In der Untersuchung des tragischen Patera-Unglücks ist noch kein Ende abzusehen
Entsetzen löste ein mit einer Nachtsichtkamera aus 1.200 Metern Entfernung von Costa Teguise aus aufgenommenes Video des SIVE, des „Integrierten elektronischen Systems zur Außenüberwachung“, aus, das ein Patrouillenboot der Guardia Civil zeigt, wie es mit seinem Bug die Flanke einer „Patera“ voller afrikanischer Flüchtlinge rammt.
Das Bild scheint der offiziellen Erklärung dieses tragischen Vorfalls, der am 13. Dezember 2012 für Schlagzeilen sorgte, zu widersprechen. Damals kam einer der Insassen ums Leben, sechs werden weiterhin vermisst, während 17 der jungen Männer überlebten. Die Kanarenregierung ließ zunächst verlauten, einer der Motoren des Polizeiboots sei beschädigt und so ein Ausweichen unmöglich gewesen. Der Steuermann der Patera habe das Ruder verlassen, ohne den Antrieb zu drosseln, sodass sie auf das Polizeiboot zugehalten habe (das Wochenblatt berichtete).
Als wäre der verheerende Zusammenstoß nicht schon schlimm genug, reiht sich seitdem eine Panne bzw. ein möglicher Vertuschungsversuch an den nächsten.
Von sich widersprechenden Erklärungen der zuständigen Ressortleiterin der Kanarenregierung bis hin zu übereilten Abschiebungen der überlebenden Bootsinsassen, sodass am Ende keine Zeugen für die Untersuchung des Falles mehr zur Verfügung stehen, präsentiert die Aufarbeitung des Vorfalls immer neue Ärgernisse.
Auf dem Video, das von Cadena Ser ausgestrahlt wurde, (www.youtube.com/watch?v=PigUKUZt-r8) ist zu sehen, wie die Kamera zunächst das Flüchtlingsboot allein im Visier hat. So wurde seine Anwesenheit vor der Küste Lanzarotes überhaupt erst entdeckt und die Küstenwache verständigt. Dann bemerkt der Führer der Patera, dass sie entdeckt wurden und ergreift zunächst die Flucht vor dem Polizeiboot in Richtung auf das offene Meer. Auch das Patrouillenboot beschleunigt. Nach einigen Momenten erkennen die Flüchtlinge, dass sie nicht entkommen können und werden wieder langsamer. Der Steuermann verlässt das Ruder, um nicht als Bootsführer verantwortlich gemacht zu werden.
Die Patera treibt und stellt sich quer zur bisherigen Fahrtrichtung. Das Polizeischiff, an dessen Bug ein Polizeibeamter Ausschau hält, nähert sich mit unverminderter Geschwindigkeit und rammt das Flüchtlingsboot, ohne einen erkennbaren Ausweichversuch zu machen.
Das Video wirft für viele Betrachter die Frage auf, ob hier nicht Vorsatz oder zumindest Fahrlässigkeit im Spiel war, so wie es die betroffenen Immigranten selbst ebenfalls berichtet haben. Die Menschenrechtsorganisationen SOS Racismo, Andalucía Acoge, Elin und die Asociación Pro-Derechos Humanos de Andalucía werfen dem Innenministerium vor, die Immigranten schnell ausgewiesen zu haben, damit die offizielle Version der Ereignisse nicht mehr widerlegt werden kann.
Die Interessenvertretung der Guardia Civil-Beamten AUGC hält entgegen der Diskussion, welche durch die Verbreitung des Videos ausgelöst wurde, weiterhin an der Darstellung fest, dass der Bootsführer der Patera die Schuld an dem Unfall trage. Dieser habe keinerlei Beleuchtung an Bord zugelassen, was es der Besatzung des Patrouillenbootes erschwert habe, das Boot auszumachen, und er habe unverantwortlicherweise die Flucht ergriffen, trotz der Gefahr, die dies für die Insassen bedeutet habe.
Die AUGC erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass die Guardia Civil in den letzten 20 Jahren über 50.000 Immigranten gerettet habe, obwohl ihre Schiffe, im Gegensatz zu denen der Seenotrettung, wegen der hohen Bordwände dazu nicht geeignet seien.[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]