Gedanken für mich – Augenblicke für Gott
Ein Mann ist mit dem Zug unterwegs. Bei jeder Station, die dieser anfährt, steht er auf, schaut zum Fenster hinaus, liest den Ortsnamen – und stöhnt! So geht das ein paar Stationen, bis ihn sein Nachbar im Abteil ganz besorgt anschaut und fragt: „Was haben Sie denn? Tut ihnen irgendetwas weh? Kann ich ihnen in irgendeiner Form behilflich sein?“ – „Nein, nein, vielen Dank. Aber Sie können mir nicht helfen. Eigentlich müsste ich schon längst aussteigen, weil ich in die völlig falsche Richtung fahre. Aber wissen Sie: Es ist so schön warm hier drinnen und da kann ich mich nicht aufraffen.“
Geht es Ihnen manchmal auch so? Also ich kann es mit jeder Faser meines Körpers nachfühlen: „Es ist so schön warm hier drinnen. So angenehm. Hier fühl ich mich wohl; hier kenn ich mich aus; hier hab ich mich so richtig gemütlich eingerichtet – mit meinen Gewohnheiten, meinem Lebensstil.“ Oder wie sagte mir unlängst jemand: „Manches in meinem Leben ist halt so geworden; mit meinem Job, meiner Ehe, meinem Freundeskreis – und auch mit mir selbst. Es läuft irgendwie!“ Oh ja, hier drinnen ist es ja so schön warm.
„10 Kilo weniger würden mir mehr als gut tun“, weiß ein Freund mir zu berichten, „aber ich esse halt so gerne.“ – „Wann wissen Sie es nicht nur, wann fühlen Sie wirklich, was Ihnen Ihre Rückenschmerzen sagen?“, fragt die Krankengymnastin. – „Wie es meinem Partner wirklich geht, kann ich nicht genau sagen. Wir haben nicht mehr so viel Zeit füreinander. Wissen Sie, die Kinder, die Arbeit, dann das neue Haus und was da noch alles gemacht werden muss…“
„Ich müsste eigentlich längst aussteigen! Ich fahre komplett in die falsche Richtung“, das erkennt der Reisende in der Geschichte. Und das für mich verblüffende an der Geschichte ist, dass wir es ja meist wirklich wissen, dass da was verkehrt läuft. Man spürt es, erkennt es für sich selber und könnte eigentlich aus tiefem Herzen heraus sagen: Ich fahre und weiß darum, dass es die falsche Richtung ist. Das passiert einem im Blick auf das eigene Leben und man weiß es auch im Blick auf die größeren Zusammenhänge in unserer Gesellschaft. Beispiele gefällig? Seit Jahren ist uns bekannt, dass unser Rentensystem angesichts der demographischen Entwicklung so nicht weitergeführt werden kann, sondern erheblicher Korrekturen bedarf. Allein: Man weiß darum, aber es gibt keine herzhaften Bestrebungen, das Problem von Grund auf neu anzugehen, sondern es wird Flickschusterei betrieben. Oder: Man weiß darum, dass unser Lebensstil auf die Kosten der nachfolgenden Generationen geht, der Generationen unserer Kinder und Enkelkinder – und was passiert? Es wird mal hier oder dort unter dem Deckmäntelchen des Umweltschutzes wieder etwas diskutiert – aber der wirkliche Umkehrschritt bleibt aus; obwohl die klimatischen Veränderungen nicht mehr wegzudiskutieren sind. Oder: Man weiß, dass ein Krieg immer der falsche Weg ist … – was könnte man nicht alles weiter ausführen!
Wenn man erkennt, dass der Weg in die falsche Richtung geht, dann müsste man logischerweise umdrehen und die andere Richtung einschlagen. Die Bibel nennt das „Umkehr“ – nur: sie liefert kein Patentrezept, wie das gehen kann. Aber genau das ist mir so sympathisch, denn alles andere wäre verlogen. Für Richtungswechsel, die mein Leben betreffen, gibt es keine Rezepte. Sie fallen schwer, kosten Kraft und sind mitunter nur durch persönliche Krisen tatsächlich zu erkennen. Zum Glück zeigt mir die Bibel, dass Menschen, die um die Kraft zu einem solchen Richtungswechsel ringen, sich wirklich voll und ganz auf die Unterstützung Gottes verlassen können. Denn Gott lockt seit jeher den Menschen hinaus ins Weite, in die Fülle des Lebens. Wann aber fühle ich das?
Umkehr ist für mich immer ein kleines Wunder. Aber es geschieht auch heute – im kleinen des persönlichen Lebens und im großen des gesellschaftlichen Alltags. Da hat z.B. vor ein paar Jahren ein amerikanischer Gouverneur, eifriger Verfechter der Todesstrafe, alle Todeskandidaten zwei Tage vor seiner Pensionierung begnadigt, weil zu viele Justizirrtümer Zweifel in ihm aufkommen ließen. Sein Kollege Arnold Schwarzenegger geht heute neue Wege in Richtung Klima und Umweltschutz, obwohl er noch vor Jahren ganz anders gesprochen hat. Und wie viele Beispiele eines gelungenen Richtungswechsels gibt es im ganz persönlichen Bereich? Das alles sollte uns Mut machen, bei sich selber „dran zu bleiben“, sich nicht für einen aussichtslosen Fall zu halten, wenn es mit der Richtungsänderung beim Jahreswechsel noch nicht geklappt hat. Wir haben Tag für Tag aufs Neue die Chance und die Möglichkeit dazu. Sicher ist: Wann immer mir diese Umkehr gelingt, werde ich erfahren, wie befreiend sie auf mich wirkt. Dann weiß ich: Jetzt stimmt’s. Das Leben ist doch viel zu kostbar, um stöhnend täglich in die falsche Richtung zu fahren.
Bertram Bolz, Diakon
Kath. Touristen- und
Residentenseelsorger
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