Die erstaunliche Geschichte der Brücke zwischen Santa Úrsula und La Victoria de Acentejo
Teneriffa – Oftmals erinnern Denkmäler an die Verdienste von Menschen, die Geschichte von Orten oder gar Nationen. Im Norden von Teneriffa ist es ein Bauwerk, das die, die seine Geschichte kennen, an ein äußerst denkwürdiges Ereignis im Jahr 1906 erinnert: Die Brücke über die Schlucht „Barranco Hondo“. Wie der Name schon verrät, stellte die tiefe Schlucht eine unüberwindbare Grenze zwischen den Gemeinden Santa Úrsula und La Victoria de Acentejo dar, und die Bürger wünschten sich schon lange nichts sehnlicher als eine Brücke.
Wie es dazu kam, dass dieses Bauwerk vor 115 Jahren in Auftrag gegeben wurde, beschreibt Alfonso Fernández García, der von 1979 bis 1983 Bürgermeister von La Victoria war, in einem Buch. Der 2014 verstorbene Victoriero interessierte sich für die Geschichte seiner Stadt und besonders für die der Brücke und recherchierte so lange, bis er genug historische Dokumente und auch mündliche Überlieferungen gesammelt hatte, die er in seinem Buch „Historia de un puente“ (Geschichte einer Brücke) niederschrieb.
Seinen Aufzeichnungen zufolge besuchte im Jahr 1906 Alfons XIII. als erster spanischer König Teneriffa. Die Inseln waren damals ein von Spanien vernachlässigtes Gebiet, und der Besuch des Monarchen – dessen Ansehen und Popularität durch den kubanischen Unabhängigkeitskrieg stark gelitten hatte – war eine Geste bzw. Reaktion auf die Kritik und die aufkeimenden Proteste des kanarischen Volkes. Bei seiner Ankunft in Santa Cruz am 26. März wurde der spanische König von einer Menschenmenge empfangen.
Zwei Tage danach unternahm der König in Begleitung seiner mitreisenden Schwester, der Infantin Teresa, und deren Ehemann sowie mehreren Ministern einen Ausflug in den Inselnorden bis nach La Orotava. Mit der Straßenbahn – seit 1901 verband tatsächlich eine Tram Santa Cruz mit La Laguna, und 1904 wurde die Verlängerung der Strecke bis Tacoronte eingeweiht – ging es zunächst nach Tacoronte und von dort aus weiter mit dem Auto.
Am Rande der Wegstrecke hatten sich die Bürger aller Orte, durch die der Tross des Königs rollte, aufgestellt, um dem Monarchen zuzujubeln, und in jedem Ort war ein mit Blumen geschmückter Bogen aufgestellt worden, durch den die Fahrzeuge fuhren. Als das Auto, in dem König Alfons fuhr, sich dem Blumenbogen von La Victoria näherte, der unmittelbar vor der Dorfgrenze zwischen La Victoria und Santa Úrsula errichtet worden war, wurde von dem Bogen ein Korb auf die Straße herabgelassen. Aus dem Geflecht stieg ein kleines Mädchen in einem Engelskostüm. Das Kind ging auf den Monarchen zu und überreichte ihm ein Schreiben der Bürgermeister beider Gemeinden, in dem sie mit ihren Unterschriften um den Bau einer Brücke über den „Barranco Hondo“ baten. Der König soll das Schreiben lächelnd entgegengenommen und seine Fahrt fortgesetzt haben.
Nur wenige Tage später unterzeichnete Alfons XIII. tatsächlich ein Dekret, mit dem er den Bau einer Brücke über die Schlucht anordnete. Und tatsächlich begannen schon kurze Zeit später die Bauarbeiten.
Der in einer wahren Rekordzeit vollendete Bau setzte einen technischen, historischen und sozialen Meilenstein in der Geschichte der Insel. Das Viadukt wurde als eine der ersten Stahlbetonkonstruktionen in Spanien errichtet, nachdem dieses Material erst einige Jahre vorher (1892) von François Hennebique in Frankreich patentiert worden war. Nur knapp drei Jahre nach dem royalen Besuch konnte die Brücke eingeweiht werden.
Experten bezeichnen das Viadukt von Barranco Hondo bis heute als ein außerordentliches, avantgardistisches Bauwerk. Das Projekt wurde bei Bauingenieur José Eugenio Rivera in Auftrag gegeben, der durch den Bau eines einzigen großen Brückenbogens zu verhindern suchte, dass die Konstruktion durch den porösen Lavaboden und die Unebenheiten der Schlucht absackt. Die Größenordnung der Brücke – 83 Meter lang, fünf Meter breit und an der tiefsten Stelle der Schlucht gut 32 Meter hoch – war in der damaligen Zeit eine enorme Herausforderung. Die Baukosten betrugen rund 146.178 Peseten.
Nach 115 Jahren befindet sich die Brücke weiterhin in perfektem Zustand.
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