Kanarische Regierung will Küstenschutzgesetz umgehen


© Moisés Pérez

Durch ein Regionalgesetz soll der Abriss „ethnografisch wertvoller“ Küstenorte verhindert werden

Das spanische Küstenschutzgesetz aus dem Jahr 1988, das ohnehin bis vor wenigen Monaten noch kaum wirklich zum Tragen kam, sorgt weiter für Wirbel. Nach der autonomen Region Galicien in Nordspanien wollen nun auch die Kanarischen Inseln über ein Regionalgesetz die folgenschwersten Punkte des Ley de Costas abschwächen.

Madrid – Im Dezember letzten Jahres hatte Galicien auf Vorschlag der Sozialisten und der nationalistischen Partei BNG eine Reform ihres Wohnungsgesetzes verabschiedet, um Hunderte Häuser in erster Küstenlinie davor zu schützen, abgerissen zu werden. Knapp einen Monat später wurde auf nationaler Ebene über eine Änderung des Schifffahrtsgesetzes eine Hintertür für die Eigentümer der durch das Ley de Costas betroffenen Häuser geöffnet. Plötzlich soll es nun doch möglich sein, Häuser, die vor Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 1988 sozusagen legal auf öffentlichem Boden, also direkt am Strand bzw. in erster Küstenlinie gebaut wurden, verkaufen zu können.

Nach dem unglaublichen Aufruhr, den im Oktober der Abriss nahezu des ganzen Küs­tendorfes Cho Vito auf Teneriffa nach sich zog, droht Ähnliches nun auch einem Küstenort auf Gran Canaria. Über eine autonome Normative, die noch im April verabschiedet werden soll, will die Regionalregierung dies verhindern. Ein entsprechender Reformvorschlag wurde bereits am 22. Januar von der in Koalition mit der Volkspartei (PP) regierenden Kanarischen Koalition (CC) eingereicht. Darin wird unter anderem dafür plädiert, Küstenorte mit „ethnographischem und kulturellem Wert“ aus Gründen des „öffentlichen Interesses“ vom Abriss zu verschonen, auch wenn sie auf öffentlichem Boden errichtet wurden.

CC-Parlamentssprecher José Miguel Barragán erklärte diesbezüglich, damit werde beabsichtigt, unsere Geschichte und Tradition zu schützen“. „Es gibt Fischerdörfer auf öffentlichem Boden, die auf keinen Fall abgerissen werden dürfen“, meinte er wörtlich.

Das Ley de Costas aus dem Jahr 1988 setzte fest, dass Strände öffentlicher Boden sind und dort kein Privateigentum möglich ist. Häusern, die vor 1988 in direkter Küstenlinie gebaut wurden und über eine Baugenehmigung verfügen, wurde eine Art Konzession gewährt. Dadurch erhielten die Eigentümer ein 30-jähriges Nutzungsrecht (auf 60 Jahre verlängerbar). Häusern, die ohne Baugenehmigung bzw. nach Inkrafttreten des Gesetzes in direkter Küstenlinie gebaut wurden, drohte unweigerlich der Abriss. Erst jetzt, 21 Jahre nach Inkrafttreten des Ley de Costas, haben die Behörden jedoch damit begonnen, die Normative auch anzuwenden.

Im Fall der Kanarischen Inseln bestehe der Sonderfall, dass es viele dieser Küstendörfer gibt, die zwar vor 1988 gebaut, jedoch nie offiziell regis­triert wurden. Trotzdem wurden sie als legal angesehen und haben über die letzten Jahrzehnte beispielsweise Grundsteuer sowie sonstige Gebühren bezahlt. Die Eigentümer verfügen über die entsprechenden Belege.

Mit dem geplanten autonomen Gesetz überschreiten die Kanaren in verschiedenen Punkten ihren Kompetenzbereich. Sollte das spanische Umweltministerium das Gesetz also nicht vor dem Verfassungsgericht anfechten, dürfte dies im Hinblick auf mögliche ähnliche Aktionen anderer autonomer Regionen als Präzedenzfall angesehen werden.[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]

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