Buchtipp: Canarias – Kanarisches Lesebuch
Wer hätte das gedacht, dass der nach Alexander von Humboldt berühmteste deutsche Naturforscher seiner Zeit, nämlich Ernst Haeckel, einst auf große Fahrt in die kanarischen Gewässer gegangen ist, um Fauna und Flora im Meer vor Lanzarote zu erforschen?!
Sein anschaulicher Bericht über die Fülle der Lebewesen allein an der Oberfläche der bewegten See macht trunken und stimmt zugleich traurig, wenn man überlegt, wie kümmerlich heute die Ausbeute in den leergefischten Breiten dieses Archipels wäre und kein Darwin uns für den seither von den Menschen verursachten Verlust an Vielfalt entschädigen könnte.
Haeckels Post vom 27. Januar 1867 aus Puerto del Arrecife an Eltern und Freunde ist im „Kanarischen Lesebuch“, einer Großtat des Konkursbuchverlages in Tübingen, nachzuschlagen und lenkt wie viele andere Beiträge zu der Anthologie die Aufmerksamkeit bei den Liebhabern der Kanarischen Inseln auf viele neue und unerhörte Aspekte des Gegenstandes ihrer Bewunderung.
Der schön gestaltete und mit vielen, teils raren Illustrationen geschmückte Band bringt alle Texte, egal aus welcher nationalen Feder, auf Deutsch und auf Spanisch und hält so den beiden Leserschaften einen Spiegel des Interesses vor, das sie aneinander oder jeweils für sich selbst entwickelt haben und nun durch diese Edition überprüfen und endlich auch teilen können.
Dass dabei bei den deutschen Beiträgen durchaus Überflüssiges, das mit den Kanarischen Inseln nichts zu tun hat, wie der witzige Briefwechsel zwischen Janosch und dem Herausgeber, Unausgegorenes wie über „Mariposa“ oder einfach Geschwätziges von der La Gomera- und der La Palma-Fraktion in Kauf genommen werden muss, wird den geneigten Neugierigen weiter nicht stören weil er vor allem bei den kanarischen Autoren auf seine Kosten kommt. So hat die Rede von Rafael Arozarena über seine Insektenleidenschaft Jüngersches Format und wirft doch einen warmherzigeren Blick als der Deutsche auf das Gewimmel in Klein-Dino-Gestalt. Zusammen mit den Auskünften der deutschen Übersetzerin seiner „Mararía“ lohnen allein schon diese beiden Texte den Kauf des Buchs.
Ein anderer Eintrag ins „Lesebuch“, der von Emeterio Gutiérrez Albelo, hat schon im höchstgelegenen Dorf von Teneriffa für Aufregung gesorgt und wird vielleicht dazu anstiften, das Verschwindende festzuhalten und das schon Verschwundene wenigstens aus der Erinnerung zu fixieren. Es gibt keinen anderen Ort auf dieser Insel, wo die Coplas, der Rap der Alten oder Stegreifgesang, so witzige und bezaubernde Strophen hervorgebracht hätten wie zu Füßen des „Sombrero“ in Vilaflor – „Dort gingst du ein und aus und immer noch schwebt dein Parfüm in der Luft, böse Dunkelhaarige, beste Dunkelhaarige“.
Um der eigenen Entdeckungen des Lesers Willen wird hier an dieser Stelle nun der Scheinwerfer auf allen weiteren Inhalt des Albums ausgeknipst und der Gang zur nächsten Buchhandlung empfohlen; denn wir können nur auf eine Fortsetzung aus dem Hause des angezeigten Verlags hoffen, wenn sein Kanarisches Kursbuch in hoher Auflage unter die Leute kommt und so aus dem anfänglichen Wagnis eine gute Gewohnheit wird.
Text: Werner Deuker
Canarias – Kanarisches Lesebuch, Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, Tübingen, 24 Euro
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