Gedanken für mich – Augenblicke für Gott
Dieser Tage gibt es in Sachen Fußball wieder viele Meinungen und Analysen zu hören. Schließlich äußern sich derzeit wieder Millionen von Cheftrainern über das, was bei der Europameisterschaft ok ist und was nicht. Ich halt mich da dezent zurück und will nur eine kleine Geschichte erzählen, die mir da zum Fußball-Jahresereignis in den Sinn kam.
Ein Mann hatte zwei Söhne – und ein großes Sportgeschäft in Herne-Horsthausen. Kaminski hieß der Mann, und wie viele seiner Generation war er früher im Bergbau tätig. Als das große Zechensterben begann, hatte er rechtzeitig den Absprung gewagt und mit einer guten Abfindung ein Sportartikelgeschäft gegründet. Die Geschäfte gingen gut; es kamen Filialen in Bochum, Wattenscheid und Recklinghausen dazu.
Sein älterer Sohn war ein zielstrebiger junger Mann, der viel Spaß an der Arbeit im elterlichen Geschäft hatte. Nur der jüngere, Freddy, war ein Tunichtgut. Für ihn war nach Schule und Bundeswehr nur klar, dass er mal nicht so malochen will, wie sein alter Herr. Er war jung und wollte was erleben und deshalb sagte er eines Tages zu seinem Vater: „Ich will hier weg. Dein Leben ist nicht mein Leben. Zahl mir doch den Anteil meines Erbes aus, dann kann ich damit was tun. Vielleicht schaff ich ja auch eine Fußball-Karriere.“ Der alte Kaminski war geschockt, weil er das nicht erwartet hatte. Doch er ließ sich nichts anmerken. Er protestierte nicht und machte dem Sohn auch keine Vorhaltungen. Er nahm einen Kredit auf, zahlte mehr als er sollte an den Sohn aus und schenkte ihm obendrein noch das beste Paar Fußballschuhe, das er im Angebot hatte.
So zog Freddy los, um sein Glück zu machen. Als er in die große Pillenstadt des Rheinlandes kam, erkundigte er sich nach dem Manager des Vereins. Er wurde zu „Calli dem Dicken“ geschickt, der eine Institution in dieser Gegend war. „Ja Jung“, sagte der zu Freddy, „aus dir kann ich noch was machen.“ Und so nahm ihn Calli in die Fußballmannschaft auf und schickte ihn raus aufs Feld. Freddy, der bisher nur in der Jugend von Rot-Weiß Essen gekickt hatte, zog die Fußballschuhe seines Vaters an und trainierte hart. Und so dauerte es auch nicht lange, bis aus Freddy ein gefürchteter und gefeierter Torjäger in der Bundesliga wurde. Und er fühlte sich pudelwohl. Er hatte Geld und schöne Frauen um sich, hatte viele Freunde und die Fans grüßten ihn freundlich und wollten sein Autogramm. Und dann diese Mannschaft: Das waren nicht nur 11 Freunde, sondern wahre Glaubensbrüder! Zusammengeschweißt im Glauben an den Verein und an die Meisterschaft. Ihre Zusammenkünfte samstags wurden von einer riesigen, sangesfreudigen Gemeinde getragen. „Kaminski – Fußballgott!“ schallte es von den Rängen. Endlich war er jemand, eine Kultfigur, von der die „Sportschau“ und der „Kicker“ ständig berichteten.
Doch irgendwann begann sein Stern zu sinken. Zuerst sanken seine Trainingsleistungen, dann fielen die Tore spärlicher. Bald sah man ihn mehr auf der Bank als auf dem Rasen und in der Zeitung mit den vier Buchstaben ließ sein Manager verlauten: „Ich glaube nicht mehr an den Fußballgott!“ Freddy „hatte fertig“. Kein Verein wollte ihn mehr, Schulden kamen hinzu. Auch die Freunde wurden jetzt spärlicher. Weder Ottmar Hitzfeld noch Jürgen Klopp konnten ihm mehr weiterhelfen und eine Affäre mit einem der neuen DSDS-Stars konnte ihn nicht stärken, sondern hinterließ nur einen bitteren Nachgeschmack. Die wahre Liebe hatte er trotz Ruhm nicht gefunden. Freddy stand jetzt an einem Punkt, an dem er einfach nicht mehr weiter wusste. Zuerst gefeiert wie Otto in Griechenland, fühlte er sich jetzt wie Beckham nach dem Elfmeter. Welchen Weg konnte er noch gehen?
Doch es gab da noch einige wenige aus dem Fußball, die zu ihm hielten. Freunde, die eben nicht ihre ganze Hoffnung auf die Karriere setzten, die auch noch was anderes hatten. Leute wie Heiko Herrlich, Dirk Heinen oder auch Asamoah, Jorghinio, Lucio, Ze Roberto oder Cacáu. Die fragten ihn: „Hast du mal was erlebt, das wirklich Bestand hatte, worauf du dich verlassen konntest?“ Und Freddy kam zum Nachdenken. Wie hieß es doch immer: „Der Kopf denkt, der Fuß versenkt.“ Vielleicht hatte er ja zuviel mit dem Fuß gemacht und ihm fiel ein: „Das Einzige, worauf ich immer bauen konnte, das ist die Liebe meines Vaters gewesen. Er war immer für mich da; bei ihm musste ich kein Star sein. Wie enttäuscht er wohl jetzt von mir sein wird, nachdem, was ich ihm angetan habe mit meinem Weggang?“
Es wurde für ihn ein schwerer Gang zurück nach Herne-Horsthausen. Wie dem Vater gegenübertreten? Auf der Höhe seines Ruhmes hatte er sich nie mehr um ihn gekümmert. Da hilft keine Entschuldigung. Und so fehlten ihm die Worte als er vor dem Sportgeschäft des Vaters stand. Doch der hatte ihn schon gesehen, ließ die Kunden stehen und rannte hinaus. Er umarmte seinen Sohn und sagte nur: „Schön, dass du da bist. Schön, dass ich Dich endlich wieder in „natura“ sehe.“
Am nächsten Tag mietete der alte Kaminski den Griechen um die Ecke und lud alle Bekannten zum Feiern ein. Und als Freddy den glücklichen Vater sah dachte er bei sich: „Jetzt bin ich in meinem Leben angekommen. Jetzt weiß ich, was wirklich zählt.“
Übrigens: Sie wissen ja, diese Geschichte finden Sie nicht im „Kicker“, sondern in der Bibel. Und erzählt hat sie nicht Waldemar Hartmann, sondern Jesus Christus.
Bertram Bolz, Diakon
Kath. Touristen- und
Residentenseelsorger
Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de oder www.wochenblatt.es
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