Gedanken für mich – Augenblicke für Gott
Nicht erst seit mit Franziskus ein Jesuit Papst geworden ist, kursieren über diese Ordensgemeinschaft ganz unterschiedliche Witze durch die Kirche oder auch die Ordensgemeinschaften selbst.
Die Jesuiten, die auf den Ordensgründer Ignatius von Loyola zurückgehen und der größte Männerorden weltweit sind, nennen sich „Societas Jesu“ (deshalb auch das Kürzel SJ hinter dem Ordensnamen), was übersetzt „Gesellschaft Jesu“ heißt. Da sie sich in ihrem Ordensleben von anderen Gemeinschaften doch erheblich unterscheiden – sie tragen kein einheitliches Ordensgewand, kennen kein gemeinsames Chorgebet, zeichnen sich durch eine besondere Papsttreue aus und unterhalten weltweit über 240 Universitäten und Hochschulen – wird auch immer wieder gern über sie gewitzelt. Einer dieser Witze geht so:
Ein Jesuit wettet mit einem Kapuziner, dass er unmöglich eine Stegreifpredigt halten könne, bei der er erst auf der Kanzel den Zettel mit dem entsprechenden Thema bekäme. Der Kapuziner sagt: „Für mich kein Problem!“ Am Sonntag steigt der Kapuziner also auf die Kanzel, öffnet den Umschlag, der auf der Kanzel liegt und liest: „Predigt heute – über die ersten Gedanken des neugeborenen Jesuskindes, als es in der Krippe lag.“ Der Kapuziner beginnt: „Liebe Schwestern und Brüder, was meint Ihr wohl, waren die ersten Gedanken des Jesuskindes, als es neugeboren in der Krippe lag?“ Gebannte Stille in der Kirche. Unten saß der Jesuit und lachte in sich hinein. Doch der Kapuziner war nicht auf den Mund gefallen und sagte: „Das Jesulein öffnete seine Augen und sah Ochs und Esel an der Krippe stehen. Dann dachte es: Das also ist die Gesellschaft Jesu.“
Genau um diese Gesellschaft Jesu, um Ochs und Esel, um Schaf und Kamel, drehen sich heute meine Gedanken in diesem Artikel, den ich Ihnen zu Weihnachten hier schreibe. Bleibt doch die Frage: Was dachte denn diese Gesellschaft Jesu, als sie das neugeborene Jesuskind da in der Krippe liegen sah?
Der Esel steht da und denkt: Ja, da liegst Du nun, Du kleiner Erdenbürger, und lachst und hast auch wahrlich gut lachen. Mir aber tut immer noch mein alter Rücken weh, denn immerhin habe ich Dich
mitsamt Deiner Mutter den weiten Weg von Nazareth bis hierher nach Bethlehem geschleppt. Schwer war das, sehr schwer. IA. Und zu allem Überfluss liegst Du jetzt auch noch in meinem Abendbrot, und ich hab nix zum Fressen. Aber was soll’s: Immerhin lässt mich Dein Lachen auch ein klein wenig lachen und froh sein. Alles andere vergesse ich jetzt ganz schnell und bin einfach nur dankbar, dass ich hier zu Deiner Gesellschaft gehöre.
Der Ochs steht da und denkt: Ja, da liegst Du nun, Du kleiner Erdenbürger, und lachst und hast auch wahrlich gut lachen. Aber mich? Mich lachen sie aus, weil ich ein alter langsamer Ochse geworden bin, noch viel langsamer als der alte Esel da. Aber weißt Du was? Wenn der Karren mal wieder ganz tief im Dreck steckt, wenn vor lauter Dreck und Schlamm nichts mehr vor oder zurückgeht, dann bin ich der Einzige, der das schafft, diesen wieder herauszuziehen. Aber was erzähl ich da groß. Du weißt es ja. Und für Dich, Du kleines Jesuskind, will ich das auch gerne weiterhin tun. Denn in meiner Ruhe und Langsamkeit da liegt die Kraft. Jetzt aber freue ich mich, dass Du da bist und mich anlächelst und nicht auslachst und dass ich jetzt zur Gesellschaft Jesu gehören darf.
Das Kamel liegt da und denkt: Ja, da liegst Du nun, Du kleiner Erdenbürger, und lachst und hast auch wahrlich gut lachen. Bei mir ist das anders: Hierzulande gelten wir Kamele ja als blöd – „blöd wie ein Kamel“. Bei mir zu Hause sind wir aber die stolzen, die schönen und weisen Tiere, die sogar die Wüste durchschreiten können, weil sie vorwärts denken und sich einen Wasservorrat anlegen. Und, mein liebes Jesuskind, wie Du weißt, bin ich der erste und bedeutendste Fundraiser und Geldbeschaffer der Gesellschaft Jesu, denn ich hab‘ Dir die Könige mit Gold und Weihrauch und Myrrhe herbeigeschleppt. Jetzt aber ist es so schön, hier einfach nur zu liegen und Dich und Dein Lächeln anzuschauen. Und wenn Du so lächelst, dann kann auch ich nicht anders als lächeln.
Und das Schaf steht da und staunt. Ja, da liegst Du nun, Du kleiner Erdenbürger, und lachst und hast auch wahrlich gut lachen. Aber ich gelte als blödes Schaf, als Herdentier und Opferlamm, das sein Fell zu Markte tragen muss. Und ich habe nichts, wessen ich mich rühmen kann wie diese anderen Mitglieder der Gesellschaft Jesu um dich herum. Aber was ich kann und was ich tu, das ist staunen und schauen, als sähe ich alles zum ersten Mal. So wie Du jetzt alles zum ersten Mal siehst und staunst. Und so gehören wir zusammen.
Und wie der so berühmte Thomas von Aquin, der so gelehrt war und der wichtigste Theologe des Mittelalters, denke auch ich, dass es das sein wird, was am Ende bleibt, dass wir staunen und bewundern, schauen und strahlen, wie klein, zart und winzig, wie herrlich, groß und stark Gott doch ist. Und wie froh bin ich, dass ich ein Schaf in deiner Gesellschaft sein darf. Mäh!
Verehrte Leserinnen und Leser, von Herzen wünsche ich Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest und dass auch Sie schauen und staunen, strahlen und leuchten von diesem Licht, das von dem kleinen Kind ausgeht und das Sie wohlbehalten durch das kommende Jahr 2015 geleiten soll.
Herzlichst, Ihr
Bertram Bolz, Diakon
Kath. Touristen- und
Residentenseelsorger
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