Der Wiederentdecker Lanzarotes


© Fundación César Manrique

Zwanzig Jahre sind seit dem Tod des genialen César Manrique vergangen, dessen Werke bis heute Lanzarote und viele Orte auf den Kanaren prägen

Am 25. September jährte sich der Todestag César Manriques zum 20. Mal. Ein Verkehrsunfall setzte dem Leben des Künstlers aus Lanzarote auf dem Höhepunkt seines Schaffens ein jähes Ende. Im Alter von 73 Jahren erlosch seine außergewöhnliche Kreativität in Malerei, Bildhauerei und Architektur und sein leidenschaftlicher Einsatz für den Erhalt der Natur auf den Kanaren und im Besonderen auf Lanzarote. Tausende strömten damals zu seinem Begräbnis, bekundeten ihre Betroffenheit und Anteilnahme. Auf Lanzarote wurden drei Trauertage angeordnet.

Zwanzig Jahre später wurde des tragischen Todes des begnadeten Künstlers eher still gedacht. Die Kunststiftung, die seinen Namen trägt und in seinem Todesjahr gegründet wurde, ließ anlässlich des Gedenktages ein Windspiel in den Gärten seines Wohnhauses, das heute Sitz der Stiftung und Museum ist, aufstellen. Das von Manrique in den 70er Jahren entworfene Mobile kehrte so an seinen ursprünglichen Standort zurück, von dem es 1998 entfernt worden war, um es zu restaurieren.

Der zwanzigste Todestag des Künstlers war auch Anlass für die Vorpremiere eines Dokumentarfilms über César Manrique. Der Film „Taro. El Eco de Manrique“ (*) des spanischen Regisseurs Miguel García Morales hebt Manrique in seiner Facette als Umweltaktivist und passionierter Liebhaber der Natur Lanzarotes hervor. Hierfür wurde umfangreiches Archivmaterial verarbeitet.

„Es gibt ein Phänomen, das wir verpflichtet sind, zu verbreiten, nämlich ganz einfach SEHEN lernen“, sagte einst Manrique und meinte damit die Fähigkeit, die Schönheit der Natur in all ihrer Diversität zu erkennen. Er wehrte sich Zeit seines Lebens gegen die Behauptung, Lanzarote sei wegen seiner kargen Vulkanlandschaft hässlich. Er sah die Schönheit der Insel in jedem einzelnen Lavastein und empfand Lanzarote nicht als Insel, sondern vielmehr als Kunstwerk. Durch sein beständiges Bestreben, die Reize der Landschaft durch eine an sie angepasste Architektur hervorzuheben, setzte er neue Maßstäbe und schuf eine Art ungeschriebenes Baugesetz.

Der Film „Taro. El Eco de Manrique“ wird am 11. Oktober um 20.00 Uhr im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Otoño Cultural“ bei CajaCanarias in Santa Cruz aufgeführt (Espacio Cultural CajaCanarias, Plaza del Patriotismo 1, Santa Cruz de Tenerife). Eintritt frei, begrenzte Platzzahl.

Das Vermächtnis eines passionierten Umweltschützers

César Manrique, dieser Name steht für eine seinerzeit bahnbrechende Form der Architektur. Manrique vertrat als erster die Meinung, dass „Architektur als Symbiose zwischen menschlichem Schaffen und der Natur verstanden werden muss“, und setzte diese Vorstellung auch konsequent in seinem berühmten Lavablasen-Haus in Tahiche um, das heute als Museum zu besichtigen ist. Architekten aus aller Welt, die an einem Kongress auf Lanzarote teilnahmen, bestaunten diese völlig neue Art der Architektur, die in Fachzeitschriften eingehend besprochen wurde. Damals ging der Name Manrique erstmals um die Welt. Kein Wunder, dass daraus das große Missverständnis entstand und César immer wieder hartnäckig als Architekt bezeichnet wurde. César Manrique war Künstler, kein Architekt im eigentlichen Sinne – wohl aber ein großartiger Landschaftsarchitekt, was er auf Lanzarote vielerorts – zum Beispiel am Aussichtspunkt „Mirador del Río“ – und auch bei Großprojekten auf anderen Inseln, wie der Meeresschwimmbadanlage und dem Strand Playa Jardín in Puerto de la Cruz auf Teneriffa, unter Beweis gestellt hat.

Die erstaunliche Vielseitigkeit dieses Künstlers, hervorgerufen durch seine innere Unruhe, die Neugier auf das Unbekannte, das Streben nach neuen Ufern, kommt wohl in einem Satz zum Ausdruck, den Manrique seinerzeit in einem Interview mit dem Wochenblatt (damals noch Wochenspiegel) sagte: „Ein Künstler kann Designer sein, Architektur oder Gartenbau machen, einen Schuh oder sonst etwas entwerfen oder auch in Film oder Fotografie tätig sein. Ein Künstler muss ein Schöpfer sein, der sich nicht darauf beschränkt, bis zu seinem Tode Bilder zu malen. Das erscheint mir lächerlich und armselig.“

Manrique tat sich in den letzten Jahren vor seinem Tod nicht nur als Künstler, sondern auch als vehementer Umweltschützer hervor. Schonungslos prangerte er die Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre wahnsinnige Bautätigkeit auf den Kanarischen Inseln an: „Wir zerstören nicht nur die Inseln, wir verlieren dabei unsere Identität!“

César Manrique war schon immer kompromisslos in seinen Ansichten über die Bauten, die seit den 60er Jahren auf den Inseln entstanden. Als er einmal Anfang der 70er Jahre nach Puerto de la Cruz kam, weil die Stadtverwaltung seine Meinung zum Stadtbild hören wollte, bekamen die Journalisten, die bei dem Rundgang dabei waren, immer wieder dasselbe Wort zu hören: „Sprengen!“ Angefangen beim Bel Air bis hin zum Gebäude der Banco Exterior an der Plaza del Charco (in dem heute der Supermarkt Opencor Exprés untergebracht ist) schockierte die architektonische Gestaltung der Stadt den Künstler.

Die Inseln zu schützen, vor dem Bauboom zu bewahren, war sein ganz großes Anliegen, als er einen radikalen Baustopp forderte. Es ging ihm nicht darum, dass überhaupt nicht mehr gebaut wird, sondern darum, „richtig“ zu bauen. Nicht gegen die Natur zu bauen und sie zu zerstören, sondern die Schönheit der Umwelt zu erhalten und die Architektur harmonisch in die Landschaft einzufügen.

In seiner letzten Rede, die er für den Welttourismustag am 27. September 1992 verfasste und die erst nach seinem tragischen Tod verlesen wurde, appellierte er an die Öffentlichkeit, „gegen die Vernichtungswut der Spekulanten und die Verschandelung der Landschaft zu kämpfen“. Angesichts der ungebremsten Bauwut, die sich bis Ende der 90er Jahre trotz seiner eindringlichen Warnung fortsetzte, mag sich César Manrique im Grabe umgedreht haben.

Spuren auf Lanzarote und auch anderswo

César Manriques Kreativität hat zahlreiche Spuren auf den Kanarischen Inseln, insbesondere auf Lanzarote, hinterlassen. Sein zeitloses Werk ist zwanzig Jahre nach seinem Tod lebendiger denn je.

Zu seinen berühmtesten architektonischen Werken auf Lanzarote zählen der „Mirador del Río“, ein 1973 vollendeter Aussichtspunkt mit Blick auf La Graciosa, die „Casa del Campesino“, ein Bauernhaus im inseltypischen Stil, sein eigenes Wohnhaus „Taro de Tahiche“, in das er fünf Lavablasen als Wohnräume integrierte, die Anlagen „La Cueva de los Verdes“ und „Los Jameos del Agua“ mit einem Konzertsaal und einer Lagune in einer Lavagrotte, der Kakteengarten „Jardín de Cáctus“ und die Gärten und Schwimmbadanlage des Hotels „Las Salinas“ an der Costa Teguise, um nur einige zu nennen.

Auf El Hierro gestaltete er den Aussichtspunkt „Mirador de la Peña“, auf La Gomera den „Mirador de El Palmarejo“ und auf Teneriffa die Meeresschwimmbadanlage Martiánez in Puerto de la Cruz. Kurz vor seinem Tod brachte er seine Vorstellungen für die Meeresschwimmbadanlage „Parque Marítimo“ in Santa Cruz zu Papier, sodass dieses nach seinen Plänen gebaut wurde. Auch der Strand Playa Jardín in Puerto de la Cruz trägt Manriques Handschrift.

An vielen Orten erinnern auch die unverwechselbaren Windspiele – „Juguetes de viento“ – an César Manrique.

„Manrique ist ein Stern, der im eigenen Lichterstrahlt“

Ein Kunstkritiker schrieb einst: „Manrique ist ein Stern, der im eigenen Licht erstrahlt“. Seit zwanzig Jahren ruht Manrique auf dem Friedhof von Haría in der Vulkanasche seiner geliebten Heimatinsel Lanzarote. Sein Stern leuchtet weiter in jedem Einzelnen seiner Werke, die er auf den Kanaren hinterlassen hat. Berühmten Menschen werden nach ihrem Tod Denkmäler errichtet. César Manrique hat sich seines bereits zu Lebzeiten selbst geschaffen.

(*) Taro bezeichnet auf Lanzarote aus aufeinandergeschichteten Steinen bestehendes Mauerwerk, das ohne Zement zusammenhält.

Leben

César Manrique wurde am 24. April 1919 in Arrecife geboren. Schon sehr früh zeigte sich sein Zeichentalent und seine Bewunderung für Künstler wie Picasso, Matisse und Braque. Seine Kindheit verbrachte er an der Küste von Arrecife.

1936 zog er freiwillig in den Spanischen Bürgerkrieg und kämpfte auf der Seite General Francisco Francos in Ceuta und später an verschiedenen Fronten auf dem Festland. Über seine Kriegserlebnisse wollte Manrique nie sprechen und soll, als er 1939 nach Hause zurückkehrte, seine Uniform ausgezogen, wütend mit Füßen getreten und angezündet haben.

Nach Kriegsende begann er an der Universität La Laguna auf Teneriffa ein Bauingenieur-Studium, das er jedoch nach zwei Jahren abbrach, um nach Madrid umzuziehen und dort dank eines Stipendiums die Akademie der Schönen Künste zu besuchen. 1945 schloss er sein Studium mit dem Meistertitel für Zeichnen und Malen ab, und 1951 arbeitete er erstmals mit einem Architektenteam zusammen.

Seine erste Einzelausstellung hatte er bereits 1942 in seiner Heimatstadt Arrecife.

1964 siedelte er nach New York über, eine Zeit, die seine künstlerische Laufbahn wesentlich beeinflusste.

Vier Jahre später kehrte er definitiv auf die Kanarischen Inseln, nach Lanzarote, zurück und widmete sich intensiv dem Umweltschutz.  Ab 1973 begann seine Zusammenarbeit mit dem Architekten Fernando Higueras. Gemeinsam führten sie diverse Projekte durch – angefangen beim Mirador del Río.  

In den 70er und 80er Jahren zeichnete er sich durch die Schaffung von harmonisch in die Natur integrierten Lebensräumen aus. Er war auch an zahlreichen Projekten auf anderen kanarischen Inseln und auf dem spanischen Festland beteiligt – wie dem Centro Comercial La Vaguada in Madrid (1983).

1978 wurde er in Berlin mit dem Weltpreis für Ökologie und Tourismus ausgezeichnet. Im gleichen Jahr wurde ihm von König Juan Carlos das Große Verdienstkreuz für sein Engagement im Umweltschutz verliehen. 1980 erhielt er vom König die Goldmedaille der Schönen Künste.

César Manrique starb am 25. September 1992 bei einem Verkehrsunfall in der Nähe seines Wohnhauses in Haría.

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