Gemeinderat und Opposition bekriegen sich nach Protestveranstaltung der Hilfsorganisation
Die friedliche Protestkundgebung des Verbands La Mesa, die am Vormittag des 5. Mai vor dem Rathaus von Puerto de la Cruz stattfand, hat politisch weite Kreise gezogen.
Der Verband, der seit September 2008 Lebensmittel an rund 660 bedürftige Familien ausgegeben hat, hatte sich mit Sympathisanten auf der Plaza de Europa versammelt, um gegen die Untätigkeit des Gemeinderats (PSOE) zu protestieren bzw. laut eine finanzielle Unterstützung der Hilfsorganisation durch die Gemeinde zu fordern. Zu den etwa 70 Demonstranten gesellten sich auch der lokale Oppositionsführer und ehemalige Bürgermeister Marcos Brito (CC) zuammen mit zwei Parteikollegen und einem PP-Politiker.
In einer Mitteilung der PSOE-Ortsgruppe wurde bereits am nächsten Tag gegen die Kundgebung, den Verband La Mesa und vor allem Oppositionsführer Marcos Brito gewettert. Die Veranstaltung, die eine „Versammlung gegen den Hunger“ sein sollte hätte sich als Attacke gegen die sozialistische Regierung der Gemeinde, inklusive Beschimpfungen und Abwertung herausgestellt.
„Es wird untersucht werden müssen, was dieser angebliche Verband mit diesen Einnahmen macht“
„Die Einwohner von Puerto de la Cruz sind der politischen List und der Attacken und Beschimpfungen der Regierung, die bei den Kommunalwahlen 2007 die Mehrheit errang, überdrüssig. Das einzige was die Bürgerschaft möchte, ist das für die allgemeinen Interessen der Gemeinde gearbeitet wird – und nicht für die einiger Weniger –, und das ist es was die sozialistische Regierung tut. Die Stadt durchläuft endlich einen Prozess der touristischen und urbanistischen Wiederbelebung, es wurde ein ehrgeiziger Sozialplan mit über 15 Hilfsorganisationen vereinbart (…)“ Außerdem versichern die Sozialisten, dass bereits zahlreiche Anwohner, kulturelle und soziale Verbände, Hoteliers, Gaststätten und Unternehmen dem Gemeinderat gegenüber ihre Besorgnis um das Image der Stadt geäußert haben, „weil Menschen aus verschiedenen Orten kommen, um für einen Euro Lebensmittel bei La Mesa zu kaufen“. „Es wird untersucht werden müssen, was dieser angebliche Verband mit diesen Einnahmen macht, denn die Lebensmittel sind geschenkt oder von den verschiedenen Firmen gestiftet; folglich könnte es sich um einen möglichen Steuerbetrug handeln oder vielleicht um unlauteren Wettbewerb“, heißt es in der Mitteilung wörtlich.
Wenige Tage später und nachdem Ex-Bürgermeister Marcos Brito im lokalen Fernsehsender „Mi Tierra TV“ in einem Programm Kritik an der Haltung des Gemeinderats gegenüber La Mesa geübt hatte, kündigten die Sozialisten eine Klage gegen Brito an. Sie beurteilen die Äußerungen des CC-Politikers im TV als „Beleidigung und Verleumdung“. Brito hatte behauptet, dass Mitglieder des Gemeinderats während der Kundgebung von La Mesa an einem Fenster im Rathaus gestanden und hinter dem Vorhang gestikuliert und gelacht hätten, als machten sie sich über die Demonstranten lustig. „Mi Tierra TV“ zeigte dazu entsprechende Aufnahmen.
Die Sozialisten weisen diese Behauptungen nicht nur zurück, sondern bezeichnen sie als plumpe und absichtliche Verfälschung der Tatsachen. Marcos Brito hingegen bleibt bei seiner Version und ist keineswegs bereit, seine Äußerungen zurückzunehmen. Er habe es mit eigenen Augen gesehen, versicherte er. Die drei sozialistischen Stadtratsmitglieder hätten sich unsensibel und schäbig verhalten und dies könnten viele der Anwesenden bestätigen. Außerdem wundere ihn wie schnell die Sozialisten unter Bürgermeisterin Lola Padrón eine Klage gegen ihn ankündigten, anstatt ihre Ratsmitglieder aufzufordern, sich für ihr demütigendes Verhalten zu entschuldigen.
Auch der Direktor des Fernsehsenders „Mi Tierra TV“, José López, dem von den Sozialisten eine deutliche CC-Neigung vorgeworfen wird, meldete sich zu Wort. Ihn erstaune der Zynismus der Sozialisten, die nicht davor zurückscheuen, einen lokalen Fernsehsender zu beschuldigen, Bilder manipuliert zu haben, die viele Anwesende live gesehen haben.
„Bei La Mesa verdient niemand etwas“
Die Sekretärin des Verbands La Mesa, Ingrid Lüttgenau, wies die Beschuldigungen der Sozialisten entschieden zurück und versicherte, dass sämtliche Belege vorgelegt werden können und La Mesa für Ladenmiete, Strom und Wasser, Benzin, Telefonkosten und sogar den Einkauf einiger Lebensmittel aufkommt, denn es sei nicht richtig, dass alle ausgeteilten Lebensmittel gespendet sind. Jeden Monat müsse der Verband 4.500 bis 5.500 Euro in den Kauf von Grundnahrungsmittel investieren, da die Nachfrage die Spenden übersteige. Der Zeitung El Día sagte Lüttgenau, dass La Mesa in acht Monaten 14.772 Einkäufe ausgegeben hat, in dieser Zeit aber nur 12.000 Euro von den Lebensmittelempfängern eingenommen hat. Hinzu kommen rund 27.000 Euro an Finanzhilfe vonseiten des Cabildos, des Arbeitsamts Inem, der deutschsprachigen katholischen Gemeinde und der Karnevalsgruppen (Murgas). „Bei La Mesa verdient niemand etwas, wir benötigen vielmehr noch mehr Hilfe, denn es fehlt immer irgend etwas. Alles wird hier reinvestiert“. Ingrid Lüttgenau fragt sich, warum die Sozialisten behaupten, La Mesa sei illegal, obwohl das städtische Sozialamt selbst La Mesa in der Vergangenheit angewiesen hat, 512 Familien aus Puerto de la Cruz mitzuversorgen. Tatsächlich liegen dem Verband sämtliche Belege vor und Ingrid Lüttgenau lässt keinen Zweifel daran, dass sie auch schriftlich belegen kann, dass das Sozialamt der Stadt Leute zu La Mesa geschickt hat.
Im Interview mit El Día wollte Lüttgenau nicht von einer „Verfolgung“ durch die Stadt sprechen, überlegte jedoch, dass sie, sollten sich die Dinge weiter in dieselbe Richtung entwickeln, wohl ihre Meinung ändern müsse. Sie glaube zwar nicht, dass die Stadt La Mesa tatsächlich schließen werde, sollte der Gemeinderat dies aber wider Erwarten doch vorhaben, sei es eine verrückte Idee, die in einer Gesellschaft, in der Hunger herrscht, wie eine Bombe einschlagen würde.
„Wir glauben, dass die Stadtverwaltung sehr auf den Tourismus konzentriert ist und deshalb behauptet, La Mesa schade dem Image. Mich interessiert Politik nicht. Wenn die Sozialisten in Puerto de la Cruz regieren, warum helfen sie uns dann nicht, den Hunger zu bekämpfen, den sie selbst durch die Ausstellung der Bezugsscheine eingestehen? Andere Parteien haben uns Hilfe angeboten, wie soll ich die zurückweisen? Mir ist es egal ob sie rot, gelb oder grün sind. La Mesa braucht Hilfe. Ich würde mich freuen, wenn wir gemeinsam für das Wohl der bedürftigen Menschen in Puerto de la Cruz arbeiten könnten“, sagte Lüttgenau El Día.
Vorbild „Tafel“
La Mesa begann im September 2008 damit, Bedürftige in Puerto de la Cruz mit Lebensmitteln zu versorgen. Der Gedanke von „La Mesa“ ist nach dem Konzept der „Tafeln“ in Deutschland mit dem Leitspruch „Jeder gibt, was er kann“ zu beschreiben. Supermärkte, Bäckereien, Wasserlieferanten, Milchproduktehersteller, etc. beliefern den ehrenamtlich arbeitenden Verein mit Waren, die zwar einwandfrei sind, aber im Wirtschaftsprozess nicht mehr verwendet werden können. Über das Lager von „La Mesa“ werden die Nahrungsmittel an Bedürftige weitergegeben. Arbeitslose, Rentner, Kinder aus ärmsten Verhältnissen, die ihre finanzielle Notlage durch einen Ausweis des Sozialamtes belegen können, erhalten die Möglicheit bei „La Mesa“ für nur 1 Euro Lebensmittel einzukaufen.
Bei Cabildo-Präsident Ricardo Melchior und auch bei der Kanarischen Regierung stieß das Projekt direkt auf offene Ohren. Über eine finanzielle Unterstützung des Vereins vonseiten der Stadt Puerto wurde lange verhandelt. Nach den jüngsten Ereignissen ist damit wohl nicht mehr zu rechnen.
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