Abkommen mit den Staaten an der afrikanischen Westküste sollen einer Migrantenkrise wie in 2006 / 2007 vorbeugen
Kanarische Inseln – Vor der Küste von Westsahara starben im Dezember vergangenen Jahres über Hundert junge Menschen beim Untergang eines Seelenverkäufers, der sie von Gambia aus zu den Kanaren hätte bringen sollen. Viele der Überlebenden werden es dennoch wieder versuchen. Für unzählige junge Afrikaner ist Europa weiterhin das gelobte Land. Den „Backway” nennen die Gambier die Überfahrt zu den Inseln, in Mali oder Senegal spricht man vom „Abenteuer”. Seitdem die Überfahrt über das Mittelmeer deutlich erschwert worden ist, rückt diese in den letzten Jahren nur geringfügig frequentierte Route wieder verstärkt ins Visier der Schlepperorganisationen und der Auswanderungswilligen.
Im Jahr 2019 gelangten 2.644 Migranten über diesen Weg nach Europa, die meisten davon kamen in den letzten Monaten des Jahres. Damit wurde eine Größenordnung erreicht, wie sie zuletzt vor einem Jahrzehnt im Jahr 2009 verzeichnet wurde, als 2.250 Migranten gezählt wurden.
Diese Zahlen sind jedoch noch weit entfernt von denen der Imigrationskrise der Jahre 2006 und 2007, als insgesamt rund 50.000 Personen die Fahrt über den Atlantik gelang. Damals gab es zahlreiche tödliche Schiffbrüche, die Rettungskräfte arbeiteten ständig am Rande ihrer Kapazitäten, die Aufnahmezentren waren überfüllt und überall auf den Inseln gab es provisorische Migrantenlager.
Dieser Ansturm hatte seinen Ursprung widersprüchlicherweise darin, dass sich ab 2004 die Zusammenarbeit zwischen Spanien und Marokko verbesserte und Rabat das Auslaufen weiterer Pateras von seinen Küsten verhinderte. Dies veranlasste die Schlepper dazu, Fahrten von weiter südlich gelegenen Küsten in Mauretanien und Senegal zu organisieren. Das verlängerte die Seereise zwar von wenigen Hundert auf bis zu 2.000 Kilometer, ersparte den Migranten jedoch die beschwerliche Reise durch die Weiten der Sahara-Wüste, die Monate oder gar Jahre in Anspruch nehmen konnte. Tausende machten sich in altersschwachen, überfüllten Schiffen auf die mehrwöchige Reise. Dutzende dieser Boote erlitten Schiffbruch, Hunderte Menschen starben im Atlantik. Dies veranlasste die spanische Regierung zu einer regelrechten diplomatischen Offensive gegenüber den Staaten an der Afrikanischen Küste. So wurden zwei Strategien etabliert, auf die sich die Kontrolle der Migration in diesem Raum stützt. Zum einen die Überwachung der Küsten durch die einheimische Polizei. Dies unterstützte Spanien durch die Schenkung von Patrouillenbooten, Ausbildungsprogramme und Beamte der Guardia Civil und Nationalpolizei vor Ort in Senegal, Mauretanien, Gambia und Guinea Bissau. Zum anderen wurden im Rahmen verbesserter bilateraler Beziehungen Rückführungsabkommen geschlossen.
Dies bremste den Verkehr über die Kanaren-Route weitgehend aus, und in den Jahren 2010 bis 2017 blieben die Zahlen stets unter Tausend. Die bestehende polizeiliche Zusammenarbeit mit Senegal und Mauretanien dämpft den neuerlichen Ansturm auf die Kanaren zwar ab, doch hat sich mit Gambia eine neue offene Flanke aufgetan. Die letzten großen Migrantenboote, die im November und Dezember ankamen, sind von dort aus gestartet. Zwar wurde seinerzeit auch mit Gambia ein Abkommen über Zusammenarbeit geschlossen, doch gab es 2017 einen Regierungswechsel und eine Einigung mit der neuen Regierung wird einige Zeit und diplomatische Arbeit in Anspruch nehmen.