» Wo das Wasser zu Hause ist « ( Teil 1 )


Foto: Michael von Levetzow

Wasserreichtum. Wasser und Reichtum. Auf den Kanarischen Inseln gehören seit ihrer Eroberung vor mehr als 500 Jahren beide zusammen. Ohne Wasser kein Wohlstand, schon gar nicht Reichtum. Süßwasser, Trinkwasser, Wasser für die Be­wässerung, Wasser als Energiequelle für Mühlen und andere Maschinen, Wasser zur Verarbeitung wertvoller Grundstoffe – nur kein Meerwasser! Die Eroberer der Inseln mögen ein wilder Haufen von Abenteurern gewesen sein und erinnern in der Rückschau manchmal eher an eine Räuberbande denn an eine disziplinierte Armee, hinsichtlich des Wassers gingen sie aber zumindest auf den drei zuletzt eroberten Inseln – Gran Canaria, La Palma und Teneriffa – äußerst planvoll vor. Indem sie sich die besten Landstücke und darüber hinaus auch die Besitzrechte am Wasser sicherten, schufen sie nicht nur damals die Voraussetzungen für die wirtschaftliche Ent­wicklung. Die alten Wasserrechte wirken bis heute fort.

Vor allem Teneriffa war und ist durch seinen natürlichen Wasserreichtum gesegnet. Dank verbesserter Wasserbewirtschaftung kann diese Insel auch aktuell ihren Bedarf zu mehr als 90% ohne Meerwasserentsalzung decken. Auf Lanzarote, wo Wasser immer knapp und der Reichtum selten waren, liegen die Verhältnisse umgekehrt. Einer eher ungünstigen Folge der Wasserbewirtschaftung auf Teneriffa begegnen wir in zahlreichen Barrancos, die heute normalerweise kein Wasser mehr führen, obwohl dieses dort noch vor 100 Jahren reichlich floss. Jedenfalls berichten das die Reisenden jener Zeit in ihren Büchern.

Nicht nur beim Monte del Agua im Teno-Gebirge weisen Wanderwege auf die Bedeutung des Wassers hin. Eine lohnende Ruta del Agua mit zahlreichen Erklärungstafeln gibt es z.B. bei Güímar. Sprichwörtlich war der Wasserreichtum bei Aguamansa (gezähmtes Wasser), wo das Wasser mehrerer Barrancos zusammengefasst und nach La Orotava weitergeleitet wurde. Dort trieb es die historischen Getreide- und Gofiomühlen an. La Guancha, das seinen Namen von der heute nur noch spärlich fließenden Fuente de la Guancha herleitet, mit der Ruta „Paisajes del Agua“, stellt also Wasser, Landschaft und Bewohner in einen Zusammenhang. Zu Recht; denn die ergiebigsten Wasservorkommen befinden sich auf dem Gebiet dieser Gemeinde, deren Landschaft auch wesentlich vom Wasser gestaltet worden ist. Hier wurde zudem die erste Galería der Insel gegraben, also ein Stollen zur Erschließung der Wasservorkommen. Und schon lange vorher ereignete sich hier die schlimmste, durch Wasser verursachte Katastrophe der Insel. Wasser konnte Segen und Fluch bedeuten. 52 Menschen und fast 350 Stück Vieh kamen dabei allein in La Guancha ums Leben, mehr als 70 Häuser wurden beschädigt, knapp die Hälfte von ihnen war anschließend unbewohnbar und musste neu aufgebaut werden.

Heute erinnert noch der Straßenname „Calle del Aluvión“ am Beginn des Weges an diesen zerstörerischen Hurrikan, der am 7. und 8. November 1826 die Insel mit unvorstellbarer Wucht heimsuchte und verwüs­tete. Im benachbarten Barranco El Moro hatten entwurzelte Bäume und Geröll einen Damm geschaffen, der zunächst die Wassermassen staute, aber schließlich brach. Die Flutwelle riss alles mit sich ins Meer und zerstörte auch Teile des tiefer gelegenen San Juan de la Rambla. Einige Tage danach wurden Leichen aus La Guancha an der Küste La Gomeras angespült. Auch der Barranco in der Nähe dieser Straße war verändert. Er war nun wesentlich breiter. Aluvión heißt Sintflut.

Mehrere, heute nahezu trockene Quellen und einige Galerías können wir entlang des Weges besuchen. Bei der Fuente de la Guancha, jenseits des Barrancos und auch heute noch außerhalb des Ortes gelegen, müssten die Installationen wieder instand gesetzt werden. Sie zeigen anschaulich unterschiedliche Nutzungen des Wassers: Am nächsten an der Quelle entnahm man das Trinkwasser für die Menschen. Von dort trugen es die Frauen auf ihrem Kopf in Gefäßen in die Häuser. Knapp unterhalb davon befindet sich die ehemalige Viehtränke, von der das restliche Wasser in den Waschtrog floss.

Auch bei der Galería El Derriscadero gab es eine Quelle. Sie lag etwas oberhalb des Stollens, über den man erfolgreich versucht hatte, ihren unterirdischen Wasserspeicher direkt anzuzapfen. Die erzielten Fördermengen waren größer als die bisherige Leistung der Quelle. Der Grundwasserspiegel sank, und die Quelle fiel trocken. Heute ist sie hinter Gestrüpp verborgen. Sie war eine der ersten, die auf Teneriffa dieses Schicksal erlitten. Heute sind fast alle einst einigermaßen ergiebigen Quellen trocken; denn normalerweise tritt Wasser entlang der Erdschichten zutage, durch die es nicht tiefer sickern kann. Genau diese Schichten anzubohren, war seit 100 Jahren überall auf der Insel das Ziel der Tunnelbauer; denn vom Quellwasser ging zu viel ungenutzt verloren. Naturschutz gab es damals nicht viel. Wasser im eigenen Kanal brachte dagegen guten Gewinn. Aus den Inhabern der alten Wasserrechte wurden Aktionäre, die in die Erschließung investierten und mit etwas Glück hohe Renditen erwirtschafteten. Und bei der ärmeren Bevölkerung war es üblich, zur Altersvorsorge Wasseraktien zu erwerben.

Michael von Levetzow
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