Kanaren beantragen staatliche Rettung


© EFE

Im staatlichen Haushaltsentwurf wurden die Zuschüsse erneut extrem gekürzt

Nachdem Ende September der mit Spannung erwartete staatliche Haushaltsentwurf für das kommende Jahr (siehe Seite 40) veröffentlicht wurde, überschlugen sich auf den Kanarischen Inseln die Ereignisse. Erschreckt stellte die Regionalregierung fest, dass die staatlichen Zuschüsse erneut stark beschnitten wurden. Javier González Ortiz, Leiter der Ressorts Wirtschaft und Finanzen, kündigte ein düsteres Jahr 2013 mit noch mehr Kürzungen, Arbeitslosigkeit und Armut an.

Anfang Oktober entschied die kanarische Regierung dann offiziell, in Madrid eine Hilfszahlung über 757 Millionen Euro zu beantragen, um in diesem Jahr fällige Verpflichtungen bedienen zu können.

Anschließend begann man mit der schwierigen Aufgabe, einen ersten regionalen Haushaltsentwurf für das kommenden Jahr auszuarbeiten.

Umfangreiche Kürzungen

Der staatliche Haushaltsentwurf für 2013 sieht enorme Kürzungen vor, die sämtliche Sektoren und  auch die autonomen Regionen treffen werden. Nach der Veröffentlichung des Entwurfs und erster Begutachtung seitens der kanarischen Regierung erklärte Javier González Ortiz, statt der dringend nötigen Aufstockung der Zuschüsse seien diese weiter gekürzt worden. Insofern sei bereits jetzt absehbar, dass die Arbeitslosigkeit steigen werde, die sozialen Dienste weiter beschnitten werden müssten und die Bürger wieder einmal die Leidtragenden sind.

So wird beispielsweise das Kanarische Programm zur Beschäftigungsförderung (PIEC) im kommenden Jahr statt 40 Millionen Euro nur noch mit 10 Millionen Euro ausgestattet. Margarita Ramos, Leiterin der Ressorts Arbeit, Industrie und Handel, wies gegenüber einer Tageszeitung empört darauf hin, dass angesichts der derzeitigen Arbeitslosenquote von 33% und einer Jugendarbeitslosenquote von erschreckenden 54%, die Kürzung der Mittel nur auf Unverständnis stoßen könne. In diesem Jahr hätten die Gemeinden mit Hilfe des PIEC 2.000 Arbeitslose beschäftigen können, im kommenden Jahr werde es nun jedoch weder Weiterbildungskurse noch Beschäftigungsabkommen mit den Gemeinden geben, erklärte Ramos.

Der Straßenbauetat wurde erneut auf 54 Millionen Euro gekürzt, obwohl ursprünglich der Staat und die Kanaren für das kommende Jahr eine Investitionssumme von 207 Millionen Euro vereinbart hatten. Domingo Berriel, Leiter der Ressorts Öffentlicher Bau, Transport und Territorialpolitik, gab an, von den 21 laufenden Straßenbauprojekten müssten einige gestoppt werden, „sehr wahrscheinlich“ würden mehrere Straßen auf Gran Canaria dazugehören. Berriel zeigte an, dass bereits in diesem Jahr aufgrund der Etatkürzung im Straßenbau 2.000 direkte Arbeitsplätze verlorengegangen seien, im kommenden Jahr könnten es bis zu 17.000 direkte und indirekte Arbeitsstellen treffen. Da die Regierung von Mariano Rajoy gegen die Regelungen des Autonomen Finanzsystems der Kanaren (REF) und das Straßenbauabkommen verstoßen werde, wolle sein Ressort Klage einreichen, kündigte Berriel an. In seinen Zuständigkeitsbereich fällt auch die Kürzung der Subventionen für den Transport von Passagieren und Waren um 20 Millionen Euro, die der Regierungsvertreter als „bedeutend“ bezeichnete.

Wie sich die erhebliche Etatkürzung von 22% beim Gesundheitsministerium auf das kanarische Gesundheitswesen und dessen Leistungen auswirken wird, wurde übrigens noch nicht bekannt gegeben.

Staatliche Hilfe für diesjährige Verpflichtungen

Nach vielen Wochen der Überlegungen, der Abwägung und Prüfung der Konditionen entschloss sich die Regionalregierung Anfang Oktober, als sechste autonome Region (nach Valencia, Murcia, Katalonien, Kastilien-La Mancha und Andalusien) eine Hilfszahlung über fast 757 Millionen Euro aus dem staatlichen Rettungsfonds (Fondo de Liquidez Autonómica, FLA) zu beantragen. Rund 326 Millionen Euro sind erforderlich, um am Jahresende fällige Anleihen zu begleichen, weitere 430 Millionen Euro, um das vom Staat vorgeschriebene Defizitlimit von 1,5% einzuhalten.

Javier González Ortiz versicherte, die Liquidität der Kanaren sei nicht gefährdet, das Gegenteil sei der Fall. Bei den Kanarischen Inseln handele es sich um die am geringsten verschuldete Region. Doch die starke Benachteiligung gegenüber anderen Regionen im Rahmen des Finanzierungssystems, sowie die enormen Kürzungen im Rahmen des staatlichen Haushaltsplanes würden die Region zu einer Kreditaufnahme zwingen und die Konditionen des FLA seien einfach günstiger als die der Banken. So erlaube der staatliche „Kredit“ eine rückzahlungsfreie Karenzzeit von zwei Jahren und eine Tilgungszeit von zehn Jahren bei einem Zinssatz zwischen 5% und 5,5%. Im Gegenzug muss die unter den Rettungsschirm aufgenommene Region vom Staat diktierte Ausgabenkürzungen vornehmen, sich der staatlichen Kontrolle unterziehen und das Defizitlimit einhalten, doch darauf ging Ortiz noch nicht näher ein.

Ob die finanzielle Lage der Region tatsächlich so unbedenklich ist, wie Ortiz darzustellen versucht, ist fraglich. Industrieminister José Manuel Soria gab bei einem Interview des Radiosenders Cadena Ser an, ohne die Hilfszahlung hätten sich die Kanaren innerhalb von zehn Tagen für zahlungsunfähig erklären müssen. Selbst Regierungssprecher Martín Marrero gab zu, die öffentliche Verwaltung ersticke fast an den Zahlungsverpflichtungen. Zwar sollen die staatliche Hilfszahlung und die Ausgabe von Anleihen über 200 Millionen Euro die Region bis zum Jahresende über die Runden bringen, trotzdem hält sich das Gerücht über einen vorzeitigen Haushaltsabschluss hartnäckig.

In einem sind sich alle einig …

Sowohl die Regionalregierung aus Coalición Canaria (CC) und Partido Socialista Obrero Español (PSOE) als auch die Oppositionspartei Partido Popular (PP) sind sich einig, dass 2013 auch wegen der eingeschränkten Kreditaufnahme von nur 300 Millionen Euro (Defizitlimit 2013: 0,7%) und der Rezession ein „kompliziertes“ Jahr sein wird, geprägt von einem Rückgang der öffentlichen Leistungen und einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit. Dieses Bild vermittelten beide Seiten bei einer parlamentarischen Diskussion über die finanzielle Lage nach der aktuellsten Entwicklung.

Doch während die Regionalregierung, sprich ihr Vertreter Javier González Ortiz, der Zentralregierung die Schuld in die Schuhe schob und dieser vorwarf, mit einer Pro-Kopf-Investition von nur 126 Euro pro Canario gegenüber einem landesweiten Durchschnitt von 222 Euro die Inseln zu diskriminieren, kritisierte Oppositionspolitiker Román Rodríguez (Nueva Canarias, NC) die „Verschwendung“ und „äußerst schlechte Führung“ der kanarischen Regierung. Asier Antona (PP) forderte Rivero und sein Kabinett auf, beispielsweise die jährlichen Kosten für die Policía Canaria (5 Millionen Euro, Radiotelevisión Canaria (38 Millionen Euro), die Inselvertretungen im Ausland (2,6 Millionen Euro) oder die Gehälter der hohen Verwaltungsposten (7 Millionen Euro) zu reduzieren. Zugegebenermaßen stehen diese Kosten in keinem Verhältnis zum Ausmaß der staatlichen Kürzungen.

„Komplizierte“ Haushaltsplanung

Nach der Bekanntgabe des staatlichen Haushaltsentwurfes und dem Entschluss, sich dem staatlichen Rettungsplan anzuschließen, machte sich die Regionalregierung an die Ausarbeitung des eigenen Haushalts für das kommende Jahr. Am 18. Oktober gab Ortiz bekannt, die Kanaren müssten aufgrund der staatlichen Kürzungen und des eng gesteckten Defizitlimits 575 Millionen Euro einsparen, sodass die Aufstellung des Etats „kompliziert“ sei. Die Regionalregierung werde jedoch „versuchen“, die Qualität der öffentlichen Dienste aufrechtzuerhalten.

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