Zahlreiche verlorene Prozesse zwingen die Kreditinstitute, auf ihre Kunden einzugehen
Die Banken beginnen nachzugeben und zu akzeptieren, dass sie einen Teil der Kosten der Krise, die sie mitverursacht haben, tragen müssen.
Madrid – Von den zahlreichen Einzel- und Sammelklagen, die von Hypothekennehmern wegen der sogenannten „Cláusula suelo“, einem Mindestzins, der in vielen Hypothekenverträgen eingebaut ist und meist die Banken einseitig begünstigt, angestrengt werden, haben die Banken im vergangenen Jahr bisher rund 90% verloren. Angesichts der nun drohenden Klagewelle setzen die Banken darauf, mit den Kunden zu verhandeln und individuelle Lösungen zu finden.
Ein Urteil des Obersten Gerichtshofes vom Mai 2013 hat die Lage völlig verändert. Darin wurden die Geldinstitute BBVA, Cajamar und Novagalicia verurteilt, weil ihre „Cláusula suelo“ in überzogener Weise zu ihrem Vorteil und zum Nachteil des Kunden formuliert war. Seitdem verliert der Bankensektor nahezu alle Verhandlungen, bei denen es um diesen Gegenstand geht. Deshalb hat man sich auf das Verhandeln verlegt. So sparen die Banken Zeit und Geld, denn sie werden fast immer auch zur Übernahme der Kosten verurteilt, vermeiden weiteren Imageschaden, der entsteht, wenn immer neue Nachrichten über verlorene Prozesse an die Öffentlichkeit gelangen. Sie beugen einem möglichen Domino-Effekt vor, durch den auch diejenigen Kunden, die sich bisher nicht wehren, durch das Beispiel immer neuer Klagen dazu angeregt werden, selbst ein Verfahren anzustrengen oder sich einer Sammelklage anzuschließen.
Zwei der schlagkräftigsten Organisationen, die den Widerstand der Bankkunden unterstützen, sind die Vereinigung der Bank- und Sparkassenkunden „Adicae“ und die Anwälteorganisation „Denunciascolectivas.com“. Beide beraten und organisieren auch Sammelklagen. Manuel Prados, der Präsident von „Adicae“, weiß zu berichten, dass die überwiegende Mehrheit der betreuten Prozesse gewonnen wird. Zum freiwilligen Vergleich komme es vor allem in Individualprozessen, bei großen Sammelklagen sei dies selten der Fall. Javier Gastón, Repräsentant von „Denunciascolectivas.com“, erklärt, dass 95% der 560 Fälle, die unter Begleitung durch seine Organisation bereits zum Abschluss gekommen sind, im Sinne der Bankkunden entschieden wurden, 77% davon durch einen Vergleich.
Dieser Ausschlag des Pendels zugunsten der Bankkunden liegt darin begründet, dass der Oberste Gerichtshof alle Klauseln für nichtig erklärt hat, die im Vertrag nicht verständlich erklärt waren, einschließlich einer Beispielkalkulation, die darlegt, wie sich eine Zinserhöhung auswirken würde. Dieses Kriterium kann praktisch keine Bank erfüllen. Des Weiteren wurden auch diejenigen Klauseln für ungültig erklärt, welche den Kunden kaum und die Bank überproportional schützen.
Die Anwälte und Schutzorganisationen verfolgen nach diesem Etappensieg nun ein neues ehrgeiziges Ziel. Sie wollen erreichen, dass die Richter die Annullierung der oben genannten Klauseln rückwirkend geltend machen, also, dass die Banken ihren Kunden das Geld, welches sie seit Abschluss der jeweiligen Hypothek durch diese Klauseln eingenommen haben, zurückzahlen müssen. Zurzeit wartet man gespannt auf ein bevorstehendes Urteil des Obersten Gerichtshofes in einem Berufungsverfahren der BBVA, in dem sich das Hohe Gericht zur rückwirkenden Geltung äußern muss. Einige Bankhäuser kritisieren die Vorgehensweise der BBVA, denn sie fürchten, dass sich bei einem für sie negativen Urteil eine Klageflut ergeben könnte, die immense finanzielle Einbußen mit sich bringen würde. Andere Banken, wie die Caja Badajoz und die Caja Castilla-La Mancha haben ähnliche Berufungsklagen aus eben diesem Grunde schon zurückgezogen.
Die Spanische Zentralbank geht davon aus, dass ein Drittel aller Hypothekenverträge, etwa 3,5 Millionen, eine „Cláusula suelo“ haben und dass im Schnitt pro Fall 6.900 Euro zurückgefordert werden könnten. Für die Banken könnten demzufolge durch die Rückerstattung der zu hoch angesetzten Zinsen Kosten von bis zu 24,5 Milliarden Euro entstehen. Das Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofes hat BBVA, Novagalicia und Cajamar nach eigenen Angaben schon jetzt gut eine Milliarde Euro gekostet.
„Adicae“ und „Denunciascolectivas.com“ gehen davon aus, dass bisher nicht mehr als 5% aller Betroffenen Klage eingereicht haben. Angesichts der vielen Hypothekennehmer, denen die Obdachlosigkeit droht, könnte es zu einer Klagewelle nie gekannten Ausmaßes kommen.
Zunächst warten jedoch alle mit Spannung auf das Urteil über eine Mammutklage, die „Adicae“ vor dem Handelsgericht angestrengt hat. Die Klage richtet sich gegen 101 Geldinstitute wegen der „Cláusula suelo“, und die Organisation vertritt dabei 15.000 Kläger. Dieses exemplarische Verfahren hat für viele individuell klagende Hypothekennehmer den Nachteil, dass etliche Gerichte ihre Fälle auf Eis gelegt haben, um das richtungweisende Urteil des Handelsgerichtes abzuwarten, damit sie nicht Hunderte von Fällen später neu verhandeln müssen.
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