Neun Tote bei Erdbeben in Lorca


© EFE

Tausende Einwohner können mittel- bis langfristig nicht in ihre Häuser zurückkehren

Am 11. Mai bebte in Lorca, eine 92.000 Einwohner-Stadt in der andalusischen Region Murcia, die Erde. Das erste Beben ereignete sich um 17.05 Uhr. Obwohl es eine Stärke von 4,5 erreichte, wurde niemand verletzt und auch die Sachschäden hielten sich zu dem Zeitpunkt noch in Grenzen.

Murcia – Nach Expertenmeinung ist dies unter anderem auf die Tatsache zurückzuführen, dass das Epizentrum des Bebens etwa sieben Kilometer außerhalb Lorcas lag. Das zweite schwere Beben, das sich um 18.47 Uhr ereignete und dessen Epizentrum fast unmittelbar unterhalb des Stadtzentrums lag, war dafür umso verheerender. Es erreichte eine Stärke von 5,1 und ist damit eines der heftigsten Erdbeben, die sich in den letzten 500 Jahren in der Gegend, eine der am stärksten erdbebengefährdeten Spaniens, ereigneten.

Rückblickend hat das erste Beben wohl zahlreichen Menschen das Leben gerettet, denn viele trauten sich aufgrund der Stärke der ersten heftigen Erdstöße nicht mehr in ihre Häuser zurück, Häuser, die bei dem zweiten Beben in sich zusammenstürzten. Dennoch, die Bilanz der Erdbeben-Katastrophe von Lorca ist erschütternd: neun Menschen – vier Männer, vier Frauen und ein Kind – kamen ums Leben, von herunterfallenden Dachziegeln und Steinbrocken erschlagen oder unter den Trümmern ihrer Häuser begraben, und 293 wurden teils schwer verletzt. Die Sachschäden belaufen sich auf mindestens 70 Millionen Euro. 7.500 der insgesamt 65.000 Einwohner der am meisten vom Beben betroffenen Stadtgebiete können mittel- bis langfristig gesehen nicht in ihre Häuser zurückkehren. Zehntausende verbrachten die ersten Nächte nach der Katastrophe in eiligst eingerichteten provisorischen Notlagern, auf Plätzen und in  Park­­anlagen, aus Angst vor Nachbeben, die sich auch tatsächlich in großer Zahl ereigneten, und aufgrund der Tatsache, dass ihre Häuser von akuter Einsturzgefahr bedroht sind. Tausende sind bis heute in Notlagern untergebracht, weil sie weder in ihre Häuser zurückkehren noch bei Verwandten oder Freunden unterkommen konnten. Besonders schwer hat es die zahlreich in der Gegend angesiedelten Einwanderer getroffen, die bei der Katastrophe nicht nur teils ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben, sondern auch über keinerlei unterstützende Infrastruktur in Spanien verfügen.

Bewegender Abschied

Vier der neun Todesopfer – die Familienangehörigen der anderen fünf zogen es vor, im kleinen Kreis Abschied zu nehmen – wurden in einer bewegenden öffentlichen Trauerfeier am 13. Mai verabschiedet. Neben zahlreichen Einwohnern Lorcas waren auch Kronprinz Felipe und seine Frau Prinzessin Letizia sowie Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero unter den Trauergästen. Alle drei besuchten danach noch die am schwersten von den Erdbeben betroffenen Stadtteile und sprachen den Betroffenen ihr Mitgefühl aus und Mut zu. „Das Erdbeben hat uns schwer und hart getroffen, doch dieses Land ist noch stärker“, erklärte der Regierungschef unter anderem wörtlich.

Unterstützung zugesichert

Die Zentral- und die Regionalregierung haben bereits wenige Tage nach dem Geschehen ein Abkommen verabschiedet, um „sofort“ mit dem Wiederaufbau und der Instandsetzung der beschädigten Gebäude und sonstigen Infrastruktur zu beginnen. Per Eildekret hatte die spanische Regierung bereits zwei Tage nach dem Beben ein Paket mit Soforthilfen beschlossen, durch das den betroffenen Einwohnern möglichst schnell und direkt geholfen werden soll. Auch die lokale wirtschaftliche Aktivität und die Unternehmen sollen durch verschiedene steuerliche und sonstige Maßnahmen unterstützt werden.

Die Tatsache, dass bei dem Beben nicht nur alte Gebäude von Schäden betroffen wurden, sondern auch Neubauten zusammenstürzten, wirft nun viele Fragen auf. Die Regierung erklärte in diesem Zusammenhang, man werde über schärfere Bauvorschriften in den gefährdeten Gebieten nachdenken.

„Vorbildliche Zusammenarbeit“

Rodríguez Zapatero ließ es sich bei seiner Besichtigung der beschädigten Gebiete nicht nehmen, den unzähligen Hilfskräften seinen Dank auszusprechen und die „vorbildliche Zusammenarbeit“ der verschiedenen Institutionen und Hilfsorganisationen zu loben. „Der Zusammenhalt in dieser Krisensituation war beispielhaft“, meinte der Regierungschef wörtlich. Die spanische Regierung hatte nach den beiden heftigen Beben umgehend ein wahres Heer an Hilfskräften nach Lorca geschickt. Neben Einheiten der spanischen Armee wurden auch Hunderte Beamte der Guardia Civil, der Nationalpolizei sowie Helfer von Organisationen wie dem Roten Kreuz in das Krisengebiet geschickt. So gelang es unter anderem bereits in der ersten Nacht nach der Katastrophe Zeltlager für Tausende von  Einwohnern aufzubauen und sie mit Lebensmitteln und Decken zu versorgen.

Unter der Mutter überlebt

Die Geschichten des Schreckens und der Trauer, aber auch des Glücks im Unglück sind nach der Erdbeben-Katastrophe von Lorca zahlreich. Besonders bewegt hat die Einwohner jedoch der an ein Wunder grenzende Fall von zwei kleinen Kindern, die unter dem schützenden Körper ihrer toten Mutter das Unglück überlebten. Die Mutter muss sich bei dem ersten Anzeichen herabstürzender Steinbrocken instinktiv über ihre Kinder gebeugt haben, um diese zu schützen. Als der Körper der 30-jährigen Frau später unter den Trümmern ausgegraben wurde, hörten die Hilfskräfte das Wimmern der beiden Kinder, 3 und 1 Jahre alt, die fast unbeschadet das Unglück überlebt hatten.

Erdbebengefährdetes Gebiet

Murcia gehört zusammen mit Granada zu den in Sachen Erdbeben am stärksten gefährdeten Gebieten Spaniens. Die Einwohner der beiden Regionen sind an schwächere Erdstöße hin und wieder gewöhnt. Die beiden letzten wirklich schweren Beben in Murcia liegen allerdings schon lange Zeit zurück. Sie ereigneten sich am 28. August 1674 und am 20. Dezember 1818. Experten erklärten nun im Hinblick auf die jüngste Erdbeben-Katastrophe, es habe zwar in Spanien bereits häufiger Beben gegeben, die eine gefährlichere Stärke erreichten, jedoch trotzdem viel weniger Schaden anrichteten. Das liege daran, dass vor allem das zweite Beben vom 11. Mai, das eine Stärke von 5,1 erreichte, sich nicht nur fast direkt unterhalb des Stadtzentrums ereignete, sondern vor allem auch in ungewöhnlicher Nähe zur Bodenoberfläche.

So erklärt sich auch, dass das Erdbeben, das sich 2010 in Granada ereignete und eine Stärke von 6,1 auf der Richterskala erreichte, soviel weniger Schaden anrichtete. Das Epizentrum lag damals in einer Tiefe von 600 Kilometern, während das zweite Beben von Lorca nur wenige Kilometer unterhalb der Erdoberfläche stattfand.

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