El Hierro schafft die Energiewende


© EFE

Am 27. Juni wurde das revolutionäre Windwasserkraftwerk von den Initiatoren und politisch Verantwortlichen eingeschaltet

Seit drei Jahrzehnten verfolgte El Hierro das ehrgeizige Ziel, die weltweit erste energieautarke Insel zu werden. Ende Juni ging mit der Inbetriebnahme des technisch ausgeklügelten Windwasserkraftwerks der Traum in Erfüllung. Durch die Nutzung sauberer Energien kann die Insel mit ihren circa 10.000 Einwohnern künftig fast gänzlich auf fossile Energie verzichten und gilt damit als weltweit vorbildlich. Der kanarische Regierungspräsident Paulino Rivero drückte am 27. Juni gemeinsam mit anderen politischen Persönlichkeiten den symbolischen Einschaltknopf der über 80 Millionen Euro teuren Anlage.

An dem bedeutungsvollen Ereignis nahmen auch die ehemaligen Präsidenten der Inselverwaltungen von El Hierro und Teneriffa – Tomás Padrón und Ricardo Melchior – teil, die als geistige Väter dieses Projektes gelten und es vorantrieben.

Die kleinste Kanareninsel (280 Quadratkilometer) – seit 1999 Weltbiosphärenreservat der Unesco – hat auch weitere „grüne Zukunftspläne“ und schon das nächste Ziel im Blick: Mit der Umstellung auf Elektroautos soll die Null-Emissions-Grenze erreicht werden. 

Schon vor der Einschaltung des Windwasserkraftwerkes gab es weltweit reges Interesse an dem Projekt; Wissenschaftler aus aller Herren Länder statteten El Hierro bereits einen Besuch ab, um die Einzelheiten kennenzulernen. Nicht ohne Grund, denn das Pionierprojekt, das den Weg in eine vom Erdöl unabhängige, autarke, saubere und nachhaltige Zukunft weist, könnte theoretisch den weltweit 600 Millionen auf Inseln lebenden Menschen zugutekommen und dem Klimawandel bremsen.

Vor 30 Jahren entstand ein Traum

Vor drei Jahrzehnten entstand die Idee zu dem Windwasserkraftwerk, welches bei Überproduktion die unbeständige Windenergie zu speichern fähig ist, in einem kleinen Unel­co-Büroraum in Santa Cruz. Die Abteilung, die sich den Erneuerbaren Energien widmete, wurde damals von dem Ingenieur und späteren Cabildo-Präsidenten Teneriffas, Ricardo Melchior, geleitet.

Tomás Padrón, El Hierros erster Inselpräsident der Demokratie, erzählte dieser Tage der Nachrichtenagentur Efe, hier hätten Melchior und er die Idee zu dem Windwasserkraftwerk gehabt, nach und nach ausgearbeitet und den Grundstein für die Zukunft El Hierros gelegt. In den seither vergangenen drei Jahrzehnten habe er Hindernisse jeglicher Art überwinden und gegen viele Schranken ankämpfen müssen, doch dank seiner, bei den Herreños typischen, Beharrlichkeit auch alle überwunden. Während der gesamten Zeit war sich der einstige Cabildo-Präsident sicher, das Windwasserkraftwerk werde die Aufmerksamkeit der Welt auf seine kleine Insel lenken und diese in die Zukunft führen.

Es war nur selbstverständlich, dass Padrón und Melchior bei der Einweihung des Werkes am 27. Juni zwei der fünf Windkraftanlagen starteten, nachdem ein Gedenkstein enthüllt worden war. Die übrigen drei Anlagen wurden von Regionalpräsident Paulino Rivero, dem heutigen Inselpräsidenten und Leiter des Betreiberunternehmens, Alpidio Armas, sowie Unterstaatssekretär für Energie, Industrie und Tourismus, Enrique Hernández Bento, in Betrieb genommen.

Im Anschluss begutachteten die über 250 geladenen Persönlichkeiten die Einheiten des Kraftwerks, wie das obere Wasserbecken, und fanden sich schließlich am Mirador de La Peña ein. Hier dankte Armas allen, die in den vergangenen drei Jahrzehnten an dem Projekt mitgewirkt hatten. Rivero erklärte, das Windwasserkraftwerk sei ein Vorbild für die Welt.

Windenergie auf Reserve

Das Windwasserkraftwerk besteht aus einem Windpark, einer Pumpstation, zwei Wasserbecken, einem Turbinenwerk, einer Verteilerstelle und einem Dieselgenerator.

Der Windpark umfasst fünf in Deutschland hergestellte Windkraftanlagen Enercon E-70, die den Strom für die Versorgung der gesamten Insel produzieren. Bei geringem Verbrauch, beispielsweise nachts, werden mit dem überschüssigen Strom die Pumpen angetrieben, die Wasser aus dem unteren Auffangbecken mit einer Kapazität von 150.000 m³ in das über 680 m höher gelegene obere Becken mit einer Kapazität von 500.000 m³ befördern. Auf diese Weise wird der überschüssige Strom sozusagen „gespeichert“. Denn wenn kein Wind weht, wird das Wasser aus dem oberen Becken freigelassen und schießt wieder den Berg hinunter in das untere Becken. Dabei werden Turbinen angetrieben, welche die Energie in Strom umwandeln, der wiederum über die Verteilerstelle ins Netz geleitet wird. Nur im Notfall wird der Dieselgenerator eingeschaltet, der bisher die Insel mit Strom versorgte.

Betrieben wird das Windwasserkraftwerk von dem Unternehmen Gorona del Viento, an dem das Cabildo El Hierros mit 60%, Endesa mit 30% und das Technologische Institut der Kanaren mit 10% beteiligt sind. Das Projekt hat rund 82 Millionen Euro gekostet, davon wurden 35 Millionen Euro vom Staat übernommen. Nach Information von Gorona wird das Kraftwerk, das zunächst nur 80% der Versorgung übernehmen soll, im Jahr 6.000 t Diesel bzw. 40.000 Barrel Erdöl einsparen und den Ausstoß von 18.700 t Kohlenstoffdioxid vermeiden.

Als nächstes soll der Fuhrpark gegen E-Autos getauscht werden; dann wird es auf El Hierro weder Öl noch Abgase geben.    

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