Auf dem Archipel werden immer weniger Kinder geboren
Kanarische Inseln – Spanienweit ist die Geburtenrate auf Talfahrt. Im letzten Jahrzehnt ist sie um 30 Prozent gesunken. In Spanien erblickten 2019 nur 359.770 Kinder das Licht der Welt. Ein Tiefpunkt, denn laut dem spanischen Statistikamt INE ist dies die niedrigste Geburtenrate seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1941.
Auch die kanarischen Frauen machen in diesem Punkt keine Ausnahme. Im Gegenteil: Es bestätigt sich nicht nur die anhaltend rückläufige Tendenz, sondern die einzelne Frau bekommt auch immer weniger Kinder. Während die Spanierin allgemein durchschnittlich 1,23 Kinder zur Welt bringt, sind es in kanarischen Familien nur noch 0,94 Kinder.
Gründe dafür gibt es viele. Zum Beispiel leben nicht mehr viele Menschen von der Landwirtschaft. Früher sorgte eine reiche Kinderschar für viele zupackende Hände. Für Bauern waren die eigenen Kinder wichtige Arbeitskräfte und die Versorger der Eltern im Alter. Heute fallen diese Faktoren nicht mehr ins Gewicht. Vielmehr streben immer mehr junge Frauen einen attraktiven Beruf und ein eigenes Einkommen an. Der Wunsch nach einem eigenen Kind steht dann zunächst hinten an. „Erst einmal das Leben genießen, reisen, uns etwas leisten, anstatt uns selbst das Leben zu erschweren“, so lautet die Devise der jungen Paare. Der Nachwuchs kann warten.
Deshalb ist auch das Durchschnittsalter der Erstgebärenden inzwischen auf 32,2 Jahre angestiegen. Die Zahl der Mütter über 40 macht heute schon fast 10% aus und ist in den letzten zehn Jahren um mehr als 63% gestiegen. Was früher einmal „Spätgebärende“ waren, ist heute schon fast Normalität oder zumindest keine Besonderheit mehr.
Gesellschaft im Wandel
Aber nicht nur diese Faktoren nehmen auf die Entscheidung für oder gegen die Mutterrolle Einfluss. Auch die wirtschaftliche Lage lässt den Wunsch nach Kindern steigen oder sinken. Es ist zu beobachten, dass in Krisenzeiten weniger Geburten registriert werden, als in üppigen Zeiten.
Die junge Generation ist nachdenklich. Sie hinterfragt sich und ihre Lebensziele neu. Nicht nur die finanzielle Situation rückt in den Fokus der Überlegungen, sondern auch der Klimawandel mit seinen Zukunftsfragen.
Das klassische Bild der Familie hat sich auch auf den Kanaren wesentlich verändert. Die Großfamilie bröckelt, und die Großeltern sind nicht mehr automatisch zur Stelle, wenn es um die Betreuung der Enkel geht.
Das wurde gerade jüngst in der Corona-Zeit offenbar. Waren es beispielsweise im Zuge der Finanzkrise vor einem Jahrzehnt vor allem die Großeltern, die einsprangen, um Kinder während der Arbeitszeit zu betreuen, so fielen zur Zeit der Pandemie gerade diese als Anlaufstelle aus.
Umso schlimmer, dass auch die Schulen und Tagesstätten geschlossen waren. Kinder werden dann zum Kostenfaktor und zum Problem, das es „unterzubringen“ gilt. Die moderne Gesellschaft befindet sich im Wandel. Längere Lebenserwartungen und Geburtenrückgang stehen sich gegenüber und stellen Politik und Gesellschaft vor neue Aufgaben.