Gedanken für mich – Augenblicke für Gott
Wissen Sie, was ein Augenmensch ist? Jemand, der sich schwer mit Dingen tut, die man nicht so gut sehen kann. Denken Sie z.B. nur mal an die Liebe. Die kann man ja auch nicht unbedingt sehen. Oder auch den Glauben. Woran merke ich nun, dass ich ein Augenmensch bin?
Wenn Sie sagen: „Mich überzeugt nur, was ich mit eigenen Augen sehen kann“, dann sind Sie vermutlich eher ein Augen-, als ein Ohrenmensch. Sogenannte Ohren- oder auch Nasenmenschen machen sogar des öfteren die Augen zu, um der Natur zu lauschen oder das frische Leben im Frühjahr zu riechen. Dagegen muss man als Augenmensch eben etwas sehen, damit es einem zu Herzen geht oder um wirklich von etwas überzeugt zu sein. Das wird aber dann schwierig, wenn es um etwas geht, was eher unsichtbar ist. Kann ein Augenmensch so etwas denn überhaupt wahrnehmen? Ich glaube, ja!
Vielleicht kennen Sie ja Thomas, den sogenannten „ungläubigen“ Apostel. So zumindest wird er bis auf den heutigen Tag vielfach betitelt. Die Bibel erzählt uns, dass Thomas ein Augenmensch ist und seine Geschichte kann uns in der Überzeugung helfen, dass auch Augenmenschen durchaus in der Lage sind, nicht Sichtbares wahrzunehmen. Erinnern wir uns: Thomas hat als Apostel gesehen, was Jesus auf Erden alles geleistet hat. Das hat ihn überzeugt. Er hat gesehen, wie schwer kranke Menschen geheilt wurden, wie Jesus sich mit der Obrigkeit angelegt hat, dass er überzeugt war von dem, was er getan hat. Doch dann musste er eben auch mit ansehen, wie Jesus gekreuzigt und anschließend begraben wurde. Aus war es mit der Herrlichkeit. Für Thomas brach, wie für viele andere, eine Welt zusammen.
Doch dann passierte etwas, was die verängstigten Jünger aufleben ließ, was ihnen neue Hoffnung gab. Der auferstandene Jesus zeigte sich ihnen, als sie sich mal wieder hinter verschlossenen Türen trafen. Nur – Thomas war da nicht dabei. Diesen Moment hat er verpasst. Als seine Freunde ihm erzählen, was ihnen widerfahren ist und dass sie den Auferstandenen gesehen hätten, da reicht ihm dies nicht. Thomas bedauert das zwar aufrichtig, und er würde auch gerne glauben, wie die anderen. Doch als Augenmensch muss er es selber sehen können.
Genau dies wird ihm dann auch wenig später ermöglicht. Er sieht den tödlich verwundeten Jesus lebendig vor sich. Dies berührt in so in seinem Innersten, in seinem Herzen, dass sich seine Trauer löst und diese Frohbotschaft sein ganzes weiteres Leben bestimmt. Ja, als Thomas Jesus lebendig vor sich sieht, da ist er überzeugt: Gott hat sich Jesus erbarmt und wird sich aller Menschen erbarmen. Dieser Gott heilt auch die schwersten Wunden.
Stellen wir uns mal vor, Thomas hätte das nicht sehen können. Dann müsste man ja denken: Es gibt Verletzungen, die ewig bleiben. Man müsste denken, alle Menschen, die geschmäht und geschunden werden wie Jesus, die bleiben auf ewig ein Opfer – und die Täter auf ewig Täter. Ohne Hoffnung, dass Gott sich ihrer annimmt und erbarmt. Ein furchtbarer Gedanke.
„Wenn ich es nicht selber sehe, kann ich es nicht glauben“, sagt Thomas in der Bibel, als ihm seine Freunde sagen, dass Jesus auferstanden ist. Ein typischer Satz für einen Augenmenschen, auch wenn er es gleichzeitig bedauert, dass ihm nicht genügt, was sie ihm erzählen. Dass es ihn nicht überzeugt, erfüllt ihn keinesfalls mit Stolz – im Gegensatz zu vielen Augenmenschen heute, die gerne mit stolzgeschwellter Brust sagen: „Ich glaube nur, was ich sehe.“ Ganz so, als wäre es eine Leistung, nicht zu glauben. Ist es das? Ist es ein Grund stolz zu sein, wenn man nicht glauben kann, das zerbrochenes Leben wieder heilen könnte? Wenn ich nicht mehr sagen könnte als: „Ich glaube nur, was ich in der Wirklichkeit sehe“?
Deshalb finde ich gut, dass es diesen Thomas in der Bibel gibt. Er ist für mich ein Bild der Hoffnung, wie er sich vom Auferstandenen hat überzeugen und bewegen lassen. Und auch heute gibt es solche Bilder, die mir die Auferstehung bildhaft nahebringen. Menschen z.B., die wieder neu anfangen können, die neuen Mut schöpfen in ihrer Krankheit. Wie viele gibt es, die tapfer gegen ihre Krankheit ankämpfen. Sie alle sind für mich Bilder der Hoffnung und des Lebensmutes.
Im nachfolgenden Text, da hat auch jemand ein Bild vor sich, wie das sein könnte mit der Auferstehung. Ich kann es nicht beweisen, dass es so sein wird. Aber solche Bilder helfen mir hoffen, dass Gott uns nicht hängen lässt. Im Leben nicht und nicht im Tod. „Es mag so sein“, heißt es da, „wie das Aufstehen nach einer langen erschöpfenden Krankheit, wenn wir, gestützt auf den Arm des Pflegers erste, zittrige Schritte tun und es nicht fassen können: Es geht wieder. Wir sind am Leben. Ein neuer Abschnitt beginnt. Allmählich beginnen wir Fuß zu fassen im neuen Leben, das unberührt vor uns liegt und uns zu locken beginnt. Wieder geboren wachsen wir heran und nähern uns dem Geheimnis von Ostern.“
Ihr
Bertram Bolz, Diakon
Kath. Touristen- und
Residentenseelsorger
Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de oder www.wochenblatt.es
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