In den letzten 20 Jahren hat sich die Aufklärung und Bestrafung erheblich verbessert, doch werden weiterhin viel zu wenige Sexualdelikte zur Anzeige gebracht
Madrid – Der aufsehenerregende Fall „La Manada“ brachte vor drei Jahren die öffentliche Debatte über Sexualdelikte, deren gesetzliche Regelung und im Besonderen die Definition der „Zustimmung“ der Frau bei einem sexuellen Übergriff in Gang. Heutzutage werden diese Delikte häufiger angezeigt, den Frauen wird mehr Glauben geschenkt, die Bevölkerung ist stärker sensibilisiert. Seit 1998 ist die Zahl der wegen eines Sexualdeliktes Verurteilten jedes Jahr um 10% gestiegen.
Der Fall „La Manada“
Im Sommer 2016 hatten fünf Freunde, die sich als „La Manada“ (das Rudel) bezeichneten, bei den Festlichkeiten des Volksfestes Sanfermines in Pamplona eine damals 18-Jährige aus Madrid in einen Hauseingang gezogen. Dort wurde die junge Frau von den fünf muskulösen Männern umringt, und es wurden an ihr bis zu sechs Penetrationen vollzogen. Die junge Frau ergab sich ihren übermächtigen Tätern.
Der Oberste Gerichtshof von Navarra verurteilte die fünf Angeklagten im April 2018 nicht wegen „sexuellen Angriffes“, was in Deutschland der Vergewaltigung entspricht, sondern wegen „sexuellen Missbrauchs“ (in D: sexueller Übergriff) und somit „nur“ zu neun Jahren Haft. Die Richter führten an, die für einen „sexuellen Angriff“ erforderliche Gewalteinwirkung bzw. Drohung mit einem Übel hätte nicht nachgewiesen werden können. Die stark einschüchternde Lage der von den fünf starken Männern eingekreisten und bedrängten Frau wurde nicht als ausreichend anerkannt, was einen rechtlichen Missstand aufzeigte und landesweit zu Protesten führte (das Wochenblatt berichtete). Im Juni hob der Oberste Gerichtshof das Urteil auf, erklärte den sexuellen Angriff bzw. die Vergewaltigung für gegeben und verurteilte die Täter zu 15 Jahren Gefängnis. Sie wurden sofort in Haft genommen.
Verurteilungen haben sich verdoppelt
Ende Juni befanden sich 3.290 Männer wegen eines Sexualdeliktes in Haft. Vor 20 Jahren waren es nur knapp die Hälfte (1998: 1.570). Seit 1998 ist die Zahl der wegen eines Sexualdeliktes Inhaftierten jedes Jahr um 10% gestiegen, was Experten auf die Anhebung der Gefängnisstrafen, die höhere Sensibilisierung der Gesellschaft und Zunahme der Anzeigen zurückführte.
Hohe Dunkelziffer
Trotzdem sind sich die Experten darüber einig, dass noch viel zu wenig Frauen Anzeige erstatten und die Dunkelziffer der Sexualdelikte weit höher liegt. Im Rahmen einer Umfrage der Regierung von 2015 erklärten 7,2% der teilnehmenden Frauen, sexuelle Gewalt erlitten zu haben, was, auf die Gesamtbevölkerung umgelegt, einer Zahl von 1,4 Millionen Frauen und Mädchen entspricht. Die Experten führen die weiterhin geringe Zahl der Anzeigen darauf zurück, dass Sexualdelikte immer noch ein Tabu-Thema darstellen, auf die Angst der Opfer, ihnen werde kein Glauben geschenkt, und auf den Fortbestand von Vorurteilen. Dazu gehörten gemäß den Experten die leider häufiger gehegten Zweifel an sexuellen Angriffen von Bekannten oder Familienangehörigen oder die Unterstellung, das Opfer habe den Angreifer verleitet.[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]