Gedanken für mich – Augenblicke für Gott
Wenn Sie diese Ausgabe des Wochenblatts in Händen halten, dann fiebern Sie wahrscheinlich dem Start der XVIII. Fußball-Weltmeisterschaft genauso entgegen wie Millionen, ja vielleicht sogar Milliarden von Menschen rund um den ganzen Globus. Wohl keine andere Sportart begeistert so viele Menschen und wohl keine andere Veranstaltung zieht so viele Fans und Zuschauer in ihren Bann wie eine Weltmeisterschaft.
Und wenn dann beides zusammenkommt – Fußball und WM – dann blicken eben in allen Ländern dieser Erde (selbst im Vatikan) die Augenpaare von Menschen ganz gebannt auf das, was da auf dem Bildschirm passiert. Ich glaube schon, dass wohl nur jene, die selbst im Stadion dabei sein können, noch ein stärkeres Fibrieren der Magenmuskeln vernehmen, als jene, die es eben „nur“ am Bildschirm verfolgen können.
Wem gilt nun unsere Sympathie? Ich glaube, ich wage mich nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass viele Fans jetzt wohl gerne Brasilianer wären. Die Fußballer von der Copacabana sind nicht nur Titelverteidiger, sondern – das muss man neidlos anerkennen – hervorragende Fußballer und deshalb erneut Top-Favorit. Sie spielen einen wunderschönen Fußball, was man von „Klinsis Kickern“ (trotz der guten Vorbereitung der letzten Wochen) nicht gerade behaupten kann. Deshalb bleibt ihnen wohl auch nur das Hoffen und das, was man bei den ballverliebten Südamerikanern auch häufig sieht – das Beten.
Beten – warum eigentlich nicht? Schließlich holte man mit einem WM-Pfarrer im Tross 1990 den Titel in Italien. Und die brasilianischen Ballkünstler sind für ihren Draht nach oben bekannt. Ob Kaka oder Ronaldo, Lucio oder Ronaldinho, sie alle bekreuzigen sich vor den Spielen, richten bei vergebenen Chancen fragend und ungläubig den Blick gen Himmel oder bekennen nach einem Tor schon mal per T-Shirt ihre Liebe zu Jesus. Ein Rezept also, das bei den deutschen Fans Hoffnung wecken kann. Denn – auch unser Bundestrainer schickt Fußballer auf den Rasen, die religiös durchaus was drauf haben.
Nehmen wir nur mal den religiösen Abwehrriegel mit Christoph Metzelder und Sebastian Kehl. Die beiden Dortmunder sind bekennende Katholiken und engagieren sich seit einigen Jahren in der Aktion „Roter Keil“. Diese Aktion ist ein Netzwerk gegen Kinderprostitution, die den „roten Keil“ in die kriminellen und menschenverachtenden Machenschaften der Pädophilen-Szene treiben und den schutzlosen Kindern eine Stimme und ein Zuhause geben will. „Ich bin ein gläubiger Mensch, habe dem lieben Gott viel zu verdanken in meinem bisherigen Leben und möchte gerne das eine oder andere zurückgeben“, begründet Kehl seine Unterstützung der Initiative.
Christoph Metzelder sieht das ähnlich. Für den 25-Jährigen spielen Glaube und Religion eine sehr große Rolle – auch wenn die Zeit für den Besuch des Gottesdienstes mitunter fehlt. „Ich versuche so oft wie möglich ihn mitzufeiern oder zumindest mal so in eine Kirche zu gehen, um wenigstens mal eine Kerze anzuzünden“, bekennt er gegenüber Journalisten in dem Buch „Play & Pray“. Klingt eigentlich wie eine Selbstverständlichkeit für den ehemaligen Ministranten, der sich in die DFB-Auswahl gespielt hat und sich dort diesbezüglich in guter Gesellschaft befindet. Denn auch Kehl und Miroslav Klose waren am Altar im Einsatz.
Der in Polen geborene Torjäger Klose wurde katholisch erzogen und vertraut bis heute auf seinen Glauben. Dabei ist er nicht der einzige deutsche Stürmer, der auf Beistand von oben hofft. Auch Lukas Podolski und Gerald Asamoah bekennen sich offen zu ihrem Glauben. Nach der Diagnose einer Herzwandverdickung vor einigen Jahren, begann sich der gebürtige Ghanaer Asamoah mit dem Glauben auseinander zu setzen und Gott um Hilfe zu bitten. Wie er in dem Buch „FußballGott“ verrät, setzt er seitdem sein Vertrauen ganz auf Gott und betet vor jedem Spiel – wohlgemerkt nicht zum vielbeschworenen Fußball-Gott, sondern zu dem Gott, den er jetzt als den Sinngeber seines Lebens erkannt hat und auf den er in allen Lagen des Lebens vertrauen kann – nicht nur in fußballerischen.
Sicherlich kann man zwar sagen, dass Fußball und Religion die gleichen Gefühle wecken können – nämlich Glaube, Hoffnung und Liebe. Aber – und das machen alle Spieler deutlich und das könnte auch allen Fans ein Ansporn zum Nachdenken sein: Einen Fußball-Gott gibt es nicht. Es gibt nur den Gott, der ein liebevolles Auge auf uns Menschen geworfen hat und der will, dass unser Leben gelingt. Wer das verstanden hat, der hat mehr gewonnen als eine WM – der hat das Leben gewonnen!
Ihr Bertram Bolz, Diakon
Kath. Touristen- und
Residentenseelsorger
Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.wochenblatt-kanaren.com
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