Hilfe zur Selbsthilfe
Es klingt wie ein Märchen, und doch hat es sich vor wenigen Wochen in der Stadt Manresa in Katalonien so zugetragen. Ein Mann und eine Frau, plötzlich und unerwartet in Armut gefallen, sie ist schwanger und muss ihr Kind in einem Obdachlosenheim zur Welt bringen.
Barcelona – Ein Unternehmer erfährt aus der Zeitung von ihrer Geschichte, überlässt ihnen ein leerstehendes Haus mit einem kleinen Bäckerladen darin, in einem bescheidenen Stadtteil von Manresa und hilft ihnen, das kleine Geschäft in Gang zu bringen. Er selbst will ungenannt bleiben.
Ein gutes dreiviertel Jahr zuvor hatten die beiden noch Arbeit. Der 46-jährige Jordi Cabau war im darniederliegenden Bauwesen tätig, seine Partnerin Raquel Pérez arbeitete im Restaurant einer Ski-Station in Andorra. Bis dahin hatten beide die Krise für sich persönlich gut gemeistert. Flexibel, engagiert und zu Zugeständnissen bereit, wie es heute gern von Arbeitsuchenden gefordert wird, arbeitete Jordi als Kleinstselbstständiger statt im Angestelltenverhältnis, und Raquel fuhr zur Arbeit in das kleine benachbarte Fürstentum. Doch gerade als für sie der Saisonvertrag auslief, gab es auch für Jordi keine Anschlussaufträge mehr. Gleichzeitig erfuhren sie, dass Raquel ein Kind erwartete. Anspruch auf Sozialleistungen hatten beide nicht; er, weil er als Selbstständiger kein Arbeitslosengeld bekommt, sie, weil in Andorra Sozialleistungen nur für Andorraner und Residenten vorgesehen sind.
So standen sie, herausgefallen aus dem sowieso schon grobmaschigen sozialen Netz, plötzlich vor dem Nichts. Zunächst zogen sie zu Raquels Vater nach Sant Vicenç de Castellet. Doch dort konnten sie nur vier Monate lang bleiben. Mit der Minimalrente des Vaters von 426 Euro waren die nunmehr fünf Haushaltsmitglieder nicht zu ernähren. Jordi musste seine Gitarren eine nach der anderen verkaufen, damit sie etwas zu essen hatten. Beim Sozialdienst gab es keine Hilfe, nur nutzlose Spartipps – man solle, wenn das Baby da sei, auf Stoffwindeln zurückgreifen.
Währenddessen wuchs das Kind in Raquel heran, und die angespannte Situation führte zu Komplikationen. Die 31-Jährige wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Ein versteckter Segen, denn von Krankenhausmitarbeitern erfuhren sie von den Heimen der Stiftung Rosa Oriol. Dort konnten sie zunächst unterkommen, und dort brachte Raquel auch ihr Baby, den kleinen Asier, zur Welt.
Dann nahm das Wunder seinen Lauf. Eine Zeitung berichtete von ihrer Geschichte. Ein Unternehmer fühlte sich berührt von diesem Schicksal und entschloss sich, den beiden das leerstehende alte Geschäftshaus mit dem stillgelegten Bäckerladen Santa Clara zur Verfügung zu stellen. Er bezahlte ihnen auch den ersten Warenbestand, der von den Lieferanten durch seine Vermittlung teilweise sogar geschenkt oder zu vergünstigten Preisen überlassen wurde.
Die Bäckerei liegt in einem Viertel, dessen Anwohner, unter ihnen viele Immigranten, ebenfalls schwere Zeiten erleben. Deshalb haben sich Raquel und Jordi entschlossen, ihre Waren, Brot und Grundnahrungsmittel, zu günstigen Preisen anzubieten. Sie wollen nicht reich werden, sondern einfach wieder arbeiten und in Ruhe leben. Sie sind froh, nun das Schlimmste überstanden zu haben und wieder Pläne machen zu können. Sie möchten etwas sparen und die kleine Wohnung hinter dem Bäckerladen nach und nach herrichten. Bescheidene Wünsche, die nun in Erfüllung gehen, dank eines Mannes, der seine Habe lieber unentgeltlich Menschen in Not überlässt, als sie ungenutzt zu lassen, wie es dieser Tage so oft zu beobachten ist. Eines Mannes, der bescheiden im Hintergrund bleibt, während er einem Kind und seinen Eltern eine Zukunft bereitet, in der sie sich selbst helfen können.[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]