Gedanken für mich – Augenblicke für Gott
Unlängst hat das Sprechen von und über Gott auch gesellschaftlich ganz hohe Wellen geschlagen, als die deutsche Familienministerin auf einmal von „das Gott“ sprach und damit eine weitreichende Diskussion ausgelöst hat.
Keine Bange, ich will das Thema hier nicht vertiefen. Aber all das Gesagte aus den Diskussionen hat bei mir dazu geführt, dass ich gerne mit Ihnen mal in Gedanken darüber verfallen möchte, welche Bilder von Gott wir denn so in unseren Köpfen tragen.
Wir machen uns ja immer ein Bild von Gott, auch wenn wir das nach alttestamentlichem Gebot nicht tun sollten. Aber es ist so. Und wenn alles gut geht, dann lösen sich dabei im Laufe unseres Lebens verschiedene Bilder ab. Ein Kind hat z.B. ein anderes Bild von Gott als etwa ein Pubertierender. Wahrscheinlich ist auch entscheidend, in welchem Umfeld (Eltern, Freundeskreis, Partner/in…) wir von Gott reden; ob unser Gottesbild eher männlich oder weiblich geprägt ist, mehr offen und nah, oder eher strafend und fern. Prägend für unser Gottesbild sind sicherlich auch besondere Erfahrungen, tiefgreifende Erschütterungen oder schöne Erlebnisse. Am stärksten in Frage gestellt und beeinflusst werden unsere Gottesbilder durch Unglücke, Krankheit, Leid und Tod. Aber auch durch Sehnsucht und Erfüllung, durch die Liebe und ihre Enttäuschungen.
Wesentlichen Anteil an unserer Vorstellung von Gott hat sicher auch die Kirche. Kindergarten, Religionsunterricht, die Verkündigung im Gottesdienst – das alles prägt unser Gottesbild. Manchmal sogar so intensiv, dass eigene Erfahrungen verhindert oder gar unterdrückt werden. Dann sind auch keine Überraschungen mehr möglich; das Gottesbild erstarrt und fördert die Starrheit und Härte des Glaubenden – oder aber: es zerbricht eines Tages, und damit bröselt dann auch der Glaube.
Ein wunderschönes Bild von Gott habe ich persönlich beim Propheten Hosea gefunden, wo Gott als Liebhaber geschildert wird, der seine Braut in die Wüste führt, ja sie quasi verführt. Dieses Bild passt natürlich nicht zu den verordneten Gottesbildern, und deswegen werden solche Texte in den Gottesdiensten unserer Kirche auch gerne überlesen oder unterschlagen. Denn hier gilt ja seit 2000 Jahren: Gott ist der Herr – wobei HERR möglichst groß zu schreiben ist. Das kommt nicht nur daher, dass alle Übersetzer der biblischen Schriften Männer waren. Nein, Herr ist unser Gott auch, sicher – aber eben nur „auch“. Es ist nur eines von tausend möglichen Bildern, aber es wurde zum einzigen Bild gemacht. Und so verwenden wir es – mehr oder weniger – fast schon stereotyp in unseren Gottesdiensten: „Lobet den Herren…-Herr, erbarme dich…der Herr ist mein Hirte…der Herr segne euch…durch Christus, unsern Herrn…“
Warum das so bedeutsam ist? Weil der Name viel über das Wesen aussagt. Wenn wir z.B. Herr und „Liebhaber“ einander gegenüberstellen, dann spüren wir das sofort. Allein der Name löst ja schon unterschiedliche Gefühle aus. Deshalb möchte ich Ihnen noch etwas mehr von diesem Prophetentext näherbringen. Gott wirbt hier um den Menschen, um sein Volk wie um eine Braut, die treulos geworden ist. Partner, die sich mit ihrer Partnerschaft in einer kritischen Situation befinden, können davon ein Lied singen, wie schwierig, ja manchmal fast aussichtslos das ist. Doch Gott gibt nicht auf. Er vertraut wie ein richtiger Liebhaber auf die Zeiten des Anfangs, auf jene Zeit, als die Liebe noch jung und ursprünglich war. Damals, als das Volk Israel durch die Wüste zog und sich seinem Gott buchstäblich anvertraute.
In dieser Zeit der ersten Liebe, da gab Gott seinen Namen preis. Das musste er auch, denn ein Liebhaber oder eine Liebhaberin muss sich „outen“, wenn die Liebe ernst gemeint ist. Deswegen erfinden Liebende ja auch immer wieder neue Namen füreinander. So sagt Gott von sich: ICH-BIN-DA. In diesem Namen ist die ganze Botschaft der Bibel gebündelt. Wir haben HERR daraus gemacht. Damit aber haben wir zugelassen, dass ein Herr über uns ist – und wir folglich viele Herren in der Kirche über uns haben –, statt uns von einem Liebhaber verführen zu lassen. Merken Sie den Unterschied?
Vielleicht findet ja die Geschichte Gottes mit uns Menschen keine schönere Beschreibung als wirklich diese spannungsgeladene Beziehung zweier Liebender: Sie fordern einander heraus, ziehen sich an, stoßen sich ab, suchen sich, verlieren sich und finden sich wieder. Ja, Gott und der Mensch, das sind zwei Liebende, die an ihrer Verschiedenheit ebenso leiden, wie sie sich voneinander angezogen fühlen. Es ist eine Liebe, die auf Antwort angewiesen ist, die der je andere gibt. Eine Liebe, die es nötig hat, zu vergeben und sich immer wieder neu zu versöhnen. Nicht, weil der eine Liebhaber großzügig ist und der andere kleinlich; sondern weil der eine ohne den anderen nicht sein kann: Gott kann nicht ohne uns und wir nicht ohne ihn. Das alles steckt in diesem sperrigen Namen Gottes: ICH-BIN-DA.
Und Gott kann schon ganz gewaltig sperrig sein. Manchmal entzieht er sich uns, dann müssen wir Wüstenzeiten ohne ihn durchleben oder auch durchleiden. Aber es gilt: Er ist da. Wie sagt Gottes Stimme am Dornbusch zu Moses: „ICH-BIN-DA, das ist mein Name für alle Zeit. So sollt ihr mich nennen von Geschlecht zu Geschlecht.“
Herzlichst Ihr
Bertram Bolz, Diakon
Kath. Touristen- und
Residentenseelsorger
[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]