Täterschaft und Motiv für den Großbrand auf der illegalen Reifendeponie bei Seseña scheinen geklärt
Madrid – Eine Brandursache herauszufinden, ist äußerst kompliziert. Die Flammen vernichten meist alle Indizien. Im Falle des Großbrandes auf der illegalen Reifendeponie bei Seseña in der Nähe von Toledo, die im Mai vergangenen Jahres die Bevölkerung in Atem hielt, ist es den Behörden jedoch gelungen, die Brandstiftung zu rekonstruieren und der Justiz einen vermutlichen Täter vorzuführen. Die Ermittler kamen zu dem Schluss, dass der Großbrand, bei dem 90.000 Tonnen Altreifen vernichtet wurden und eine giftige Wolke die Bevölkerung und Umwelt bedrohte, aus Rache gelegt wurde.
Europas größter Reifenfriedhof
Das illegale Altreifenlager bei Seseña war bis 2016 auf eine Fläche angewachsen, die der Größe von 14 Fußballfeldern entspricht. Hier lagerten zuletzt, mehrere Meter hoch, insgesamt fünf Millionen bzw. 100.000 Tonnen Reifen. Die verantwortlichen Behörden schafften es aus diversen Gründen ein Jahrzehnt lang nicht, die Deponie abzubauen. Zwei Wochen vor dem Brand hatte die EU schriftlich bei der spanischen Regierung um Auskunft gebeten, warum Europas größter illegaler Reifenfriedhof noch nicht entfernt worden sei und vor dem Brandrisiko gewarnt.
Großbrand und Giftwolke
In der Nacht zum 13. Mai 2016 wurde an mehreren Stellen der riesigen Deponie Feuer gelegt, wie die Polizei später auf einem Überwachungsvideo erkennen konnte. Innerhalb kürzester Zeit standen die hohen Reifenberge in Flammen, eine dicke schwarze Rauchwolke breitete sich aus. 9.000 Einwohner wurden evakuiert. Die Feuerwehr bekämpfte die Flammen aus der Luft und am Boden. Am Nachmittag des 14. Mai war der Brand eingedämmt, doch erst zwei Wochen später komplett gelöscht.
Spurensuche
Die Umweltschutzeinheit der Polizei Seprona übernahm die Ermittlungen. Mehrmals gingen die Beamten Spuren nach, die sich als falsch erwiesen. Eine entscheidende Wende brachte der Hinweis mehrerer Telefongesellschaften über ein Mobilfunktelefon, das sich zu der fraglichen Zeit, also am späten Abend des 13. Mai, in der Nähe der Deponie befunden hatte. Das Handy gehörte zwar einer Frau, doch ergaben die Ermittlungen, dass es hauptsächlich von ihrem Vater benutzt wurde. Die Beamten beantragten die richterliche Erlaubnis, das von Javier M.P. genutzte Mobiltelefon abzuhören. Parallel konzentrierten sie ihre Nachforschungen auf eben jenen Nutzer.
Die Ermittlungen ergaben, dass Javier M.P. vor einiger Zeit zusammen mit seinem Schwager und seiner Schwester in Argamasilla de Alba (Ciudad Real) eine Reifendeponie gegründet hatte. Das Geschäft lief schlecht, und die Partner gaben die Deponie auf. Übrig blieben Schulden und offene Gerichtsverfahren. Darüber hinaus war Javier M.P. ruiniert. Für den Untergang des Unternehmens und seiner prekären finanziellen Lage machte er seinen Schwager verantwortlich.
Nun kam die Reifendeponie ins Spiel. Nach dem drängenden Schreiben der EU-Kommission hatte das öffentliche Unternehmen Emgrisa ein Projekt zum Abbau der Mülldeponie entworfen. Dabei hatte sich Emgrisa für die Pyrolyse der Altreifen als beste Lösung ausgesprochen. Die Region Kastilien–La Mancha bemühte sich bereits um die Finanzierung und die Anberaumung eines öffentliches Vergabeverfahren. Wäre es zu dem Verfahren gekommen, hätte ein – dem Schwager von Javier M.P. gehörendes – Unternehmen sehr gute Chancen auf den Auftrag gehabt, weil es sich um eine sehr spezifische, schwach bestückte Branche handelt. Laut den Ermittlern kannte Javier M.P. die Lage und war sich bewusst, dass sein Schwager von dem Vorhaben finanziell profitiert hätte.
Weil die Polizeibeamten nun nachweisen konnten, dass sich Javier M.P. zu dem Tatzeitpunkt am Tatort aufgehalten hatte, und über ein Motiv verfügte – aus Verbitterung und Rachegefühlen dem Schwager das Geschäft zu verderben –, nahmen sie ihn im Mai fest. Vor dem Ermittlungsrichter erklärte er, der Schwager habe ihm das Geschäft verdorben. Derzeit befindet sich Javier M.P. auf freiem Fuß und wartet auf den Beginn des Gerichtsverfahrens. Ihm wird schwere Brandstiftung vorgeworfen.
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