Gedanken für mich – Augenblicke für Gott
Eine der ältesten Darstellungen Jesu findet man in Stein geritzt im alten Rom. Es ist ein Esel, der am Kreuz hängt. Nicht gerade eine schmeichelhafte Darstellung, denn das Bild sagt ja nichts anderes als: Schaut Euch diesen Deppen am Kreuz an! Ein echter Esel.
Und wenn wir ehrlich sind, dann sagen wir doch auch heute noch: Du Esel – und meinen damit einen Menschen, den wir als treudoof ansehen, vielleicht auch ein wenig naiv, weil er bereitwillig die Lasten anderer trägt.
Jetzt wird so mache Leserin, mancher Leser denken: Ist ja wunderbar! Dumm, naiv und störrisch – sind das wirklich die Eigenschaften Jesu und damit auch die Eigenschaften von uns Christen? Sicherlich nicht so direkt. Schließlich ist der Esel ja ein Tier, welches durchaus auch sein Stärken hat. So ist es z.B. das berühmteste Lasttier seit Jahrtausenden. Und genau als ein solcher Lastenträger und als Reittier hat der Esel auch Eingang in die Bibel und das Evangelium vom Palmsonntag gefunden. Da wird ja erzählt, dass Jesus auf einem Esel in Jerusalem einzieht. Die Menschen rufen ihm: „Hosianna“ zu, was so viel heißt wie: „Er lebe hoch!“
Ein wenig komisch muss das schon ausgesehen haben, wie da Jesus auf dem Esel reitet. Auf so einem kleinen, kurzbeinigen Tier kommt er daher, womöglich zottelig und mit abstehenden Ohren. Und dann sind da eben, laut den biblischen Berichten, Massen von Menschen, die dem Reiter zujubeln. In diesem Zusammenhang sind mir andere Bilder doch wesentlich vertrauter. Ich denke da an die vielen Reiterstandbilder auf den großen Plätzen historischer Städte. Könige, Feldherren, die hoch zu Ross dargestellt sind. Aber die Bibel entwirft mit dem Eselsreiter Jesu eben ein totales Gegenbild zu den Feldherren und Königen der Welt. Wie heißt es schon weit vor der Zeit Jesu beim Propheten Jesaja: „Dein König ist friedfertig und reitet auf einer Eselin.“
Friedfertig – auch das ist eine Eigenschaft des Esels und der Menschen, die auf ihm reiten. Vielleicht ist also das Bild vom gekreuzigten Esel aus dem alten Rom gar nicht so unpassend. Denn es berührt den Kern der christlichen Botschaft. Ist es nicht eine große Eselei, zu glauben, dass dieser Jesus den Menschen Glück und Heil bringen kann? Ist nicht der ein rechter Esel, der sich König nennt und dann auf so einem mickrigen Tier reitet? Ist es nicht selten dumm zu glauben, dass ein König friedfertig, demütig und sanftmütig sein kann? Die christliche Botschaft hat wirklich etwas von einer Eselei und ist trotzdem nicht dumm, sondern sehr klug. Wie übrigens auch der Esel ein viel klügeres Tier ist, als viele Sprichwörter es sagen.
Eine interessante Vorstellung wäre für mich, dass der Papst statt in einem Papamobil zu fahren, einfach mal auf einem Esel reiten würde. Das wäre ein Bild, das weit mehr erzählen würde, als es den Anschein hat. Denn auf einem Esel zu reiten, das verändert die Perspektive. Das spüre ich doch durchaus an mir selbst. Wenn ich mal wieder merke, dass ich mich aufs hohe Ross schwinge, dann sage ich mir: Du Esel! Und das hilft. Denn es rückt meine Perspektive zurecht. Von daher ist er wirklich ein gutes christliches Symbol. Denn der Esel ist zäh, geduldig und geschickt. Vor allem, wenn es darum geht, Lasten zu tragen. Auch das erinnert mich an Jesus und das Christentum. Denn es wird ja von Jesus gesagt, dass er das Kreuz für uns auf sich genommen, somit die Last der Welt, ihre Sünden, getragen hat. Das klingt ein wenig abgehoben und ich weiß nicht, ob ich es für mich selbst überhaupt schon bis ins Letzte verstanden habe, was das heißt. Aber wichtig ist mir geworden: Dieser Jesus war keiner, der anderen Lasten aufgeladen, sondern vielmehr versucht hat, sie ihnen abzunehmen. Und was könnte das jetzt für uns Christen heutzutage heißen?
Nun, wenn ich Jesus wirklich nachfolgen will, dann darf ich mich ruhig ab und an zum Esel für andere machen. Was ich damit meine ist: Wenn jemand unter einer Last, einer Belastung zusammenzubrechen droht, dann ist es meine Aufgabe, der- oder demjenigen zu helfen. Nicht einfach nur da zu stehen und zuzusehen, sondern Wege zu finden, wie jemand von seiner Last „ent-lastet“ werden kann. Zur Not eben so, dass ich selbst etwas davon übernehme und trage. Vielleicht kann ich ja jemanden, der in finanziellen Problemen steckt, mit ein wenig Geld über die Runden helfen. Oder indem ich anderen, die vor lauter Arbeit nicht mehr ein und aus wissen, ein wenig von meiner Zeit schenken, dass sie sich mal aussprechen und Luft holen können. Ich finde, dass mutet mir selbst nicht zu viel zu und es wird dem gerecht, was Jesus mit dem Hinweis meint: Liebe deinen Nächsten – wie dich selbst!
Wenn ich wirklich von Jesus fasziniert bin, dann komme ich um dieses „Lasten tragen“ im Sinne der christlichen Nächstenliebe nicht umhin, gar keine Frage. Doch dabei gilt für mich auch die Erkenntnis: Wer einen Esel überlastet, der schindet ihn nur. Und das wiederum „ent-lastet“ mich beim „Lastentragen“ von anderen doch ungemein.
Ihr
Bertram Bolz, Diakon
Kath. Touristen- und
Residentenseelsorger
Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de oder bei www.wochenblatt.es
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