Streifzüge – ein Museum erzählt: Von der Schwierigkeit, eine Insel zu erreichen und zu besiedeln


Standort: Área 1 – Origen y Naturaleza del Archipielago Canario, 2. Saal (Ende)

Neu aus dem Meer aufgetauchte Inseln sind frei von Lebewesen. Auf ihnen könnte kein Leben neu entstehen. Dazu geeignete Orte und Verhältnisse gibt es auf der Erde schon lange nicht mehr. Auf Inseln wie den Kanaren stammen alle einheimischen Lebewesen von Vorfahren ab, die es – zufällig oder gezielt – erfolgreich geschafft haben, dorthin zu gelangen, sich anzusiedeln und mit anderen Lebewesen zu vernetzen. Von dieser Voraussetzung ausgehend sollten auf den Inseln Pflanzen- und Tierarten leben, die es auch auf den benachbarten Kontinenten gibt. Angenommen, dass von dort nicht alle Arten hierher gelangen konnten, sollte die Artenmenge auf ihnen geringer sein. Das Gegenteil ist der Fall. Der Artenreichtum übertrifft die kontinentalen Verhältnisse bei Weitem, und Hunderte von Arten, die es nur hier und sonst nirgendwo auf der Erde gibt, sind unübersehbar.  

Um vulkanische Inseln zu erreichen, muss man entweder schwimmen oder fliegen. Was heutzutage für Urlauber gilt, galt schon immer für Pflanzen und Tiere und selbstverständlich auch für die Ureinwohner zusammen mit ihren Haustieren und einigen Nutzpflanzen. So klar, so einfach. Man könnte annehmen, die meisten Lebewesen hätten irgendwie schwimmend die Inseln erreicht. Bei den dabei zu überwindenden Entfernungen sind da Zweifel angebracht. Die kürzeste Entfernung zwischen einer Kanareninsel (Fuerteventura) und der afrikanischen Küste beträgt 90 km. Zu allen anderen Inseln ist es deutlich weiter. Da ist man eher viele Wochen als nur einige Tage unterwegs. Hinzu kommt: Zahlreiche kanarische Lebewesen – ob Pflanze oder Tier – vertragen kein Salzwasser.

Sicherlich sind manche wirbellosen Tiere – Insekten, Spinnen, Schnecken – auf Treibholz über den Ozean gedriftet, ohne Schaden zu nehmen. Das war auch der Weg der Reptilien, wobei es bei diesen nur wenige Arten überhaupt schafften. Ihrer Schuppenhaut kann Salzwasser nicht schaden, sie vertragen Auskühlung gut und brauchen dann sogar nur extrem wenig Nahrung. Säugetiere erfrieren oder verhungern unterwegs. Deswegen gab es auf den Inseln auch ursprünglich außer Fledermäusen keine Säugetiere. Fledermäuse, Vögel und fliegende Insekten hingegen schaffen es gut auf die Inseln. Ihr Problem war, bei ihrer Ankunft ausreichend geeignete Nahrung vorzufinden, was wiederum die Anwesenheit von Beutetieren oder Nahrungspflanzen voraussetzt. In der Anfangszeit einer jeden Insel dürften die Ankömmlinge dort nur selten nicht bald verhungert sein.

Die Situation besserte sich allmählich; denn häufig genug brachten die Ankömmlinge Samen von Pflanzen mit. Hatten sie vor ihrer Abreise auf dem Kontinent Früchte gefressen, transportierten sie die unverdaulichen Samen in ihrem Verdauungstrakt. Praktisch alle Baumarten des kanarischen Lorbeerwaldes haben Samen, die Vögel in ihrem Darm  transportieren. Kastanienbäume oder Eichen, deren Samen zu groß und zu schwer sind, um von Vögeln im Ganzen verschluckt zu werden, kommen auf unseren Inseln von Natur aus nicht vor. Klebrige oder mit Häkchen ausgestattete Samen werden auch heute noch im Gefieder befördert und erst bei der nächsten Gefiederpflege – also auf der Insel – wieder entfernt. Natürlich gibt es auch Pflanzen mit Flugsamen, die bei gutem Wind über das Meer geweht werden. Pech allerdings, wenn der Vogelkot mit den Samen auf den falschen Boden oder in der falschen Klimazone abgesetzt wurde. Im Lauf der Jahrmillionen war es allerdings nur eine Frage der Wahrscheinlichkeit, dass die Samen in die richtige Umgebung gelangten und neue, inseltypische Ökosys­teme entstanden. Die unterste Bildreihe dieses Raumes zeigt Beispiele, wie die Inseln erreicht wurden.

(Fortsetzung folgt. Nächstes Thema: Das Labor der Evolution)

Michael von Levetzow

Tenerife on Top

Das Museo de la Naturaleza y del Hombre befindet sich in Santa Cruz in der Calle Fuente Morales gegenüber der Kirche Nuestra Señora de la Concepción, unterhalb des TEA.

Öffnungszeiten: Di.-Sa. 9.00 – 20.00 Uhr; So., Mo. und Feiertage 10.00 – 17.00 Uhr.

Eintrittspreise: 5 € (Residenten 3 €); Senioren ab 65 Jahre 3,50 € (Residenten 2,50 €); Kinder unter 8 Jahren frei. Freier Eintritt jeden Fr. u. Sa. 16.00 – 20.00 Uhr (falls Feiertag 13.00 – 17.00 Uhr)

Audioguides in deutscher Sprache gibt es an der Kasse.

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