Kanaren: Solidarität mit der Westsahara


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Marokko reißt sahrauisches Wüstencamp gewaltsam nieder – schlimmster Konflikt in 20 Jahren

Marokkanische Sicherheitskräfte beendeten am 8. November gewalt­sam die größte und längste sahrauische Protestaktion seit dem 1991 ausgerufenen Waffenstill­stand in der Westsahara. Militärkräfte stürmten das Wüsten­camp „Camp der Würde“ und rissen es nieder. Seit rund drei Wochen protestierten 20.000 Sahrauis mit diesem Zeltlager 15 km außerhalb von El Aaiún, der Hauptstadt der ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara, gegen ihre soziale Diskriminierung.

Kanarische Inseln/El Aaiún – Sie forderten Wohnungen, Arbeitsplätze und Sozialhilfe – in diesem konkreten Fall ging es ihnen nicht um die politische Selbstbestimmung, sondern um die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen.

In den frühen Morgenstunden des 8. November stürmte das marokkanische Militär das Camp, um es zu räumen und  brannte die Zelte nieder. Auf die Aktion folgten schwere Unruhen in El Aaiún. Die Angaben über die Zahl der Opfer waren widersprüchlich. Wie der marokkanische Innenminister Taieb Charkaoui im Parlament mitteilte, wurden fünf  Sicherheitskräfte getötet und 70 weitere verletzt. Auf sahrauischer Seite gab es mindestens einen Toten und dutzende Verletzte, berichteten pro-sahrauische Nichtregierungsorganisationen.

Bei Redaktionsschluss lagen keine genauen Angaben zur Zahl der Toten und Verletzten vor. 

Die offizielle Version des marokkanischen Außenministeriums lautete, dass Sicherheitskräfte um 06.45 Uhr am 8. November eine Aktion zur „Befreiung“ von Frauen, Kindern und alten Menschen in dem Wüstencamp durchführten, kontrolliert von einer Personengruppe mit Vorstrafen, die polizeilich gesucht wurde. Zeugenaussagen zufolge überflog das Militär um die angegebene Uhrzeit das Camp und forderte per Lautsprecher Frauen und Kinder auf, das Gelände umgehend zu verlassen. Danach wurde das Zeltlager mit Tränengas und Wasserwerfern gestürmt. Sahrauische Quellen sprachen auch vom Einsatz von Schutzwaffen.

Dies alles geschah nur wenige Stunden vor Beginn der UNO-Gespräche zum Status von West-Sahara in New York. Die sahrauische Befreiungsbewegung zögerte nach den Vorfällen zunächst, nahm dann jedoch an den Gesprächen teil. Man wolle nicht auf die Provokation Marokkos hereinfallen, erklärte Ahmed Boukhari,  Vertreter der sahrauischen Befreiungsbewegung Polisario bei der UNO. „Rabat will die Verhandlungen sabotieren“, versicherte er. Das Treffen fand schließlich in angespannter Atmosphäre statt, ein Ergebnis wurde allerdings nicht bekannt.

Der kanarische Regierungspräsident Paulino Rivero, der sich zur Eröffnung der Reisemesse World Travel Market in London befand, verurteilte die gewaltsame Räumung des Wüstencamps aufs Schärfste und fordere die UNO und die internationale Gemeinschaft auf, dringend einzuschreiten. Europa könne nicht weiter wegschauen, erklärte er. Auch vom Cabildo von Teneriffa aus kam die prompte Nachricht, man solidarisiere sich mit dem sahrauischen Volk und fordere die spanische Regierung auf, klar Stellung zu beziehen und das Vorgehen Marokkos zu verurteilen.

Die spanische Außenministerin Trinidad Jiménez rief zur Besonnenheit auf und forderte das Eingreifen des UN-Sicherheitsrats. Ansonsten hielt sich die Regierung Zapateros mit Äußerungen zurück und vermied es, die Anwendung von Gewalt Seitens Rabats zu verurteilen.

Auf den Kanaren sind eine ganze Reihe pro-sahrauischer Organisationen angesiedelt. Viele Inselfamilien fühlen sich dem Volk der Westsahara besonders verbunden und nehmen jeden Sommer Gastkinder aus den Flüchtlingscamps auf, die ihre „Ferien in Frieden“ verbringen dürfen.

Nach 35 Jahren noch immer keine Lösung

Seit 35 Jahren gilt die Westsahara als integraler Bestandteil des Königreichs Marokko. Nach der Beendigung der spanischen Kolonialzeit 1975 annektierten Marokko und Mauretanien das Gebiet. Die bereits zu spanischen Kolonialzeiten entstandene Befreiungsfront der Sahrauis, „Frente Polisario“, kämpfte für einen unabhängigen Staat, die „Demokratische Arabische Republik Sahara“. Infolge des intensiven Widerstandskampfes verzichtete Mauretanien 1979 auf alle Ansprüche und Marokko übernahm das gesamte Gebiet. Der Konflikt zwischen der „Frente Polisario“ und Marokko dauerte an und wurde erst 1991 mit einem Waffenstillstandsabkommen beendet, das von der UNO überwacht wird. Die von den Vereinten Nationen geforderte Durchführung eines Referendums über den endgültigen völkerrechtlichen Status des Gebietes Westsahara kam nie zustande. Bis heute leben etwa 180.000 Sahrauis in den Flüchtlingslagern nahe der Stadt Tindouf in der algerischen Sahara. Sie sind beinahe vollständig von Hilfslieferungen der EU, der Vereinten Nationen und anderer internationaler nichtstaatlicher Organisationen abhängig.

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