Graben für die Wahrheit


Unter dem Namen S.O.S. Bebés robados haben sich betroffene Eltern, Kinder und Familien in allen Teilen Spaniens zusammengeschlossen, um den Verbleib der in kirchlichen, staatlichen und medizinischen Einrichtungen entzogenen und illegal adoptierten Babys aufzuklären und gemeinsam staatliche Unterstüzung einzufordern.

Exhumierungen sollen Indizien über 46 mutmaßlich „gestohlene Babys“ erbringen

Cádiz – In dem Jahrzehnte währenden Drama um Spaniens „gestohlene Babys“, Hunderte Kinder, die in und nach der Francozeit meist mittels der Lüge, sie seien bei der Geburt gestorben, entzogen und in andere Familien gegeben  wurden, ist ein neues Kapitel aufgeschlagen worden. Auf dem Friedhof San José/Puerta del Mar in Cádiz ist mit der Exhumierung von 46 Gräbern begonnen worden, die Neugeborenen zugeordnet wurden, die mutmaßlich gar nicht gestorben sind, sondern ihren Eltern gestohlen wurden.

Es handelt sich um die größte Suche nach Indizien, die bisher in Spanien durchgeführt wurde. Wenn ein Grab, das laut Friedhofsregister einem der vermissten Kinder zugeordnet wurde, leer ist oder die DNA der dort gefundenen sterblichen Überreste nicht zu der jeweiligen Familie passt, gibt es endlich einen gewichtigen Beweis, der der Familie in ihrem Verdacht recht gibt, auch wenn die meisten gerichtlichen Verfahren bereits wegen Verjährung eingestellt wurden.

Geleitet wird die Ausgrabung, die auf ein Jahr angelegt ist, von dem Archäologen Jorge Cepillo, der von dem Archäologen der Stadt Cádiz, José María Gener und freiwilligen Helfern des Verbandes „SOS Bebés Robados Cádiz“ (SOS Gestohlene Babys Cádiz) unterstützt wird. Cepillo ist sich bewusst, wie viel  für die Angehörigen von dem Erfolg dieser Grabungen abhängt: „Ähnlich wie bei den Massengräbern der Opfer des Franco-Regimes suchen wir hier mit einem maximalen Anspruch an die Justiz, die Wahrheit und die Wiedergutmachung. Das sind sehr harte und aufwühlende Themen.“

Nachdem zunächst die Topografen das Gelände sondiert hatten, wurden im nächsten Schritt die Grabungsstellen der ersten beiden Gräber bestimmt und gekennzeichnet. Es handelt sich dabei um zwei Fälle, die von den Gerichten geschlossen wurden und deren Verjährung die Grabungsgruppe zuvorkommen möchte. Angesichts der hohen Anzahl der Gräber arbeiten die Helfer im Schichtbetrieb. Für die Festlegung der Reihenfolge spielt außer der drohenden Verjährung einiger Fälle das Alter der Mutter, die Lage des Grabes und die Mitarbeit der betroffenen Familien eine Rolle.

In allen Fällen sind die sterblichen Überreste in Einzelsärgen in Gemeinschaftsgräbern von bis zu drei Metern Tiefe beigesetzt. Anhand der Daten des Friedhofsregisters müssen die Funde den Namen wieder zugeordnet werden. Zwar sind dort die Babys aufgeführt, die in jeder Schicht liegen, jedoch nicht, in welcher Reihenfolge sie hineinkamen. Die Archäologen können sich bei der Identifizierung über die Lage unter anderem an dort ebenfalls begrabenen Erwachsenen orientieren, die im Register aufgeführt sind. Ein Fachmann für forensische Anthropologie hilft durch Bestimmung des Geschlechts und möglicher Krankheitszeichen ebenfalls mit, die Identität der Babys zu bestimmen. In einer zweiten Phase wird es DNA-Abgleiche mit den mutmaßlichen Familienangehörigen geben.

Besonders wichtig ist es bei dieser Arbeit, dass in jenen Fällen, in denen sich der Verdacht des Kindesraubes erhärtet, die belegbare Beweiskette nie abreißt, damit die Angehörigen gegebenenfalls die Wiederaufnahme des gerichtlichen Verfahrens beantragen können.

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