Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein entließ den katalanischen Ex-Präsidenten gegen Kaution aus der Haft
Berlin/Madrid – Am vergangenen Freitag konnte Carles Puigdemont die Haftanstalt in Neumünster verlassen. Dort war er 12 Tage lang von der deutschen Justiz interniert worden, als er, aus Dänemark kommend, beim Überschreiten der Grenze aufgrund eines Europäischen Haftbefehls festgenommen worden war.
Das Oberlandesgericht hatte am Vorabend eine folgenschwere Entscheidung getroffen, und so kam der Separatistenführer gegen Zahlung einer Kaution von 75.000 Euro, die seine Anwälte schnellstens beigebracht hatten, frei. Für das weitere Verfahren muss Puigdemont nicht im Gefängnis bleiben. Er darf Deutschland nicht verlassen, muss sich einmal wöchentlich bei der Polizei melden und zur Verfügung stehen, wenn er von den Justizbehörden vorgeladen wird, sowie jeden Wechsel des Aufenthaltsortes mitteilen.
Zur überraschenden Wende kam es am Donnerstagabend, als das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein gegen ihn einen „Auslieferungshaftbefehl“ erließ. Allerdings nicht wegen Rebellion, wie es die spanische Justiz verlangt hatte, sondern wegen des Verdachts der Veruntreuung öffentlicher Gelder. Die Richter hatten den wichtigsten Vorwurf der Rebellion sozusagen „zerpflückt“ und verwarfen ihn als „von vornherein unzulässig“, wie es wörtlich in der Begründung heißt. Das Pendant im deutschen Recht, der Straftatbestand des Hochverrats, sei nicht erfüllt, weil das wichtige Merkmal der Gewalt fehle.
Bei den Anhängern des Ex-Präsidenten, die sich vor der Strafanstalt Neumünster eingefunden hatten, brach Jubel aus, ebenso bei der Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien. Dagegen macht sich bei der spanischen Bevölkerung ein gewisser Unmut gegenüber Deutschland breit.
Bei einer kurzen Stellungnahme vor der Strafanstalt, wo sich zahlreiche Medienvertreter eingefunden hatten, bedankte Puigdemont sich mit ein paar holprigen Sätzen in Deutsch für die Hilfe und Solidarität. Dann kündigte er an, dass er die Zeit bis zur endgültigen Entscheidung über seinen Fall in Berlin verbringen werde.
Einen Tag nach seiner Entlassung, bei seinem ersten Auftritt in der deutschen Hauptstadt, versprach der katalanische Ex-Präsident, er werde die Auflagen der deutschen Justiz selbstverständlich erfüllen. Er rief die spanische Regierung zum politischen Dialog mit den katalanischen Separatisten auf und zum Respekt vor der Demokratie, und er forderte die Vermittlung internationaler Stellen. Dabei denkt er offenbar an befreundete Staaten oder internationale Organisationen. Dieser Konflikt müsse mit politischen Werkzeugen gelöst werden, rief er seinen Zuhörern zu. Er wies darauf hin, dass es notwendig sei, das Gesetz zu erfüllen und in Katalonien eine Regionalregierung zu bilden. Während seiner Zeit in Berlin wolle er sich auf jeden Fall aus der deutschen Politik heraushalten und sich nicht in innerdeutsche Angelegenheit einmischen. Er habe auch nicht die Absicht, deutsche Politiker zu treffen. Nach Abschluss des Verfahrens will er in sein „Exil“ nach Brüssel zurückkehren. Er forderte die sofortige Freilassung der politischen Führer der Unabhängigkeitsbewegung, die nach der illegalen Volksabstimmung vom 1. Oktober 2017 verhaftet wurden.
Der spanische Regierungschef Mariano Rajoy erklärte zur Freilassung von Puigdemont, er werde alle juristischen Entscheidungen anerkennen. „Justizentscheidungen sind zu achten und zu respektieren“, sagte er wörtlich.
Diplomatische Spannungen
Zwischen der deutschen und der spanischen Regierung ist es nach dem überraschenden Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein erstmalig zu diplomatischen Spannungen gekommen.
Obwohl die Regierung von Angela Merkel versichert hatte, der Fall Puigdemont sei eine Angelegenheit der Justiz, bei der sie keinesfalls intervenieren werde, hatte sich die neue Justizministerin im Kabinett, die Sozialistin Katarina Barley, überraschend noch am Abend nach Bekanntwerden des Urteils zu Wort gemeldet. Das Urteil des Oberlandesgerichts sei absolut korrekt, sie habe es auch nicht anders erwartet, erklärte sie. Nun müsse Spanien das Auslieferungsbegehren wegen eines Delikts der Veruntreuung öffentlicher Mittel begründen, was sicher nicht einfach werde. Wenn Spanien diesen Antrag nicht triftig belegen könne, werde der Haftbefehl aufgehoben. Dann sei Puigdemont ein freier Mann in einem freien Land wie Deutschland, hatte sie der Süddeutschen Zeitung erklärt und hinzugefügt, dass nun der Moment gekommen sei, um auch über die politischen Komponenten dieses Falles zu sprechen.
Diese Äußerungen haben in Spanien, und vor allen Dingen bei der spanischen Regierung, Missfallen ausgelöst. Außenminister Alfonso Dastis meldete sich vom nationalen Kongress der PP aus Sevilla und bezeichnete die Äußerungen Barleys als äußerst unpassend. Die Entscheidungen der Richter zu kommentieren, sei augenblicklich absolut nicht angebracht.
Präsident Rajoy ließ wissen, dass er keinen Kontakt mit der deutschen Kanzlerin aufgenommen habe und das auch nicht zu tun gedenke, denn es handele sich um eine Angelegenheit der Justiz. Deshalb existiere ja die Gewaltenteilung.
„Richter Pablo Llarena, der am Obersten Spanischen Gerichtshof den Fall Puigdemont leitet, sowie die Staatsanwaltschaft haben uns mitgeteilt, dass sie beabsichtigen, den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anzurufen. Immerhin hatte doch die Staatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein die These des Spanischen Gerichtshofes unterstützt“, erklärte der Präsident in einem wesentlich ruhigeren Ton, als zuvor sein Außenminister.
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