Wem die Stunde schlägt…


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Streit um nächtliches Kirchengeläut

Los Silos ist eigentlich ein beschauliches Örtchen im Nordwesten Teneriffas. Seit einigen Wochen ist es aber vorbei mit der Ruhe, denn einige Bewohner des Ortszentrums können nicht mehr schlafen.

Der Grund: Zu jeder vollen Stunde signalisiert das Glockengeläut der Kirche, die „unserer Frau vom Licht“ geweiht ist, was die Stunde geschlagen hat – auch im Dunkeln, und unabhängig davon, ob die so Informierten überhaupt wissen wollen, wie spät es gerade ist. Manche wollen das nicht, sie würden lieber schlafen.

Da die Bitte der Schlaflosen, man möge das Geläut wenigstens zur Nachtzeit abstellen, auf taube Ohren stieß, suchen sie nun mit einer Unterschriftenliste nach Gleichgesinnten, um ihrer Forderung mehr Gewicht zu geben. Das wiederum rief die Glockenfreunde der Gemeinde auf den Plan, die nun ihrerseits Unterschriften dafür sammeln, dass ihre geliebten Glocken auch weiterhin ihren nächtlichen Dienst versehen dürfen.

Auch Francisco José Luis Fortes, Stadtrat von Los Silos, wundert sich über die ungewöhnliche Lärmempfindlichkeit in seiner Gemeinde. „Wenn Sie mich als jemanden fragen, der hier geboren ist und schon immer hier wohnt, so ist es mir nie in den Sinn gekommen, dass die Glocken irgendjemanden stören könnten. Im Gegenteil – ich habe sie immer als ein Symbol unserer Identität gesehen, ein Vermächtnis, das mich jeden Tag aufs neue mit Stolz erfüllt, besonders am Tage der Himmelfahrt der Jungfrau, der jedes Jahr am 6. September stattfindet.“ Um seine Dorfgenossen hinter sich zu scharen, machte er dezent die Andeutung, die Leute, die Unterschriften für die Nachtruhe sammeln, seien „in ihrer Mehrheit Personen, die hier wohnen, obwohl sie nicht hier geboren sind“. Mit dieser Aussage, die ihm in Deutschland gewiss ein Verfahren eingebracht hätte, möchte er vermutlich Wählerstimmen der Alteingesessenen auf sein Konto verbuchen. Auch glaubt er zu wissen, dass „99% unserer Bevölkerung wollen, dass die Glocken auch nachts läuten. Denn wir sind mit ihnen aufgewachsen, sie stören uns nicht und wir empfinden sie als etwas Eigenes“.

Auch Argelio Domínguez Rodríguez, der eigentlich zuständige Dorfpfarrer, kam dem Stadtrat zu Hilfe mit den Worten: „Jede Gemeinde hat ihre Bräuche, Gerüche, Klänge und Geschmäcker, die ihre Eigentümlichkeiten und ihre Herkunftsbezeichnung sind.“ Um gegen so viel Heimatverbundenheit noch Widerspruch zu wagen, muss man wohl „woanders geboren“ sein.[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]

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