Über 200.000 Arbeitslose ohne Krankenversicherungsschutz


© EFE

Sozialversicherungssystem schwankt

Im Dezember brach Spanien erneut den traurigen Rekord der Arbeitslosenzahlen. Außerdem wurde bekannt, dass über 200.000 Langzeitarbeitslosen die Krankenversicherungskarte gesperrt wurde, sodass sie ohne Krankenversicherungsschutz dastehen.

Madrid – Das eigentlich universale Sozialversicherungssystem Spaniens verliert drastisch an Einzahlern und schloss das vergangene Jahr defizitär ab.

Trauriger Rekord

Im Dezember waren beim spanischen Arbeitsamt über 4,4 Millionen Arbeitslose gemeldet – mehr als je zuvor. Doch laut der sogenannten „Umfrage der aktiven Bevölkerung“, die als genauer und realistischer gilt, sollen sogar rund 5 Millionen Menschen keinen Arbeitsplatz haben.

Ohne Recht auf gesundheitliche Versorgung

Das spanische Sozialversicherungssystem bindet den Krankenversicherungsschutz an Arbeit und Beitragszahlung; als Ausnahme wurden im Jahr 1990 die mittellosen Personen aufgenommen [Staatsangehörigkeit und Wohnsitz sind übrigens unerheblich]. Doch steigt derzeit die Zahl der Langzeitarbeitslosen, die die staatlichen Hilfen ausgeschöpft haben (im November waren es 32% aller Arbeitslosen), aber aufgrund von Einnahmen über 7.000 Euro jährlich oder dem Besitz von Eigentum auch nicht mittellos sind und kein Anrecht auf Krankenversicherungsschutz haben.

Im Dezember erklärte Alfonso Jiménez, damaliger Staatssekretär für das Gesundheitswesen, derzeit seien die Krankenversicherungskarten von rund 200.000 Arbeitslosen gesperrt. Da die Sozialversicherung auch Mitglieder von Kammern, wie Rechtsanwälte oder Architekten, sowie Personen, die noch nie eingezahlt haben, nicht deckt, könnte es sich sogar um 300.000 Menschen ohne Krankenversicherungsschutz handeln, so hieß es aus Reihen der Sozialversicherung.

Um ärztliche und pharmazeutische Versorgung zu bekommen, bleiben den Betroffenen zwei Möglichkeiten: sich als Begünstigter eines einzahlenden Mitglieds einschreiben zu lassen oder sämtliche Kosten selbst zu tragen.

Da jedoch immer häufiger alle Familienmitglieder ihre Arbeit verloren haben, kommt die  erste Möglichkeit für viele nicht in Betracht. Aufgrund fehlender Einnahmen und Ausschöpfung der staatlichen Arbeitslosenhilfen, die zweite Möglichkeit auch nicht, sodass trotz „universalem“ Gesundheitssystems einigen Menschen die Gesundheitsversorgung versagt bleibt (außer in Notfällen).

Dabei garantiert die spanische Verfassung „allen“ Bürgern eine Sozialversicherung mit ausreichenden Leistungen in Notlagen, „insbesondere im Fall der Arbeitslosigkeit“.

Am 1. Januar trat das so dringend benötigte, das öffentliche Gesundheitswesen allgemein neu regelnde Gesetz „Ley General de Salud Pública“ in Kraft, welches dann wirklich alle Bürger aufnehmen soll. Die Kammermitglieder werden jedoch noch bis Juni warten und eventuell Zuzahlungen leisten müssen. 100 Millionen Euro soll die Maßnahme kosten.

Sozialversicherungs­system in Gefahr?

Die seit 2007 andauernde Wirtschaftskrise hatte nicht nur den ständigen Anstieg der Arbeitslosenzahlen zur Folge, auch die Zahl der Beitragszahler der Sozialversicherung  ging deshalb ständig zurück und somit nahmen die Einnahmen kontinuierlich ab. Das hat zur Folge, dass das Markenzeichen des spanischen Wohlstandstaates – die universale Sozialversicherung – zu kippen droht.

Seit 1998 verzeichnete die Seguridad Social nur Gewinne und konnte bis 2010 weiterhin, wenn auch immer geringer werdende, Überschüsse verzeichnen. Eigentlich war für 2011 noch ein Gewinn von 0,4% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) prophezeit worden, doch nachdem im November wieder mehr als 111.000 und im Dezember mehr als 18.000 Beitragszahler weniger verzeichnet wurden, konnten die geringeren Einnahmen (größtenteils von den noch verbliebenen 17,2 Millionen Beitragszahlern erbracht) die höheren Ausgaben am Jahresende wahrscheinlich nicht mehr ausgleichen, geschweige denn übertreffen.

Octavio Granado, damaliger Staatssekretär für das Sozialversicherungssystem, versicherte im Dezember, ein eventuelles Loch könne mit den Überschüssen der vergangenen Jahre gestopft werden, sodass die Leistungen gesichert seien. Auch würden öffentlicher und privater Sektor der Seguridad Social 6,5 Milliarden Euro schulden. Weiter seien 1,8 Milliarden Euro wegen zeitweiliger Aussetzung der Zahlung von privaten Unternehmern offen. Ebenso sei der Rentenreservefonds mit 65 Milliarden Euro ausgestattet.

Am 2. Januar bestätigte Tomás Burgos, Nachfolger von Granado, den defizitären Jahresabschluss, konnte jedoch den Fehlbetrag noch nicht genau beziffern.

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