Die Stimme der Stummen


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Drei jugendliche Bootsflüchtlinge aus Senegal kämpfen mit Rap gegen Vorurteile

Protest gegen Vorurteile, Selbstdarstellung als Weg zur Verständigung im fremden Land: Issa, Ibrahima und Beyatt sind Rapper aus Leidenschaft und leidenschaftlich vertreten sie in ihren Sprechgesängen ihr Anliegen, „die Stimme der Stummen“ zu sein.

Alicante – Famille Bou Bess haben sie ihre Gruppe genannt, eine Mischung aus Französisch und ihrer senegalesischen Muttersprache Wolof. Übersetzt heißt das „neue Familie“, und die haben sie aneinander gefunden. Sie kannten sich nicht, als sie 2006 in drei verschiedenen Flüchtlingsbooten aus Senegal in Los Cristianos auf Teneriffa ankamen. Doch sie haben dieselbe Geschichte. Keiner der drei hat seiner Mutter erzählt, dass er abhauen wollte. „Meine Mutter hätte das niemals erlaubt“, sagt Beyatt, und die anderen beiden nicken dazu. Voller Zuversicht haben sie sich auf die Reise ins Ungewisse gemacht, gedacht: Wenn du ankommst, ruhst du dich einen Tag aus, und dann fängst du an zu arbeiten.

„Was, du arbeitest nicht? Warum bist du dann überhaupt fortgegangen?“

Doch die Realität sah anders aus, als jeder der drei damals Minderjährigen es sich ausgemalt hatte. Nach der einwöchigen, entbehrungsreichen Überfahrt über das Meer erwartete sie auf Teneriffa nicht die erhoffte Arbeit, sondern die Polizei und das Jugendinternierungszentrum. Dort lernten sich die drei kennen. Sie hatten Eingewöhnungsschwierigkeiten dort in La Esperanza, wo die Nächte kalt sind. Auch das Essen war ihnen fremd und zuwider. Und sie hatten nicht damit gerechnet, jeden Morgen um 6 Uhr aufstehen zu müssen, um in die Schule zu gehen.

Die Reaktion der Familien, als sie Telefonkontakt hergestellt hatten, war übereinstimmend: „Was, du arbeitest gar nicht? Warum bist du dann überhaupt fortgegangen?“ Denn in Senegal leben viele Familien von der Unterstützung, die ihnen die ausgewanderten Familienangehörigen durch ihren Verdienst zukommen lassen.

Alle drei waren schon in der Heimat Rapper gewesen. Nun rappten sie in ihrer Freizeit, blieben auch nach Erreichen der Volljährigkeit zusammen, kamen gemeinsam in eine Übergangswohnung einer NGO, wo sie drei Monate lang mehr recht als schlecht lebten. Issa und Beyatt arbeiten inzwischen in einem Fastfood-Restaurant; Ibra ist nach fast einem Jahr auf dem Bau wieder arbeitslos. Doch die drei bringen ihre Rap-Songs, in denen sie ihr Innerstes rauslassen: „Viele Menschen singen aus Freude, aus Selbstverliebtheit oder um Geld zu verdienen. Wir rappen, bis uns die Luft ausgeht. Weil wir unsere Botschaft heraussingen wollen.“

Und Ibra rappt mal so kurz auf spanisch vor sich hin: „Wir halten nicht mehr unseren Mund, wir sind nicht blöd und dumm. Aus tiefem Herzen sagen wir: Wir sind so intelligent wie ihr. Wenn uns ein Fremder ansieht, denkt er gleich das ist ein Dieb. Ich klaue nicht, ich stehle nicht, und schaut mir ruhig ins Gesicht. Ein Afrikaner bin ich, und kein Dschungel-Irrlicht.“

In ihren Rap-Songs klagen sie die Gesellschaft an, in der „die Reichen die Armen ausbeuten“, doch glauben sie fest, dass die noch in diesem Leben für diesen Missbrauch werden zahlen müssen, denn – sie drücken es sehr plastisch aus – „dieses Leben ist wie eine rollende Kugel, und keiner weiß, in welches Loch sie letztendlich fallen wird.“

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