Die Geisterstadt von Abades

Besonders eindrucksvoll ist die Kirche. Viel mehr als diese Ruine gab es allerdings nie, denn die Stadt und ihre Gebäude wurden niemals fertiggesellt. Foto: PIXABAY

Besonders eindrucksvoll ist die Kirche. Viel mehr als diese Ruine gab es allerdings nie, denn die Stadt und ihre Gebäude wurden niemals fertiggesellt. Foto: PIXABAY

An der Küste von Arico ist einst eine Stadt für Leprakranke gebaut worden, die jedoch nie bewohnt wurde

Teneriffa – Unvergessen werden die vergangenen Pandemie-Monate wohl in die Geschichte und in die Erinnerung der Menschen eingehen. Dabei sind die großen Krankengeschichten auch in der Vergangenheit nicht spurlos am kanarischen Archipel vorübergegangen.
Eine Krankheit hat Mitte des letzten Jahrhunderts die Canarios das Fürchten gelehrt – die Lepra. Eigentlich wird dieseKrankheit eher mit dem afrikanischen Kontinent in Verbindung gebracht. Aber auch auf den Kanaren, den unmittelbaren Nachbarn, gab es nicht nur vereinzelte Fälle. Über 500 Leprakranke wurden in der Westprovinz Teneriffas noch 1971 diagnostiziert. Damals die höchste Dichte von Lepra-Erkrankten pro Einwohner spanienweit. Die Krankheit wurde von den Bürgern als eine Art Strafe Gottes angesehen. Damit wurden die Betroffenen als Menschen stigmatisiert, die „es wohl schon irgendwie verdient haben“. Seit 1989 hat es nur noch drei Fälle gegeben.
Die Krankheit wird mit Not und mangelnder Hygiene in Zusammenhang gebracht. Nur sehr selten tritt sie in entwickelten Ländern auf. Sie wird ausgelöst durch das Mikrobakterium Hansen, das Veränderungen an Haut, Knochen, Schleimhäuten und am Nervengewebe bewirkt. Die Erkrankten verlieren ihre Sensibilität und das Gefühl für Hitze oder Kälte. Auf die Kanaren wurde die Krankheit vermutlich durch afrikanische Einwanderer eingeschleppt, die auf den Zuckerrohrplantagen arbeiteten.
Die Aussätzigen, wie die Kranken landläufig genannt wurden, waren von der Gesellschaft ausgeschlossen. Aus diesem Grund wurde 1943 das Projekt einer Stadt für die Leprakranken vor den Toren von Arico ins Leben gerufen, heute als „Leprosario“ oder die Geisterstadt von Abades bekannt. Die verlassenen Ruinen – insgesamt 34 Gebäude – liegen nur wenige Meter von den neuen Wohngebieten entfernt beim Strand von Abades.

Bekannter Architekt
Die ursprünglichen Pläne, die aber nicht exakt umgesetzt wurden, sahen verschiedene Wohnbereiche für Gesunde und Kranke vor. Der Bereich für die Patienten sollte mit Speisesälen, sanitären Anlagen, einer Schule und einem Krankenhaus ausgestattet werden. Zu diesem Bereich gehörte auch die Kirche, das eindrucksvollste Gebäude, das noch heute von weit her sichtbar ist. Entworfen wurde die Kirche von dem Architekten José Enrique Marrero Regalado aus Granadilla de Abona (1897-1956), der unter anderem auch das Gebäude der Inselregierung (Cabildo) in Santa Cruz, die Markthalle Nuestra Señora de África, die Casa Cuna und das Kino Cine Víctor in Santa Cruz sowie die Basílica de Nuestra Señora de la Candelaria schuf.
Hinter den Fassaden der Leprastadt steht nicht viel. Sie wurde nie fertiggestellt und bezogen. Der Zustand der Fertigstellung der Gebäude ist unterschiedlich.
Infolge der ersten wirksamen Behandlungen von Lepra in den 40er-Jahren und der Erkenntnis, dass die Kranken zu Hause besser aufgehoben waren, geriet der Bau ins Stocken und wurde schließlich eingestellt.
Seither ist die Lepra-Stadt dem Verfall preisgegeben und hat sich in eine Geisterstadt verwandelt. Zeitweise diente das Gelände dem Militär als Übungsplatz für Schießtraining. Nach der Jahrtausendwende verkaufte das Verteidigungsministerium das fast 900.000 Quadratmeter große Territorium an den italienischen Investor Alberto Giacomini zum Preis von 17 Millionen Euro. Die Idee einer Hotelanlage mit einem Golfplatz und fast 3.000 Betten wurde durch den Baustopp für Tourismusprojekte zunächst auf Eis gelegt. In einer modifizierten, als besonders nachhaltig gepriesenen Form und ohne Golfplatz wurde sie Anfang dieses Jahres von seinen Enkeln wieder aufgegriffen und zu neuem Leben erweckt. Ob das ehrgeizige Projekt je umgesetzt werden wird, ist fraglich.
Im Laufe der Jahre fanden auf dem Gelände der „Leprosería“ Auto-Rallyes, Paintball-Veranstaltungen und Rave-Parties statt, erzählt der Geograf und Geschichtsforscher Melchor Padilla in einem Bericht. 2008 wurden in der Geisterstadt Szenen für eine spanische Fernsehserie gedreht, „Plan América“, die von den Erlebnissen einer Gruppe von Mitgliedern einer Hilfsorganisation in einem Krankenhaus in einem imaginären südamerikanischen Land erzählt.

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