Die „Ferretería Orotava“ hat sich über die Jahrzehnte als krisenfest erwiesen und trotzt dem Zeitalter der großen Baumärkte und des Onlinehandels mit traditionell freundlicher Kundenberatung
Teneriffa – Das große gelbe Haus im kanarischen Stil gegenüber dem Rathaus fällt sofort auf. Es sind die massiven Holztüren, charakteristisch für den traditionellen kanarischen Architekturstil, die ungewöhnlich klein sind, die als erstes ins Auge fallen. Kein Ladenschild, keine Leuchtreklame hängen über der Tür. Nur der Schriftzug „Ferretería Orotava“ und die „1904“ darunter lassen ahnen, dass sich hinter diesen Mauern eines der fünfzehn Geschäfte der Stadt mit über hundertjähriger Geschichte verbirgt.
Der Gang durch das Ladeninnere zeigt eine sonderbare Mischung aus praktischen, alltäglichen Eisen- und Haushaltswaren und historischen Gegenständen der vergangenen 117 Jahre. Neben den urtümlichen Theken, den Öllampen und der alten Registrierkasse von damals hängt zum Beispiel der Original-Kaufvertrag über 1.420 Peseten an der Wand, den der Gründer der Eisenwarenhandlung, Señor Félix Reyes Martín, im Jahr 1904 unterschrieb. Nach seinem Tod im Jahr 1950 erbten seine Söhne Manuel und Miguel Reyes y Reyes das gut laufende Geschäft und führten es bis zum nächsten Wechsel. Dieser erfolgte im Jahr 2004, das Jahr des hundertjährigen Jubiläums, als kein Mitglied der angesehenen Familie La Orotavas den geschichtsträchtigen Laden erben wollte. So fasste der damals 85-jährige Miguel Reyes y Reyes den Entschluss, dass sein treuester Mitarbeiter, Esteban García Morales, die „Ferretería“ übernehmen sollte.
Esteban fing 1979 im Alter von 14 Jahren als einfacher Ladenbursche bei den Reyes-Brüdern an und steht nun als Besitzer 42 Jahre später in seinem Laden. Seine Frau Milagros arbeitet an seiner Seite, und ab und an helfen die beiden Töchter Marta und María aus.
Leicht sei es nicht, gab er gegenüber der Zeitung El Día zu, denn heutzutage sei es möglich, jedes Produkt online zu kaufen. Doch bei ihm könne man alle Waren in die Hand nehmen und anschauen, und außerdem werde der Kunde hier mit der altbekannten Freundlichkeit – „con cariño“ – bedient. Neben den modernen Eisen- und Haushaltswaren verkauft Esteban auch handwerklich hergestellte kanarische Utensilien wie Mörser, große Töpfe, Ton- und Keramikwaren, u.v.m. So möchte er den Handwerkssektor unterstützen, der sich seit Jahren in der Krise befindet.
Berühmt ist die „Ferretería Orotava“ auch für die Krippe – auf Spanisch Belén genannt – die seit 16 Jahren von Esteban in jeder Vorweihnachtszeit im hinteren Teil des Geschäfts aufgebaut wird. So haben 2020, trotz der Einschränkungen durch die Pandemie, an die 15.000 Menschen die liebevoll arrangierte Krippe bewundert, deren Figuren in der Tracht La Orotavas gekleidet sind, und sie als eine der schönsten auf dem Krippen-Rundgang durch La Orotava gekürt.
In La Orotava kennt man das Geschäft übrigens auch noch unter dem Namen „la ferretería de los enanitos“ – die Eisenwarenhandlung der Zwerge – zum einen, weil die charakteristischen Holztüren mit der Erhöhung der Straße erheblich kleiner wurden, und zum anderen, weil die Vorbesitzer Miguel und Manuel nicht von großer Statur waren. Allerdings sollen sie den Beinamen nicht sonderlich gemocht haben…
Esteban hofft nun, dass sein „Zwerg“, sein sechsjähriger Enkel, einmal das Geschäft weiterführen wird und so die Geschichte des gelben Hauses weiterleben kann.