Gedanken für mich – Augenblicke für Gott
In diesen Tagen, wenn Papst Benedikt XVI. seine Heimat Bayern besucht, wird wohl wieder ein ähnliches „Feeling“ zu spüren sein wie im vergangenen Jahr beim Weltjugendtag in Köln. Allerdings will ich mit diesen Zeilen nicht den Heimatbesuch des Papstes ins Bewusstsein rufen, sondern daran erinnern, dass gleichfalls in diesen Tagen – am 04.09.2000 – ein Papst selig gesprochen wurde, der als „il Papa buono“ in die Analen der Geschichtsschreibung einging: Johannes XXIII.
Viele Traditionen und Gepflogenheiten hat der „gute Papst“ in Frage gestellt; so z.B. die Tatsache, dass die Kuppel von St. Peter immer für die Dauer des päpstlichen Spaziergangs in den vatikanischen Gärten geschlossen blieb. Man hatte Angst vor allzu neugierigen Blicken – nur: Johannes XXIII. hat sie nicht gescheut. Er beruhigte die ängstlichen Prälaten mit den Worten: „Ich verspreche ihnen, dass ich nichts Unschickliches anziehen oder gar anstellen werde.“ Konnte er auch nicht. Denn neben der Erholung, die er in diesen Gärten fand, fasste er hier auch die Grundsatzentscheidungen, mit denen er die Kirche reformieren und erneuern wollte – u.a. die Entscheidung dazu, ein neues Konzil einzuberufen. Sein Zauberwort dazu hieß: „Aggiornamento“ und es meint: Die alten Wahrheiten der Kirche so zu übersetzen und verständlich zu machen, dass sie auch heute verstanden werden können. Mit diesem II. Vatikanischen Konzil hat der Roncalli-Papst die Türen der Kirche weit aufgemacht und dann den Schlüssel so gut versteckt, dass sie seither niemand mehr zuknallen konnte – auch wenn verschiedene Strömungen in der Kirche dies immer wieder versucht haben und auch weiterhin versuchen werden. Der neue und frische Geist in der Kirche bleibt mit seinem Namen verbunden und er wird sich gegen Rückschritte zu wehren wissen.
Mit Johannes XXIII. wurde vor 6 Jahren ein weiterer Papst selig gesprochen, dessen Seligsprechung vielen Katholiken nicht unbedingt einleuchtete oder für richtig empfunden wurde. Es handelt sich um Papst Pius IX., den viele lieber verschweigen würden. Gut – ich finde es eh schwierig und fragwürdig, wenn Päpste andere Päpste selig sprechen. Aber Kirchenpolitik hin oder her, Selige und Heilige sind für mich Herausforderungen und Vorbilder. Sie sind wichtig für mich – als Ansporn für die heutige Zeit und als Herausforderung für mein Christ-Sein. Aber einen Seligen, der als letzter Souverän des Kirchenstaates noch Todesurteile vollstrecken ließ, einen solchen Seligen kann ich nicht auf dieselbe Stufe stellen wie einen Johannes XXIII. Tut mir leid! Nur ich muss diesen Papst ja auch nicht verehren – das verlangt niemand von mir.
Ich frage mich, was die beiden wohl selbst zu dieser Ehre sagen würden, die ihnen da in der Jahrtausendwende zuteil wurde. Jetzt, aus der himmlisch erlösten Perspektive, da würden sich die beiden sogar vielleicht nur wundern. Pius, weil er heute bestimmt manches anders sehen würde als damals: Seinen Antisemitismus, sein Machtbewusstsein, seinen Versuch, die verlorene weltliche Macht durch eine geistliche zu ersetzen – Stichwort Unfehlbarkeitsdogma, an dem wir bis heute zu knabbern haben und das die ökumenischen Bemühungen oft so schwer macht. Und Johannes? Der wäre sicherlich auf seine schlichte Art eh überrascht über eine solche Ehrung. „Angelo“, wie er mit Taufnamen hieß, „nimm Dich nicht so wichtig“, das hat er selbst immer wieder zu sich gesagt. Wahrscheinlich wusste er auch warum. Denn so ohne war auch er nicht; er wusste sehr wohl, was er wollte. Aber ein Festungskommandant wie Pius war er nicht. Beide Päpste sind doch zu unterschiedlich und symbolisieren je verschiedene Richtungen und Strömungen in der Kirche.
Mir persönlich wäre es lieber gewesen, man hätte damals Papst Johannes XXIII. bei der Seligsprechung allein in den Mittelpunkt gestellt. Denn das Volk hatte ihn ja schon längst heilig gesprochen – wie übrigens auch seinen Nachfolger, der sich auf seinen Namen berief: Johannes Paul II. Ob es nur Zufall war, was sich unter St. Peter ereignet hat? Durch die Seligsprechung Johannes XXIII. wurde nämlich dessen Leichnam in den Petersdom überführt, während der, der ihn selig gesprochen hat, 5 Jahre später in dessen freigewordenem Grab beigesetzt wurde.
Vielleicht ist für Sie in diesen Zeilen deutlich geworden, was mich wirklich an Heiligen und Seligen fasziniert. Dass sie nämlich auf ganz einfache Weise, schnörkellos und ohne Formeln von Gott erzählen und man ihnen anmerkt, wie sehr sie in und aus Gott leben. Darin sind sie aber für uns alle – gleichgültig ob Papst oder Christ – Herausforderungen, gleichfalls unser Leben in Gott verankert zu wissen, von seiner Liebe zu erzählen und seine göttliche Toleranz heute sichtbar und spürbar werden zu lassen.
Bertram Bolz, Diakon
Kath. Touristen- und
Residentenseelsorger
Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.wochenblatt.es
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