Das regionale Tourismusministerium hat eine Liste mit 117 „charcos“ erstellt, die durch gezielte Baumaßnahmen besser zugänglich gemacht werden sollen
Kanarische Inseln – Das regionale Tourismusministerium hat das Potenzial der im Volksmund als „charcos“ (Pfützen) bekannten Gezeitentümpel für den Tourismus erkannt. Entlang der kanarischen Küste sind mehrere Hundert kleinere und größere auf natürliche Art durch erstarrte Lava entstandene natürliche Schwimmbecken zu finden, manche davon nicht viel größer als eine Badewanne, andere zum Schwimmen tauglich. 492 „charcos“ hat das kanarische Tourismusministerium entlang der Küste der sieben Inseln ausgemacht.
Touristen bleiben diese Naturschätze der Küste meist verborgen, da nur wenige davon so bekannt sind, dass sie es in Reiseführer schaffen. Beispiele für die bekannten Lavapools sind „Charco de la Laja“ in San Juan de la Rambla, „Charco del Viento“ in La Guancha oder „Charco de la Araña“ in Los Silos auf Teneriffa.
Nun hat die regionale Tourismusministerin angeregt, über den neuen Plan für touristische Infrastruktur einzelne Gezeitentümpel durch bessere Zugänge, Schattenbereiche und Beschilderung in das touristische Angebot aufzunehmen. Eine Liste der 117 dafür infrage kommenden Lavapools wurde bereits erstellt; nun sollen entsprechende Projekte ausgearbeitet werden. Bei der Auswahl der als Badestellen für Touristen geeigenten „charcos“ wurden Aspekte wie die Zugänglichkeit, die Sicherheit sowie die Ausmaße berücksichtigt. Auf Teneriffa wurden 61 Gezeitentümpel von touristischem Interesse bestimmt, auf Fuerteventura 18, auf Lanzarote 11, auf Gran Canaria 10, auf La Palma 8, auf El Hierro 8 und auf La Gomera einer.
Der Generaldirektor für touristische Infrastruktur bei der kanarischen Regierung, Fernando Miñarro, erklärte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur EFE, dass für jede dieser besonderen Badestellen ein spezifisches Projekt ausgearbeitet werde. Die einzelnen baulichen Vorhaben würden dann nach Genehmigung und Bereitstellung der Finanzierung durchgeführt. Dabei werde großer Wert auf den Schutz dieser besonderen Küstenabschnitte gelegt.
Experten halten das Vorhaben für einen Fehler
Während Biologen bereits Bedenken äußerten und die Werbung für die Gezeitentümpel, die Lebensraum zahlreicher Arten sind, kritisch sehen, erklärte Miñarro, dass die „charcos“ über die Sozialen Netzwerke ohnehin schon bekannt gemacht würden, und die touristische Nutzung unter strenger Beachtung der Umweltaspekte und mit maximalem Respekt erfolgen werde.
Der Meeresbiologe Pablo Martín, dessen Spezialgebiete Biodiversität und Artenschutz sind, hat das Vorhaben der „Touristifizierung“ der Gezeitentümpel scharf kritisiert und in erster Linie als „unnötig“ bezeichnet. Die empfindlichen Ökosysteme dieser Zonen, von denen viele bislang quasi geheim gehalten werden konnten, würden damit einem Risiko und dem Massentourismus ausgesetzt, bedauerte er. Die „charcos“, die die Regierung im Auge habe, seien größtenteils schwer zugänglich, was es ermöglicht hat, dass sie bis heute nahezu unberührt und von durch den Menschen verursachter Verschmutzung verschont blieben. Ausgerechnet diese Tümpel sind oftmals Brutstätten, wie zum Beispiel die „charcos“ in Punta del Hidalgo, wo Zackenbarsche (Mero), die Geißbrassen (Sargo) oder Papageifische (Vieja) heranwachsen. Den Tourismus in diese Gebiete zu locken, sei ein Fehler, mahnt Martín, denn schon allein durch die Sonnenschutzcreme, die durch die Badenden ins Wasser gelangt, entstehe eine Verschmutzung. Außerdem sei die Verschmutzung durch Abfall offenbar unvermeidlich, wie das Beispiel des über die Sozialen Medien in Mode gekommenen „Charco del Tancón“ zeige; hier werden liegengelassene Flaschen zu tödlichen Fallen für Krebse, ebenso wie Plastiktüten, die im Meer landen, von Meeresschildkröten verschluckt werden können.
Auch am Beispiel des „Charco del Viento“ zeigt sich nach Einschätzung des Experten der negative Einfluss des Menschen auf diese Naturgebiete und ihre Bewohner. „Hier laufen schon die Eidechsen hinter den Badegästen her, um gefüttert zu werden“, so Pablo Martín, der auf Change.org eine Unterschriftenaktion gegen das Vorhaben der Regierung gestartet hat. Seine Petition „Los charcos de Canarias no se tocan“ (Die Tümpel der Kanaren werden nicht angetastet) haben bereits 11.000 Unterstützer unterzeichnet.
Auch der Umweltwissenschaftler Adrián Flores steht dem Vorhaben skeptisch gegenüber und befürchtet, dass die bloße Anwesenheit von Menschen in diesen Gebieten bereits ihre Ökosysteme durcheinanderbringen könnten. Viele davon befänden sich außerdem in der Nähe der Steilküste, wo Meeresvögel nisten. Diese könnten, wenn sie sich durch Lärm gestört fühlen, ihre Nester verlassen.
Ablehnung aus Unkenntnis
Fernando Miñaro bedauerte die durch die Ankündigung des Vorhabens ausgelöste Polemik und versicherte, dass seinem Ressort gerade der Erhalt dieser besonderen Badestellen ein Anliegen sei. Die offenbar breite Ablehnung in der Bevölkerung führte er auf Unkenntnis zurück. Schließlich sei das Projekt ja noch nicht einmal einsehbar, da es noch nicht offiziell vorgestellt wurde. Die „charcos“ um die es gehe, würden ja ohnehin schon von Menschen aufgesucht. Deshalb könne er nicht verstehen, dass das Austauschen einer verrosteten Leiter, das Aufstellen eines Mülleimers oder einer Informationstafel, die auf die Besonderheit dieses Ortes aufmerksam macht, ein Problem darstellen soll. Es gehe darum, Orte, die bereits von Menschen genutzt werden, zu verbessern bzw. das Angebot der Badestellen zu diversifizieren, damit sich die Besucher nicht auf einige wenige konzentrieren, erklärte er.
Entlang der kanarischen Küste verteilen sich 492 Gezeitentümpel, von denen aber viele aus Sicherheitsgründen nicht zum Baden geeignet sind.
[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]