Sánchez bittet Rajoy, keine neuen Gesetze zu verabschieden


Bei einem gemeinsamen Mittagessen im Moncloa-Palast

Das gemeinsame Mittagessen, zu welchem Präsident Rajoy den Sozialistenchef Pedro Sánchez in den Moncloa-Palast eingeladen hatte, scheint für den Regierungschef besonders schwer verdaulich zu sein. Bevor Sánchez zu dem Essen erschien, hatte er noch öffentlich einen Politikwechsel von der Regierung verlangt. Diese Forderung kam im Umfeld des Präsidenten nicht besonders gut an.

Während des Essens soll der Oppositionsführer den Regierungschef persönlich aufgefordert haben, keine weiteren Gesetze in das Parlament und den Senat einzubringen, sondern die Legislaturperiode für beendet zu betrachten. Er werde diese auf jeden Fall wieder rückgängig machen, wenn er die Parlamentswahlen gewinnen sollte. 

Aus Kreisen der Sozialisten wurde diese Interpretation des Gesprächs dementiert. Sánchez habe lediglich darum gebeten, drei legale Wechsel in den Projekten  vorzunehmen und nicht mit der Änderung des Abtreibungsgesetzes fortzufahren.

Weder aus Kreisen der Regierung noch von der Partei waren Informationen darüber zu erhalten, wie das Essen der beiden Politiker verlaufen war. Es wurde lediglich die Tatsache bestätigt, dass das Treffen stattgefunden hat. Offenbar verlief es nicht wunschgemäß. „Es lief sehr schlecht, vor allem entsprach es nicht den Erwartungen Rajoys“, verlautete aus der Umgebung des Präsidenten.

So erschien einen Tag später ein Kommentar von José Luis Ayllón, Staatssekretär für Parlamentsangelegenheiten in der Zeitung „La Razón“, der das Verhalten von Sánchez als politische Unverschämtheit bezeichnete. Bei einer Pressekonferenz im Moncloa-Palast erklärte Ayllón vor Journalisten, der Besuch von Sánchez im Regierungssitz sei politisches Marionettentheater gewesen. Bevor er sich zu dem Essen mit dem Präsidenten begab, habe er eine Pressekonferenz einberufen und Änderungen in der Politik der Regierung verlangt. Doch nach seiner Meinung sei es nicht das Schlimmste gewesen, einen Politikwechsel zu verlangen, sondern die Medien eingeladen zu haben, um das Essen „vorzubereiten“, zu dem er sich am selben Abend mit dem Chef von Podemos, Pablo Iglesias, verabredet hatte. „Er kam zu dem Treffen mit Rajoy, um Punkte für das Treffen mit Iglesias zu sammeln“, monierte Ayllón.

Noch am selben Abend setzte die Regierung ihre Batterie von politischen Sprechern gegen den „Radikalismus und Sektarismus“ von Sánchez in Aktion. So brachte es Soraya Sáenz de Santamaría, Vizepräsidentin und Regierungssprecherin nach der Ministerratssitzung zum Ausdruck. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Regierungschef Marokkos, Abdelilah Benkirán, blies Präsident Rajoy in das gleiche Horn.

Den Sozialisten wird vorgeworfen, dass sie ihr zentralisiertes und moderates politisches Verhalten aufgegeben haben, um mit den neuen linksradikalen politischen Gruppen zu paktieren. So bezeichnen die Regierung und die PP gewöhnlich die Aufsteigerpartei Podemos. 

Es erscheint Rajoy und seinen Parteifreunden unverschämt, dass Sánchez von seinem Gesprächspartner verlangt hat, keinerlei Gesetze mehr einzubringen und die Legislatur als abgelaufen zu betrachten, obwohl die Wahlen, die höchstwahrscheinlich im November stattfinden werden, bislang noch nicht ausgerufen wurden.

Diese Interpretation des Treffens wird von den Sozialisten heftig bestritten. Sie halten jedoch Gerüchte für wahrscheinlich, dass Rajoy darüber nachdenkt, die Wahlen vorzuziehen, um weiteren Stimmenverlust zu stoppen.

PP und Regierung bestreiten ihrerseits, dass Rajoy daran denkt, die Wahlen vorzuverlegen. Vielmehr arbeite er an der Umbildung  seiner Regierung, damit diese nicht mit den Regionalwahlen in Katalonien zusammenfällt, die im September stattfinden werden.  Außerdem müssten vor Ende der Legislaturperiode noch 48 Gesetzesinitiativen verabschiedet werden, und zwar 35 im Kongress und weitere 13 im Senat. (Die letzte Sitzung des Abgeordnetenkongresses, der am 19. oder 20. September aufgelöst werden soll, ist für den 17. September geplant.)

Regierungsmitglieder, Regierungssprecherin Sáenz de Santamaría und Rajoy selbst versuchen, Sánchez und Iglesias auf die extremistische Schiene zu schieben. „Sie werden Spanien Schaden zufügen, die derzeitige Wirtschaftspolitik rückgängig machen und damit internationale Investitionen ausbremsen“, warnen sie immer wieder.

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