Das Spanische Ozeanografische Institut befindet sich in finanzieler Schräglage – die Gründe sind unklar
Madrid – Wissenschaftler, die keinen Klebstoff kaufen können, Forschungsschiffe, die nicht auslaufen können, weil sie keinen Treibstoff im Tank haben, Ausgabestopps trotz Überschüssen, Rückzahlungen von Projektgeldern, weil sie nicht im vorgeschriebenem Zeitraum eingesetzt wurden, 14 Monate Papierkrieg, um einen Wissenschaftler einzustellen, Doktoranden, denen trotz Zusage in letzter Minute abgesagt wird. So beschreiben die Wissenschaftler, die für das Spanische Ozeanographische Institut IEO arbeiten, die desolate Situation. Das IEO erlebt derzeit die schlimmste Krise seit seiner Gründung im Jahr 1914. Offene Rechnungen, Gläubiger, die nicht bedient werden, ganze Führungsriegen, die zürücktreten, weil sie ständig auf der Stelle treten und frustrierte Mitarbeiter, die nicht wissen, ob sie neue Projekte in Angriff nehmen oder bestehende beenden können.
Dabei ist das IEO eine wichtige Institution, das Meeresforschungsprojekte auf spanischer, europäischer und internationaler Ebene durchführt und zum Renommee Spaniens in der Welt der Wissenschaft beiträgt. Unter anderem überwachen die Wissenschaftler die Schutzgebiete für Spanien und die EU und bestimmen, wo und wie viel gefischt werden darf. Spanienweit gibt es neun Forschungsstationen entlang der Küsten, sowie je ein Zentrum auf den Balearen und den Kanaren. Der Etat beträgt 65 Millionen Euro, wobei es weitere Forschungszuschüsse für europäische Projekte gibt. Rund 500 Angestellte arbeiten für das IEO. Davon sind 80 Prozent Wissenschaftler. Die Situation ist so ernst, dass die Mitarbeiter selbst schon eine Plattform zur Rettung des IEO gegründet haben. Noch dazu versteht eigentlich niemand, weder die Leitung des IEO, noch die Re- gierung, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Und warum die 80 Millionen Euro Überschuss, die derzeit auf dem Konto der Organisation liegen, nicht zumindest teilweise zur Tilgung und Entschärfung der Lage genutzt werden dürfen. Die Corona-Krise hat die Situation nur weiter zugespitzt. Auch warum das Dringlichkeitspaket für die Wissenschaft, das die Regierung von Pedro Sánchez in der letzten Legislaturperiode verabschiedet hat, auf diese öffentliche Einrichtung keine Auswirkungen hatte, ist eine große Unbekannte. Insgesamt gibt es sieben Institute, die dem Ministerium für Wissenschaft unterstehen, und das IEO ist eines davon.
IEO ein sinkendes Schiff?
Im Februar wurden drei neue Direktoren für das IEO bestimmt, wovon zwei das sinkende Schiff schon wieder verlassen haben. Die vom Minis- terium neu ernannte Generalsekretärin Blanca González schreibt in ihrem Kündigungsschreiben: „Es wurden noch nicht einmal die Mindestbedingungen erfüllt, die ich gebraucht hätte, um wenigstens zu versuchen, die augenblickliche Situation zu klären und zu verbessern“. In den letzten beiden Jahren seien Ausgaben getätigt worden, die weit über dem eigentlichen Budget liegen. Es wurde mit künftigen Zuschüssen gespielt, von denen niemand wusste, ob sie eintreffen würden. Ersten Einschätzungen zufolge bräuchte das IEO derzeit mindestens 15 Millionen Euro, wobei das Ministerium derzeit nur 4,5 Millionen zugesagt hat. Das wird ein Tropfen auf dem heißen Stein, der die Probleme nicht wirklich löst, sondern lediglich hilft, Löcher zu stopfen.
Die Wissenschaftler fordern einen kompletten Umbau der Strukturen, wie er in anderen Institutionen erfolgt ist. Im IEO würde immer noch nach Prinzipien der 80er-Jahre agiert, und das würde einer wissenschaftlichen Arbeitsweise im 21. Jahrhundert nicht gerecht. Die Forscher fordern einen Strukturwandel und mehr Transparenz, um das IEO wieder auf Kurs zu bringen. Sie wollen sich wieder auf ihre Forschungsarbeit konzentrieren können, anstatt sich über die Zukunft des Instituts sorgen zu müssen oder darüber, wer die nächste Tankfüllung ihrer Schiffe bezahlt.