Rückblick auf X. Kanarische Kulturtage in Berlin
Wenn es etwas Kulturelles zu entdecken gibt, Deutsches und Kanarisches, vergleichsweise etwas nicht Alltägliches, so bemühen sich die Mitglieder der Deutsch-Kanarischen Gesellschaft „Canarias en Berlín“ nunmehr seit zehn Jahren darum.
Berlin – Und deshalb ist das zehnjährige Bestehen von „Canarias en Berlín“ auch ein Grund zum Jubeln in dieser krisengeschüttelten Zeit. Der Dialog und der entdeckende Austausch, ganz im Sinne von Kolumbus oder sagen wir’s mal themenbezogen, von Alexander von Humboldt, fand dieses Jahr im gastgebenden Instituto Cervantes statt – die X. Kanarischen Kulturtage zogen Mitte April erfolgreich viele Berliner an und brachten ihnen die Kulturleistungen der Kanaren wieder ein Stück näher.
Humboldt’s Entdeckungen auf den Kanaren und in Südamerika…
…hatten ein Vorspiel. Was ihn bewog, seine damals (und noch heute) aufsehenerregende Forschungsreise vom spanischen Festland aus, mit einem Einwochenaufenthalt auf Teneriffa weiter nach Südamerika zu unternehmen, beleuchtete im Vortragsporgramnm der Kulturtage Frau Dr. Sandra Rebok. Die deutscher Wissenschaftlerin ist seit 1998 in der Abteilung Organisation und Kulturwissenschaft am spanischen Centro Superior de Investigaciones Científicas, Madrid, tätig. Sie forscht dort u. a. speziell zu den deutsch-spanischen Wissenschaftsbeziehungen und brachte dadurch auch viele neue Aspekte zum Thema „Alexander von Humboldt und Spanien“ mit nach Berlin. Sie berichtete u. a. über Humboldts äußerst umsichtige und präzise Forschungsvorbereitungen mit Hilfe von Exkursionen auf der iberischen Halbinsel selbst. Interessant und bisher weitgehend unbekannt waren auch die aufgefundenen Zitate und Beispiele aus diversen zeitgenössischen Dokumenten, die etwas vom unangefochtenen Status seiner Forschungen auf der iberischen Halbinsel und den Kanaren selbst belegten. Die spanische Krone förderte sowohl seine Forschungsvorhaben mit allen Kräften nutzte aber auch seine Forschungsergebnisse intensiv. A. v. Humboldt wiederum „füllte“ diverse wissenschaftliche Sammlungen in ganz Spanien mit seinen seltenen Exkursionsfundstücken.
Seit wann gibt es eigentlich deutsch-kanarische Beziehungen?
Eine auch den Forscher und Lehrer interessierende Frage, beantwortete den Zuhörern in einem sehr informativen und faszinierenden Vortrag Herr Marcos Sarmiento Pérez, Professor an der Universität Las Palmas, Gran Canaria. Bereits 1402, also zu Beginn der Eroberung des Archipels durch die Spanier, machten zwei Deutsche auf sich aufmerksam: Guillaume de Andernach und Guillaume de Alemania. Unvorstellbar: Im 16. Jahrhundert sprach man in La Palma schon Deutsch, wenigstens in den Kreisen der Welser-Familie auf La Palma (Tazacorte), die sich dort dem Zuckerrohranbau widmete.
Einem gewissen Lucas Rem verdanken wir aus dieser Zeit den ersten deutschsprachigen Text in seinem Tagebuch über alle möglichen Belange der Inseln. Dass in A. v. Humboldts Zeiten noch weitere Preußen ziemlich stark von sich Reden machten, erstaunte schon. Marcos Sarmiento hatte reichhaltig Namen und Beispiele zur Hand und spannte schließlich den Bogen von Biologen, Zoologen, Ornitologen, Historikern, Juristen und Konsuln bis zu den Malern, die die Präsenz der Deutschen auf den Kanaren allein bis zum 20. Jahrhundert beeindruckend illustrierte.
Rätsel El Hierro
Sich noch mehr in Natur, Geografie, Geschichte, Mythologie und Landschaft dieser Insel im äußersten Westen des Archipels einzulassen – das ist auch ein Verdienst von Herrn Isiodoro Sánchez, dem kenntnisreichen Forst-Ingenieur von Teneriffa, ehemaliger EU-Abgeordenter und zugleich Ehrenmitglied von „Canarias en Berlín“. Er schrieb und editierte zusammen mit den weiteren Autoren Manuel Méndez und Juan Carlos Sánchez den neuen großformatigen Text-Bild Band „El Hierro – Isla de la diversidad, Isla de identidades“ („El Hierro – Insel der Vielseitigkeit, Insel der Identität“) – auch in deutscher Übersetzung. In 244 Seiten und über 150 Fotos „blätterte“ Isidoro Sánchez während seines Vortrages und legte den Zuhörern seine über alles geliebte und verehrte Insel einmal mehr ans Herz. Dass dabei mehr als nur „die Grüße der Bimbaches“ herausschauten, versteht sich bei einem kenntnisreichen Langzeitbewohner der Insel wie ihn von selbst. So ist natürlich über den „arból garoe“ , den mythischen wasserspendenden Baum ebenso viel Fundiertes zu erfahren, wie über die „lagartos gigantes“ oder das begriffliche Vexierspiel um den Namen „El Hierro“ – was heißt er und woher kommt er? Aufschlussreiche Antworten fand man bei Isidoro Sánchez – und findet man im Buch…
Die poetische Kraft der kanarischen Landschaft
Worin liegt sie begründet? Und was machen wir heute damit? Das waren die wichtigsten Fragen der Podiumsdiskussion zwischen Fernando Gómez Aguilera, Direktor der Stiftung César Manrique und Eberhard Bosslet, Professor an der Kunsthochschule Dresden, moderiert von Javier Krawietz, Canaris en Berlín. Es ging um Interventionen, künstlerische Eingriffe in die Landschaft, die sowohl Manrique (damals) als auch Bosslet (damals und heute) betreiben. Jeder auf seine Weise, jedoch mit frappierenden sich ähnlich scheinenden Ergebnissen. Manrique, der die Vulkanlandschaft Lanzarotes so maßgeblich wie kein anderer seit den 1970-er Jahren prägte. Bosslet, der seine „land art“ seit Anfang der 1980er Jahre auf verschiedenen Inseln als Eingriffe in die Landschaft „betreibt“. Kunst ist Landschaft, Landschaft ist Kunst. Auf die Perspektive kommt es an. Ein intelligentes Gespräch über die Kraft der Gestaltung und die Bereicherung des menschlichen Lebens durch Kunst, abseits von der Norm.
Wer kennt schon die Moderne Klassik der Kanaren
Moderne kanarische Kammermusik, auf den Kanaren selbst schon selten gespielt – in Deutschland dagegen von höchstem Seltenheitswert. Um so glücklicher war man in Berlin, ausgewählte zeitgenössische Klassik von den Inseln zu hören. Vom eindrucksvollen Stück „Arquitectura de tu pensar“ von Laura Vega bis zu den fragilen bzw. stark impulsiven Musikstücken von den kanarischen Komponisten Artero, Brito oder Daniel Roca… Zum Abschluss der Kulturtage meisterhaft dargeboten von vier jungen Solistinnen (Marta Masini – Querflöte, Olga Holdorff – Geige, Tatjana Himmelsbach – Cello und Daniela Gubatz – Geige). Alle Werke kamen erstmals nach Berlin – waren also deutsche Uraufführungen. Promuscan, die kanarische gemeinnützige Organisation zur Verbreitung und Förderung musikalischer Werke moderner kanarischer Klassik, ermöglichte dieses Konzert, das großen Beifall bei den Zuhörern fand.
Text und Fotos von
León W. Schönau
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