Gedanken für mich – Augenblicke für Gott
In manchen Familien wird Weihnachten sicherlich so ablaufen, wie es der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch mal in drastischen Worten beschrieben hat:
„Mutter ist nervös. Vater ist nervös. Kind ist nervös. Oma ist nervös. Oma ist gekommen, um Mutter zu helfen. Vater hat gesagt: Wäre nicht nötig gewesen. Kind steht im Weg. Mutter steht im Weg. Vater steht im Weg. Oma steht im Weg. Alle ham geschafft mit allerletzter Kraft. Vater hat geduscht. Mutter hat geduscht. Kind hat gebadet. Oma hat gebadet. Alle ham gepackt, und alle sind gerannt, und schließlich hat der Christbaum gebrannt. Mutter ist gerührt. Vater ist gerührt. Kind ist gerührt. Oma ist gerührt. Endlich werden die Pakete aufgeschnürt. Doch: Mutter ist gekränkt. Vater ist gekränkt. Kind ist gekränkt. Oma ist gekränkt. Denn jeder hat dem andern mal wieder was Falsches geschenkt. Schwiegertochter kommt… Nörgleronkel kommt… Kuch ist zu süß… und der Baum ist mies… Mutter ist beleidigt. Vater ist beleidigt… Friede auf Erden. Und den Menschen ein Unbehagen. Alle hams am Magen. Man kann nichts vertragen nach all diesen Tagen. Mutter ist allein. Vater ist allein. Kind ist allein. Oma ist allein. Alle sind allein. Doch an Ostern – wollen alle, in jedem Falle – wieder zusammen sein.“ (aus: Hanns Dieter Hüsch, Die Bescherung, CD vom tvd-Verlag, Düsseldorf 2001)
Nach diesen Worten ist man versucht zu sagen: Humor ist, wenn man trotzdem Weihnachten feiert. Humor – aber damit haben wir schon das Stichwort zu diesem Fest. Denn Humor hat sehr viel mit Gott zu tun, auch wenn viele das nicht einmal zu denken, geschweige denn auszusprechen wagen. Aber Humor entsteht doch immer aus einer tiefen Sympathie zum Menschen heraus. Und Gott ist voller Sympathie für uns Menschen, das zeigt schon allein seine Menschwerdung; er geht zu uns auf Tuchfühlung. Ja, wer die Menschen liebt, der braucht eine gute Portion Humor und Gelassenheit, und genau diesen Humor hat Gott bewiesen.
Wenn ich hier den Gedanken der Tuchfühlung aufgreife, dann meine ich das im wahrsten Sinne des Wortes so. Die Nähe Gottes zu uns wird in dem kleinen Kind von Bethlehem Realität. Dieses kleine Kind, das in die Windeln macht, das schreit und lacht, das versetzt nicht nur Omas in Entzücken. Nein, ein kleines Kind ist immer auch das Zeichen dafür, dass etwas Neues beginnt. In diesem kleinen Jesus von Nazareth, da beginnt Gott noch einmal ganz neu mit uns Menschen. Er wird mit seiner Nähe für uns auch spürbar, als der junge Jesus dann in die Pubertät kommt und – wie könnte es anders sein – gegen seine Eltern genauso aufmuckt und ihnen widerspricht, wie es Mädels und Jungs in diesem Alter tun. Auch in der Heiligen Familie ging eben nicht alles so glatt und problemlos über die Bühne, wie man uns dies als Kindern und Jugendlichen weismachen wollte, um uns wenigstens eine Zeit lang hübsch brav und bei der Stange zu halten.
Als Jesus dann als junger Mann, so um die Dreißig herum, ganz eigene – heute würden wir sagen – alternative Wege geht, da können dies seine Eltern nicht nachvollziehen. Die Verwandtschaft hält ihn für verrückt und will ihn mit Gewalt nach Hause zurückholen, bevor er noch der ganzen Sippe Schande macht. Aber Jesus geht unbeirrt seinen Weg; er schwimmt gegen den religiösen Strom seiner Zeit – auch wenn ihm bewusst ist, dass das nicht gut ausgehen kann. Sein Ende schließlich ein großes Scheitern mitten im Leben: mit Schimpf und Schande am Kreuz sein Leben ausgehaucht. Das alles gehört auch zur Weihnachtsgeschichte, denn spätestens da ist der Zuckerguss abgeblättert und das Lametta verweht.
Und dazwischen? Dazwischen lagen rund 30 Jahre, in denen viel Wundersames, Ungewöhnliches und Kostbares passiert ist. So wundersam, kostbar und ungewöhnlich, dass es uns Menschen bis auf den heutigen Tag bewegt. Oder weshalb gehen Sie zu den Gottesdiensten? Weshalb feiern Sie dieses Fest? Weshalb? Vielleicht doch auch nur deshalb, weil da einer eine andere, eine ganz neue und bislang noch nie gehörte Botschaft von Gott gebracht hat. Bis heute konnte diese „Frohe Botschaft“ und „Gute Nachricht“ nicht mehr aus der Welt geschafft werden, trotz vieler Versuche und trotz teilweise eines mehr als fragwürdigen Auftretens der Kirche und ihres „himmlischen Bodenpersonals“. Gott ist mehr als ein guter Vater oder eine liebende Mutter; er ist – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Verschwender. Gott ist einer, der sich auch und gerade dieser am Boden liegenden und sich ausgestoßen fühlenden Menschen annimmt; all jener, die sich schon lebendig wie gestorben und tot fühlen. Gott ist ganz anders, als wir Menschen; und ich glaube manchmal, er ist so ganz anders, als wir ihn oft verkünden.
Auch an Weihnachten sind mir all die Begegnungsgeschichten des erwachsenen Kindes von Bethlehem präsent: mit dem epileptischen Kind, mit dem aussätzigen Mann, mit der durch die Straßen getriebenen Ehebrecherin, mit der stadtbekannten Hure, dem kleinwüchsigen Zöllner. Wir sollten uns diese Geschichten einmal umgesetzt in unser konkretes heutiges Umfeld vorstellen!! Damals sind sie alle aus der Begegnung mit ihm heil, sprich als andere Menschen herausgekommen. Und was heißt das? Dass Gott voller Sympathie für die Jungen ist, die ihren eigenen Weg suchen müssen; dass er voller Sympathie für die Eltern ist, die genau deshalb oft so rat- und so hilflos sind. Es ist voller Sympathie mit all jenen, die keine Sympathisanten haben, weil sie eine Minderheit sind. Ja, er ist voller Sympathie mit uns Menschen in den Stunden unserer Sehnsucht und des Glücks, in den Stunden unserer Leidenschaft aber auch der Enttäuschung, in den Stunden von Trauer und Wut. Er bleibt bei uns. Er ist mit Ihnen und mir. Und Weihnachten macht genau für diese Art der Gottesbegegnung erst den Anfang.
So wünsche ich Ihnen ein frohes, von der Sympathie Gottes für Sie und Ihre Lieben geprägtes Weihnachtsfest und mit seiner Zuneigung und Liebe für Sie und für mich ein gutes Jahr 2014
Herzlichst Ihr
Bertram Bolz, Diakon
Kath. Touristen- und
Residentenseelsorger
[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]