Die spanische Vizeregierungschefin Carmen Calvo kündigte im Vatikan eine entsprechende Strafrechtsreform an
Madrid/Rom – Die spanische Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez hat eine Strafrechtsreform angekündigt, welche die Verjährung von sexuellem Missbrauch an Minder- jährigen abschaffen soll. In Spanien sind ansonsten nur terroristische Mordanschläge sowie Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit von der Verjährung ausgenommen. Über dieses Gesetzesvorhaben informierte die spanische Vizepräsidentin Carmen Calvo den Vatikan-Staatssekretär Pietro Parolini im Verlauf eines zweistündigen Treffens in Rom. Dabei wurden auch weitere heikle Konfliktpunkte zwischen Staat und Kirche, wie die Steuervorteile der Bischöfe und die Aneignung zuvor nicht im Grundbuch eingetragener Immobilien angesprochen. Die Initiative fällt in eine Zeit, da immer mehr Beweise darüber ans Licht kommen, wie die Katholische Kirche sexuelle Übergriffe von Priestern systematisch vertuschte.
In einer Regierungsverlautbarung, die kurze Zeit nach dem Treffen veröffentlicht wurde, heißt es: „Die Kirche hat ihre Sorge darüber mitgeteilt, den Opfern Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen und solchen Vorkommnissen in Zukunft vorzubeugen. Diese Sorge wird von der Regierung geteilt. In diesem Zusammenhang hat die Regierung den Vatikan über Änderungen des Strafrechts informiert, welche bewirken sollen, dass diese Straftaten nicht verjähren können.“
Nach dem aktuell gültigen Strafrecht beginnt in Spanien die Verjährungsfrist mit der Volljährigkeit des Opfers. Je nach Schwere des Falles währt die Frist zwischen fünf und fünfzehn Jahren. Sie endet also allerspätestens, wenn der Betroffene 33 Jahre alt wird. Doch die Opfer brauchen viele Jahre, um die Aggressionen, die sie erlitten haben, so weit zu verarbeiten, dass sie darüber sprechen können. Nach einer Studie der Organisation „Save the Children” liegt das mittlere Lebensalter, ab dem Missbrauchsopfer zu reden beginnen, bei 35 Jahren, zu einem Zeitpunkt also, an dem die Täter nicht mehr belangt werden können.
Die Regierung strebt die Unverjährbarkeit des sexuellen Missbrauchs an Kindern an, doch auch abgeschwächte Lösungen, wie ein Beginn der Verjährungsfrist ab dem 30. oder gar 50. Lebensjahr des Opfers, sind auf Vorschlag verschiedener Opferverbände im Gespräch. Ein Gesetz zum umfassenden Schutz vor Gewalt gegen Kinder soll, nach Aussagen von Innenminister Fernando Grande-Marlaska, noch vor Ende des Jahres auf den Weg gebracht werden.
Auch in anderen Ländern gibt es Bestrebungen, die Verjährungsfristen für sexuellen Missbrauch deutlich zu verlängern. In Frankreich wurde die Frist gerade von zwanzig auf dreißig Jahre ausgedehnt. In Chile soll eine Verjährung ebenfalls ganz abgeschafft werden, in Großbritannien ist dies schon geschehen, und im US-Bundesstaat Pennsylvania, der ein Brennpunkt der aktuellen Missbrauchsskandale ist, wird ebenfalls eine Verlängerung der Verjährungsfristen angestrebt.[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]