Die derzeitige Wahlbereitschaft liegt bei 29,8 Prozent
Die derzeitige Situation des spanischen Präsidenten Mariano Rajoy ist paradox: Er ist der Regierungschef mit der größten Macht in Zeiten der Demokratie und hat gleichzeitig die geringste Unterstützung der Bürgerschaft und die niedrigste Wahlbereitschaft.
Madrid – Und das nur ein Jahr, nachdem er die Regierung übernommen hat. In dieser Situation sieht er sich in dem Jahr, das eben begonnen hat, den schwierigsten Aufgaben gegenüber, die je eine spanische Regierung zu bewältigen hatte – die Wirtschaftskrise, die Unabhängigkeitsbestrebungen von Katalonien, die mit bedeutenden konstitutionellen und politischen Problemen einhergehen.
Nach einer Umfrage, die von der Zeitung El País in Auftrag gegeben wurde, befindet sich das Image Rajoys im freien Fall, und die Wahlchancen der Partido Popular liegen zurzeit bei 29,8%. Mit solchen Daten hat noch niemals eine Partei in Spanien Wahlen gewonnen. Noch schlimmer, seit 1989 hat keine Partei mit einem so niedrigen Ergebnis Wahlen verloren. Es war in jenem Jahr, als das rechte Zentrum, damals Alianza Popular genannt, unter Manuel Fraga Iribarne mit 25% die Wahlen verlor und die PSOE unter Felipe González mit absoluter Mehrheit regieren konnte.
Die Wahlbereitschaft für die PP ist in nur einem Jahr um 15 Punkte gefallen und liegt zehn Punkte unter dem Ergebnis von 2008, als Rajoy zum zweiten Mal gegen die Sozialistische Partei von José Luis Zapatero verlor.
Die Schwäche Rajoys ist der schnelle Verlust des Bürgervertrauens, mit der niedrigsten Wählertreue für die PP in den letzten zehn Jahren. Gemäß der Umfrage sind nur 45% seiner ehemaligen Wähler erneut bereit, ihm ihre Stimme zu geben. Seine Schwäche ist ebenfalls die geringe Wertschätzung für ihn selbst innerhalb der Bevölkerung. Rajoy war niemals ein charismatischer Politiker mit hohem Ansehen. Doch nun ist er der Präsident, der am meisten abgelehnt wird. Für 84% der Befragten besitzt er nicht ihr Vertrauen. Doch das scheint ihn nicht besonders zu beeindrucken, denn er gibt offen zu, dass er sein Wahlprogramm nicht erfüllt und seine Versprechen nicht eingehalten hat.
Ex-Präsident José María Aznar berichtet in seinen Memoiren, dass er, nach der Absage von Rodrigo Rato, Rajoy zu seinem Nachfolger erkoren hatte, wegen seiner besonderen Fähigkeiten, mit den Nationalisten zu verhandeln. Die derzeitigen Abspaltungsbemühungen des katalonischen Präsidenten Artur Mas werden diese Fähigkeiten des Präsidenten auf eine harte Probe stellen.
Der Verlust an Ansehen bezieht sich jedoch auch auf die Minister. Sie alle fielen bei der Abstimmung durch. Die Ablehnung der Bürger zielt ganz besonders auf die Inhaber der wichtigsten Ministerien. Am schlechtesten bewertet wird José Ignacio Wert, Minister für Erziehung, der zurzeit eine Erziehungsreform durchzuziehen versucht, welche viel politische Stärke und soziale Unterstützung erfordert. Gleich hinter ihm rangiert Fátima Báñez, der das Arbeitsministerium untersteht und die sich mit den schrecklichen Arbeitslosenzahlen beschäftigen muss. Auf dem drittletzten Platz liegt Justizminister Alberto Ruiz Gallardón, einst der Star der PP. Er hat die größte Reformenliste und sieht sich der größten Ablehnung der Justizsektoren gegenüber, die von seiner Arbeit im Justizministerium abhängig sind. Und nicht zu vergessen Cristóbal Montoro, den Finanzminister, der eine große Zahl von Sparmaßnahmen durchzuführen hat.
Der große Vorteil, welchen Rajoy mit diesem Panorama in einem derart kritischen Moment hat: es stehen vorläufig keine Wahlen ins Haus, abgesehen vielleicht von den Europa-Wahlen, die 2014 stattfinden werden. Seine Stärke ist die Tatsache, dass er sowohl im Abgeordneten-Kongress als auch im Senat über die absolute Mehrheit verfügt. Das gilt auch für die Bürgermeisterämter der meisten großen Städte, die sich in den Händen seiner Partei befinden. Auch die Schwäche seiner politischen Gegner muss zu seinen Stärken gerechnet werden. Die Sozialistische Partei PSOE hat zwar bei den Umfragen zugenommen, verfügt jedoch nur über 23,3% der Wahlbereitschaft.
Die Begünstigten dieser Schwäche der beiden großen Parteien sind die Vereinigte Linke IU und der UPyD – Union für Fortschritt und Demokratie. Die Linken werden mit 15,6 % bewertet, fast neun Punkte mehr als bei den Parlamentswahlen von November 2011. Rosa Diez, die Präsidentin der UPyD, ist die am besten bewertete Führerin der vier großen Parteien.[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]