Die Entdeckung Fuerteventuras


Die Südseite der Halbinsel Jandía ist heute ein beliebtes Ferienziel. In den 60er-Jahren wurde der Urlaubsort mit dem Traumstrand von Deutschen touristisch erschlossen. Fotos: aereasdecanarias.com

Wie Jandía für den Tourismus erschlossen wurde

Fuerteventura – Hotels so weit das Auge reicht, nahezu perfekte Infrastrukturen und touristische Dienstleistungen. Wer das heutige Fuerteventura kennt, der wird sich kaum vorstellen können, dass eine Tourismushochburg wie das im Süden der Insel liegende und besonders unter deutschen Urlaubern höchst beliebte Jandía noch vor nicht allzu langer Zeit eine Sandwüste war. Hier lebten nur ein paar Einheimische in einem kleinen Fischerdorf, Morro Jable, in dem es nicht einmal fließendes Wasser geschweige denn Strom gab. Und die wenigsten werden wissen, dass dieses heutige Urlaubsparadies – die Karibik der Kanaren – von einer Handvoll Deutscher vor fast 50 Jahren entdeckt wurde. Das erste Hotel in Jandía, das „Casa Atlántica“, entstand Mitte der 60er-Jahre dank des Pioniergeistes dieser Männer. Die Lage an den traumhaften Stränden von Jandía lockte im Laufe der Jahre immer mehr Investoren an und führte zu einem regelrechten Bauboom, der Fuerteventura und insbesondere Jandía zu einem Mekka für überwiegend deutsche Urlauber machte.

Der Fischerort Morro Jable im Jahr 1965. Foto: WB
Der Fischerort Morro Jable im Jahr 1965. Foto: WB

Die meisten der heute dort tätigen Unternehmen kennen wohl die Anfänge der Entwicklung nicht mehr, und die Männer der ersten Stunde, die den Qualitätstourismus auf die Insel brachten, geraten immer mehr in Vergessenheit.

Einer von ihnen war Rul Bückle (1925-2005), der wohl als der „Fuerteventura-Entdecker“ bezeichnet werden darf.

Die Anfänge

Bückle gehörte zu den „Vätern des Tourismus“ auf Fuerteventura. Der Luftfahrtpionier gründete 1952 in Stuttgart die heute leider in Vergessenheit geratene Südflug als erste deutsche Luftverkehrsgesellschaft nach dem Krieg. Die Südflug bot in den 60er-Jahren die ersten Nonstop-Flüge auf die Insel Teneriffa an, die damals noch ausschließlich ein Winterurlaubsziel war, und es war Rul Bückle, der die Reize der größten Kanareninsel auch für die Sommersaison entdeckte. So war es die Südflug, die ab 1964 als erste Charterfluggesellschaft überhaupt auch während des Sommers Teneriffa anflog.

1967 berichtete „Der Spiegel“ in einem Artikel, dass Bückles Südflug nach Condor (43%) mit 38% den zweitgrößten Marktanteil am deutschen Charterfluggeschäft für sich beansprucht. 1968 wurde die Südflug von Lufthansa übernommen.

Während eines Aufenthaltes auf Teneriffa entstand die Idee bzw. der Traum von der Urlaubs-Destination Fuerteventura. Bückle lernte damals während eines Flugs auf die Insel die Architekten Manfred Henneken und Gustav Schütte (1928-2013) kennen. In seinem autobiografischen Buch „Turbulenzen“ schreibt Rul Bückle: „Die beiden wollten in Puerto de la Cruz ein Ferienhaus für einen Deutschen bauen (…) Wir verabredeten uns für den nächsten Abend im Café Oasis, und die Architekten brachten ihren künftigen Bauherrn, Walther Schirnecker, mit. Schirnecker kannte Teneriffa schon länger, verbrachte immer wieder einige Wochen auf der Insel. Seine Aufenthalte hatte er immer wieder dazu genutzt, auch die anderen Inseln der Kanaren kennenzulernen: „Was Sie auf Teneriffa vergeblich suchen, finden Sie auf Fuerteventura. Da gibt es Sandstrände so weit das Auge reicht, schneeweiß, wie Puderzucker – ein Paradies.“ Nachdem Bückle außerdem erfuhr, dass die Halbinsel Jandía einem Deutschen, Gustav Winter, gehörte, der angeblich versprochen hatte, demjenigen, der das erste Hotel auf Jandía baut, das Bauland zu schenken, entflammte Begeisterung für ein neues Projekt, das der geborene Optimist Rul Bückle schon verwirklicht sah.

Nach einer ersten Reise auf die Insel und einer Fahrt in den traumhaften Süden war er restlos überzeugt. Er würde das erste Hotel in dieser Wüstenlandschaft bauen und sie in ein Urlauberparadies verwandeln. Von seinem ersten Besuch in Jandía berichtet Bückle: „Hinter Gran Tarajal verstand ich, warum der Wagen mit Allradantrieb ausgestattet war. Bis dahin führte uns eine Asphaltstraße in Richtung Süden. Doch bald wechselte der Weg in eine unbefestigte Schotterpiste, die uns gehörig durchschüttelte. Je weiter südlich wir fuhren, desto schmaler wurde der Weg. Die Landschaft war unwirtlich, trocken und staubig. Jetzt konnte ich verstehen, warum auf der zweitgrößten Insel der Kanaren die wenigsten Menschen lebten. Endlich kamen wir an eine Umzäunung. Am Tor stand ein finster dreinblickender Insulaner und öffnete uns das Gatter. Der Zaun grenzte von Osten nach Westen die Halbinsel Jandía, Winters Besitz, vom Rest Fuerteventuras ab. Dahinter begann eine Sandwüste, wie ich sie zuletzt in der Sahara gesehen hatte. Schon bald war der Weg unter dem feinkörnigen Sand verschwunden. Jetzt versagte auch der Allradantrieb unseres Jeeps. Immer wieder stiegen wir aus und schoben den Wagen an. Der Fahrer orientierte sich an den Felsen. Kein Wunder, dass Winter mit dem Versprechen lockte, das Bauland großzügig zu verschenken. Hier musste eine komplette Infrastruktur aufgebaut werden. Meine anfängliche Begeisterung hatte während der Fahrt einen leichten Rückschlag bekommen.“

Doch Aufgeben lag nicht im Naturell Rul Bückles, und nachdem er den kilometerlangen weißen Strand von Jandía, die unberührten Dünen und den klaren, in der Sonne funkelnden Atlantik erblickt hatte, reiften die Hotelpläne weiter.

Vom Ziegenstall zum Hotel

Nach zähen Verhandlungen mit Winter, der zunächst doch nicht Wort halten und das Grundstück kostenlos hergeben wollte, erhielt Bückle eine Parzelle für sein Hotel. Darauf stand ein alter Ziegenstall. Dieser wurde mit Hilfe von Einheimischen „ausgemistet“ und peu à peu zu einem Flachbau mit vierzehn Zimmern ausgebaut. Das waren die Anfänge des Hotels „Casa Atlántica“, des ersten Hotels in Jandía.

Rul Bückles Hotel Casa Atlántica war das erste in Jandía. Es hatte 48 Betten. Foto: WB
Rul Bückles Hotel Casa Atlántica war das erste in Jandía. Es hatte 48 Betten. Foto: WB

Um das Baumaterial auf die Insel zu schaffen, war ein Aufwand nötig, über den heutige Bauherren auf Fuerteventura staunen würden. In den Frachträumen der DC-7C der Südflug wurde alles aus Deutschland herübergeflogen: Werkzeug, ganze Zimmerausstattungen, oft wurde Material auch kofferweise angeschleppt.

Das „Casa Atlántica“ wuchs zu einem terrassenförmig angelegten Hotel mit 48 Betten heran.

Den Gästen, die zahlreich kamen, standen eine Bar, ein Restaurant, Gesellschaftsräume, ein Tennisplatz und natürlich ein Pool zur Verfügung.

1968 wurde dann das „Hotel Jandía Playa“, das ebenfalls von Architekt Gustav Schütte mitgestaltet wurde, eröffnet – übrigens der erste Robinson Club weltweit.

In den 70er-Jahren wurde das „Casa Atlántica“ weiter ausgebaut. In den 80er- und 90er-Jahren baute Gustav Schütte das „Coronado“, eine Apartmentanlage direkt auf den Dünen von Morro Jable.

Rul Bückle verkaufte Anfang der Achtzigerjahre seine Anteile und erlebte (zum Glück) nicht mehr hautnah, wie der Massentourismus auf Fuerteventura Einzug hielt.

Auch Manfred Henneken kehrte Fuerteventura etwas später den Rücken. Als Einziger blieb Gustav Schütte. Nach Jahrzehnten auf der Insel bezeichnete er sich selbst als „Majorero“ – als Einheimischer. Die von ihm gebaute Apartmentanlage „Coronado“ wird heute von seinem Sohn Perry geführt.

„Sechs Millionen für eine Wüste?“

Übrigens: Noch bevor Anfang der Siebzigerjahre der Bauboom auf Fuerteventura einsetzte, hatte Gustav Winter dem Tourismus­pionier Rul Bückle angeboten, einen großen Teil seines Besitzes auf Jandía für sechs Millionen Mark zu verkaufen. Bückle lachte ihn aus: „Sechs Millionen? Für eine Wüste?“ Nicht einmal er erkannte damals das große Potenzial, das in dieser Halbinsel steckte.

2006 wurde Rul Bückle posthum vom Cabildo von Fuerteventura für seine Verdienste um den Tourismus auf der Insel geehrt.

Das Hotel „Casa Atlántica“ wurde längst abgerissen. An seiner Stelle wurde ein Einkaufszentrum mit Geschäften und Restaurants gebaut.[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]

About Wochenblatt

Das Wochenblatt erscheint 14-tägig mit aktuellen Meldungen von den Kanaren und dem spanischen Festland. Das Wochenblatt gilt seit nunmehr 36 Jahren als unbestrittener Marktführer der deutschsprachigen Printmedien auf den Kanarischen Inseln.
Comments are closed.