Auch eine große Anzahl derer, die der Kirche bisher skeptisch gegenüberstanden, nahm den Glauben an. Sie sagten: Wir haben gesehen, wie in der Kirche offen über Probleme gesprochen wird, wie Fehlentwicklungen eingestanden und korrigiert werden, wie alle miteinander um des Reiches Gottes willen nach neuen Wegen in der Seelsorge suchen.“

Spüren Sie etwas? Wir brauchen kein III. Vatikanisches Konzil, sondern wir brauchen Menschen, die das Wort Gottes einfach nur ernst nehmen und daraus einen Traum, einen neuen Kirchentraum entwickeln. Zugegeben – was hier geträumt wurde ist riskant, aber: „Eine Kirche, die nichts riskiert, riskiert am Ende alles.“

Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de oder unter www.wochenblatt.es

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