Fest aller Heiligen – Gedenken aller Seelen


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Eigentlich kann man diese beiden Tage kaum voneinander trennen, weil der Gedenktag Allerseelen stark in den Feiertag des 1. November hineinreicht. Am Nachmittag von Allerheiligen werden nämlich in vielen Gemeinden – sowohl hier als auch im deutschsprachigen Raum – die Gräber der Verstorbenen besucht. Also – Allerheiligen ein eher trauriger Festtag.

Da werden an den Gräbern oder Urnengedenktafeln Kerzen entzündet und die Menschen denken an die kostbaren Momente, die sie mit dem/r Verstorbenen geteilt haben. Bei manchen ist die „Wunde des Abschieds“ noch frisch, kaum verheilt und bricht wieder neu auf. Noch immer können sie es nicht fassen, dass ihr Kind nicht mehr fröhlich singend zur Tür hereinkommt, die Frau oder der Ehemann beim Aufwachen nicht mehr neben einem liegt. Das Haus, die Wohnung ist so leer geworden und die Wunde will und will nicht heilen.

Darum sollte dieser Tag eigentlich ein Tag der Solidarität sein; der Solidarität mit all denen, die trauern. Natürlich kann ich keinem anderen Menschen die Trauer abnehmen, aber ich kann sehr wohl meine Verbundenheit zeigen. Als Christen haben wir ja über dieses Leben hinaus die Gewissheit, dass der Tod nicht das Letzte in dieser Welt ist. Deshalb entdeckt man auf Gräbern oder Erinnerungstafeln oft das Kreuz. Es erinnert an Jesus von Nazareth, der nach christlicher Überzeugung durch den Tod hindurch in ein neues Leben gegangen ist – jenes Leben, das keinen Tod mehr kennt. Er gibt uns auch die Hoffnung, ja macht uns gewiss, dass unsere Verstorbenen nicht tot sind, sondern lebendig in neuer Form – nicht mehr gebunden an Raum und Zeit.

Deshalb können manche auch die Gegenwart eines lieben Verstorbenen spüren. Eine Frau sagte mir mal: „Ich spüre meinen Mann immer wieder hier – bei mir. Ich spreche mit ihm, manchmal schimpfe ich auch mit ihm, weil er es bei Gott jetzt ja gut hat und ich mich hier noch abplagen muss. Aber dann spüre ich auch wieder, wie er mich ermutigt; spüre seine Kraft in mir und ich weiß, eines Tages werde auch ich schauen und erleben dürfen, was ihn jetzt so zufrieden und heiter macht.“

Ich finde es schön, wenn Menschen diese Gewissheit haben können. Selbstverständlich gibt es auch andere, die gar nichts spüren und die von dem Verlust des geliebten Menschen fast irre werden. Nur denke ich: Vielleicht spüren auch sie eines Tages, dass der/die Verstorbene ihnen nahe ist. Ich bin sicher, die Dankbarkeit für das Leben eines Mitmenschen bringt ihn uns auch näher. Denn die Dankbarkeit entspringt der Liebe und die Liebe bringt auch das Unmögliche fertig. Daran sollten wir denken, wenn wir an den Gräbern lieber Menschen stehen und wenn wir Allerseelen feiern und an sie denken.

Am Vormittag des ersten November denken wir an eine ganz besondere Gruppe Verstorbener – nämlich an die Heiligen. Dabei denken wir nicht nur an die berühmten und bekannten wie eine Hildegard von Bingen, eine Elisabeth von Thüringen, einen Franziskus oder Martin von Tours. Nein wir denken da auch an die vielen Unbekannten; jene Schar, die im letzten Buch der Bücher genannt ist. Der Verfasser dieses Buches sieht in seiner Vision zunächst aus den 12 Stämmen Jakobs je 12.000 Erwählte – eine symbolische Zahl der Fülle des ersten Gottesvolkes Israel. Danach sagt er: „Ich sah eine unzählbare Menge aus jeder Nation, jeder Rasse und Sprache, die vor dem Thron Gottes standen. Sie waren weiß gekleidet und trugen Palmen in ihren Händen.“ Dieser unzählbare Strom der Menschen wird als heilig angesehen, weil sie von der Liebe Gottes erfüllt sind – dafür steht das weiße Gewand. 

Darum denke ich an Allerheiligen auch gerne an die, die für mich ein Bild der Liebe Gottes geworden sind und die ich schon beerdigt habe. Menschen, durch die ich gespürt habe, was für mich einen Heiligen ausmacht: Nicht dass er eben schon auf Erden mit einem Heiligenschein herumläuft und mehr „schein“ als „heilig“ ist. Nein, ich denke vielmehr an Eigenschaften, die etwas von der Liebe Gottes aufscheinen ließen: z.B. Offenheit im Umgang miteinander, Engagement für andere, Liebenswürdigkeit. Menschen eben, die mir und anderen Mut zum Leben gemacht haben. Genau solche Menschen hat doch Jesus selig gepriesen: Menschen, die in ihrem Leben offene Hände und ein weites Herz gehabt haben. Menschen, die Licht und Farbe in das Leben anderer Menschen gebracht haben; Menschen, die in schwierigen Situationen einfach für andere da waren. Sie haben vielleicht gar nicht viel gesagt. Sie haben uns nur in den Arm genommen und dadurch ließ der düstere Horizont einen Sonnenstrahl durch. Schön, wenn es für uns solche „handgreiflichen Heilige“ in unserem Alltag gibt.

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de oder www.wochenblatt.es

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