Kommentar zum Leserbrief von Gudrun und Johannes Seidel, Wochenblatt 10. – 23. August 2016
In seinem mit begrüßenswerter Offenheit geschriebenen Brief berichtet das Ehepaar Seidel seine Erlebnisse bei einer selbstständigen Wanderung. Die ausführliche Beschreibung einiger Wegpunkte soll vermutlich ähnliche Ereignisse bei nachfolgenden Wanderern vermeiden helfen. Verständlich, denn kaum jemand möchte gezwungen sein, unfreiwillig eine Nacht im Freien verbringen zu müssen.
Die beiden hatten durchaus versucht, ihre Tour mit den ihnen verfügbaren Informationen gut zu planen. Dennoch ging fast alles schief. Grund genug für uns, einen genaueren Blick darauf zu werfen; denn die immer beliebtere Wanderinsel Teneriffa ist nicht nur hinsichtlich ihrer Landschaften etwas Besonderes. Zu leicht wird übersehen, dass die Verhältnisse hier grundsätzlich anders sind, als es selbst erfahrene mitteleuropäische Wanderer bisher gewohnt sind.
1. Die in Deutschland übliche Unterscheidung in Mittelgebirge (alles, was niedriger ist als der Feldberg im Südschwarzwald) und Hochgebirge (alles, was höher ist) trifft hier nicht zu. Aufgrund ihres vulkanischen Ursprungs weisen die kanarischen Gebirge überwiegend Steilheiten auf, die wir in Mitteleuropa fast nur in den Alpen finden. Gerade im Norden Teneriffas, wo die beiden unterwegs waren, beginnt das Hochgebirge schon auf Meeresniveau, selbst wenn im Anaga- und Teno-Gebirge die Höhe von 1.000 m kaum erreicht wird. Entsprechend ist das Gelände anspruchsvoller.
2. Das Wegenetz auf Teneriffa ist sehr umfangreich. Wie auch in anderen Teilen Europas sind keineswegs alle Wege markiert. Als Neuling auf der Insel sollte man sich tunlichst ausschließlich an markierte Wege halten, sonst ist – wie im angesprochenen Fall – ein Verirren ziemlich wahrscheinlich. Die meisten infrage kommenden Wege sind mit einem weißen und einem darunter angebrachten gelben Rechteck gekennzeichnet, nur Fernwege haben statt gelb burgunderrot. Ein kleines Kreuz aus einem weißen und einem gelben (roten) Balken an einer Abzweigung des Weges signalisiert, dass dieser Weg unmarkiert ist, man also auf der anderen Route bleiben sollte. Mehr sagt das Kreuz über den abzweigenden Weg nicht aus. Ausschließlich bei den markierten Wegen darf man als Wanderer sicher sein, am Ende ein Ziel zu erreichen, von dem man wieder nach Hause kommen kann.
3. Wanderkarten für Teneriffa haben, der Größe der Insel wegen, in aller Regel einen Maßstab von 1:50000. Dieser mag im Mittelgebirge tolerabel sein, im Hochgebirge ist er wegen der Steilheit des Geländes, die sich in diesem Maßstab nicht darstellen lässt, hoffnungslos ungeeignet. Hinzu kommt, dass die dort eingezeichneten Wanderrouten nicht immer den von der Inselverwaltung instand gehaltenen markierten Wegen entsprechen.
4. Routenbeschreibungen, egal ob gedruckt oder im Internet, sind zwangsläufig trotz bester Absichten der Autoren lückenhaft. Wir treffen bei unseren Exkursionen immer wieder auf mehr oder weniger verunsicherte Wanderer, die sich fragen, ob das, was da abzweigt, der gesuchte Weg ist oder der Führerautor etwas übersehen hat. Der verbreiteste Wanderführer hat deswegen zu vielen seiner Routen GPS-Tracks ins Internet gestellt – eine Hilfe, die gleichzeitig die Probleme des Werks verschämt einräumt.
5. Hotelpersonal ist in aller Regel nicht mit den Situationen auf den verschiedenen Routen vertraut. Das war auch noch nie seine Aufgabe. Dort nachzufragen oder später telefonisch seine Notlage zu schildern, ist also zwangsläufig unzweckmäßig. Hinzu kommt, dass an den meisten Rezeptionen die Angestellten eine Provision erhalten, wenn sie eine Tour mit einem Unternehmen vermitteln. Individuelle Beratung zu einer persönlichen Wunschtour passt nicht dazu.
6. Selbstverständlich kann man bei verschiedenen Anbietern geführter Wandertouren Informationen zu deren täglichem/wöchentlichem Programm erhalten. Weitergehende individuelle Information ist dort in der Regel nicht vorgesehen. Wochenblatt-Leser wissen: Einzige Ausnahme dazu sind wir von Tenerife on Top, da wir überwiegend nur auf Wunsch der Interessenten Touren anbieten und auch gerne immer wieder Touristen beraten, die auf eigene Faust unterwegs sein und entdecken wollen, an denen wir nichts verdienen. Unsere Beratungen sind kostenlos, ausführlich und verlässlich. Das sind wir unserem guten Ruf als einzige deutschsprachige Führer mit alpiner Qualifikation schuldig. Unsere Kontaktadressen findet man in jedem Wochenblatt mehrfach.
7. Die Punkte 1 – 6 müssten eigentlich durch Hinweise zu Klima, Bodenverhältnissen usw. ergänzt werden, was im konkreten Fall aber den Rahmen sprengte.
Bleibt zum Abschluss anzumerken, dass für eine Rettungsaktion mit dem Hubschrauber, der hier fällig wurde, 3.000 Euro und mehr anfallen, die bei Touristen in vielen Fällen der spanische Staat tragen muss, obwohl die Geretteten zahlungspflichtig sind. Einem Staat in der Wirtschaftskrise fehlen dann die Mittel für notwendigere Maßnahmen, die allen zugute kämen.
Eine kostenlose Beratung oder sogar ein Tageshonorar für einen Führer, der außerdem noch viel zur Landschaft usw. zu erzählen weiß, sind deutlich preiswerter und sozialverträglicher.
Heike & Michael von Levetzow
Team Tenerife on Top[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]