Hartes Strafrecht wird weiter verschärft


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Justizminister plädiert für „lebenslang“

Spaniens Strafgesetzbuch, der Código Penal, wird als härtestes Strafrechtsregelwerk Europas angesehen. Nun kündigte Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón neue Verschärfungen beim Strafmaß an, die die bereits enorm hohe Zahl von Gefängnisinsassen wohl weiter steigern wird.

Madrid – In den vergangenen 20 Jahren haben die verschiedenen Regierungen, sowohl  Sozialisten als auch Konservative, das spanische Strafrecht konstant verschärft. Mit Gefängnisstrafen bis zu 40 Jahren gehört der Código Penal heute zu den härtesten Strafgesetzen Euro­pas. Auch die derzeitige Regierung scheint keine Ausnahme machen zu wollen. Der Justizminister kündigte eine Reform an, die zwei neue Modalitäten einführt: die lebenslängliche, revidierbare Freiheitsstrafe und die Sicherheitsverwahrung.

Lebenslängliche, revidierbare Freiheitsstrafe

Im Gegensatz zur „normalen“ lebenslänglichen Freiheitsstrafe (wird verhängt bei mindestens zwei schweren Delikten mit über 20 Jahren Gefängnis und sieht bis zu 40 Jahre Gefängnis vor) kann bei diesem Typus der Gefangene nach 25 bis 35 Jahren entlassen werden, wenn er seine erfolgreiche Wiedereingliederung in die Gesellschaft nachweist. Gegen folgende Straftaten soll nach dem neuen Strafmaß vorgegangen werden: Tötungsdelikt mit terroristischem Hintergrund, politischer Mord, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschheit, Ermordung einer schutzbedürftigen Person (wie Minderjährige unter 16, Behinderte), Serienmord, Bandenmord und sich an ein Sexualdelikt anschließender Mord. Falls die erfolgreiche Wiedereingliederung nicht festgestellt wird, könnte der Veruteilte theoretisch bis zu seinem Tode im Gefängnis bleiben müssen.

Joaquim Bosch, Sprecher der Vereinigung „Richter für die Demokratie“, und María Moretó, Präsidentin der „ Vereinigung fortschrittlicher Staatsanwälte“, sprachen sich gegen das neue Strafmaß aus und bezeichneten dieses als populistisch. Ihrer Meinung nach könnte die lebenslängliche, revidierbare Freiheitsstrafe verfassungswidrig sein, schließlich ermögliche diese eine wortwörtlich „lebenslange“ Gefängnisstrafe, obwohl die Verfassung als Zweck der Bestrafung die Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorsehe.

Sicherheitsverwahrung

Dabei handelt es sich nicht um eine Bestrafung als solche sondern um eine Sicherheitsmaßnahme. Glaubt ein Gericht, ein Schuldiger werde nach seiner Gefängnisstrafe weiterhin „besonders gefährlich“ sein, kann bei Erklärung des Strafmaßes die Sicherheitsverwahrung von bis zu zehn Jahren im Gefängnis oder einer speziellen Einrichtung angeordnet werden. Bei Wegfall der „speziellen Gefährlichkeit“ kann diese im deutschen Strafrecht als Maßregel der Besserung und Sicherung bezeichnete Maßnahme sofort aufgehoben werden. Nach der Vorstellung des Justizministers könnte die Sicherheitsverwahrung bei Mord, Totschlag, Entführung, Sexual- bzw. Gewaltdelikten, Terrorismus oder Drogenhandel angeordnet werden.

Freiheit mit Meldepflicht

Die bereits 2010 in den Código Penal aufgenommene Kontrollmaßnahme sieht vor, dass ein Verurteilter nach Absitzen seiner Gefängnisstrafe bis zu zehn Jahre lang überwacht wird, beispielsweise durch regelmäßiges Vorstellen bei Gericht oder das Tragen von elektronischen Überwachungsgeräten. Vor zwei Jahren nur vorgesehen bei Sexual- und terroristischen Straftaten, will Ruiz-Gallardón die Meldepflicht auch bei Vermögens- und Gewaltdelikten verhängen lassen.

Freiheitsberaubung und anschließendes Verschwinden des Opfers

Die mit einer Gefängnisstrafe von zehn Jahren versehene Freiheitsberaubung soll bei Verschwinden des Opfers mit bis zu 15 Jahren bestraft werden. Handelt es sich um Minderjährige unter 16 Jahren, oder steht die Freiheitsberaubung in Zusammenhang mit einem Sexualdelikt, könnten die Richter sogar bis zu 20 Jahre verhängen, wenn die Re­form durchgesetzt wird.

Vorzeitige Entlassung unter Bewährung

Einem Häftling, der auf Bewährung vorzeitig entlassen und erneut straffällig wird, soll die in Freiheit verbrachte Zeit nicht mehr angerechnet werden.

Allerdings könnte vorbildlichen Gefängnisinsassen auch schon nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe die vorzeitige Entlassung zugesprochen werden, statt wie bisher erst, wenn zwei Drittel abgesessen sind.

Brandstiftung im Wald

Die Freiheitsstrafe soll in schweren Fällen von fünf auf sechs Jahre angehoben werden; handelt es sich um Naturschutzgebiete, sollen sogar neun Jahre Gefängnis drohen.

Diebstahl und Vergehen

„Systematische Diebstähle“, wie z.B. die von „professionellen“ Dieben durchgeführten Taschendiebstähle, könnten nach Beschluss der Reform nicht mehr als Vergehen sondern als Verbrechen eingestuft und mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden.

Bosch und Moretó kritisierten, diese Maßnahme würde insbesondere die Armen und Benachteiligten treffen. „Die Armut würde kriminalisiert“ und „die Benachteiligten würden härter bestraft“, so Bosch bzw. Moretó.

Wirtschaftsdelikte

Die Unterschlagung soll neu geregelt, der Betrug und die Verheimlichung von Vermögenswerten bei Konkursverfahren „effizienter“ verfolgt werden.

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